Atmen Sie in den Schmerz

"Herr Dabus?". "Jep, hier. Anwesend und gleich bei Ihnen.". Mühselig quäle ich mich aus dem Stuhl. Schwer ist’s, wenn beide Beine inklusive Hinterteil nach 2.64 Stunden Wartezeit eingeschlafen sind. Mit leichter Bücklingshaltung schleife ich mich an den tauben Gesichtern im Wartezimmer vorbei. Zwischen den Scheintoten und Rentnern bin ich wahrlixt ein Jungbrunnen. Trotz dem Nerv im Rücken, der seit dem Sturz am GP in der Klemme ist. Abhilfe naht. Der Mann im weissen Kittel wird das schon richten, mir wieder ein fengshuimässiges Aufrechtgehen ermöglichen, damit ich am Frauenlauf brillieren kann. Ein guter Läufer braucht ein gutes Team. Und mein Medizinmann treibt so manchen Nerv aus der Klemme. Unsere Begrüssung ist eher förmlich. Eine gewisse Professionalität gehört halt auch dazu. Freigemacht lege ich mich auf den Schragen und gebe mich den heilenden Händen des Fachmannes hin. Er nimmt Anlauf, springt auf meinen Rücken und zerrt meinen Oberkörper Richtung Himmel. Mit den Worten: "Atmen Sie in den Schmerz." ist mir auch nid geholfen. Soviel Atem hat der Mensch nid. Und schon gar nid, wenn sein rechtes Knie sich rückwärts in meine Lungen bohrt. Meine letzten Überlebensinstinkte setzen ein. Ich schreie wie eine alte Frau bis die Dame vom Empfang den Schlächter auf meinem Rücken ablenkt. Mit einer Seitenrolle werfe ich den Teufel ab, drehe mich um und greife nach dem Pfefferspray in meiner Handtasche. Scheisse leer. So schnappe ich mir sein Stethoskop und prügle ihn in Embryohaltung. Nun sage mir, lieber Medizinmann, atmest du in den Schmerz?

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