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LIFESTYLE-FASCHISMUS Das, Magazin, 28. Oktober 2014 Daniel Binswanger Vier Wochen vor dem Abstimmungssonntag kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ecopop-Initiative eine Mehrheit findet. Insbesondere das taktische Doppelspiel der SVP, deren Parteistrategen zwar kein Ja, aber explizit ein möglichst knappes Nein anstreben, verhilft der Vorlage zu realen Siegeschancen. Wer erfolgreich um die populistische Lufthoheit pokern will, muss halt auch mal die Zukunft der Schweiz aufs Spiel setzen. Schon heute steht jedenfalls fest, dass wir unser Bild der Schweizer Volkssouveränität grundsätzlich revidieren sollten. Bis anhin herrschte Konsens, dass die Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach ein spektakulärer Schandfleck in der Geschichte der direkten Demokratie darstellt. Neben Ecopop jedoch wirkt Schwarzenbachs Xenophobie nach guter Väter Sitte nur noch gemütlich wie ein alter Heimatfilm. Schwarzenbach war ein Fremdenfeind. Ein Eugeniker war er nicht. Es ist Balthasar Glättlis Verdienst, in den «Unheimlichen Ökologen» das faschistische Erbteil der Umweltschutzbewegung aufgearbeitet zu haben. Das Buch kommt spät, mit Blick auf Ecopop vielleicht zu spät, aber immerhin. Der Philosoph Luc Ferry veröffentlichte bereits Anfang der Neunzigerjahre «Le Nouvel Ordre écologique», einen in Frankreich breit diskutierten Essay über den ökologischen Antihumanismus, der an politphilosophischer Reflektiertheit bis heute nicht übertroffen ist. Auch die deutschen Grünen haben ihre Hausaufgaben längst gemacht. Wie sagte doch der grüne Umweltminister Jürgen Trittin 2002 im Berliner Umweltforum: «Es gab eigentlich keinen Punkt, an dem Naturschutz und Nationalsozialismus ideologisch grundsätzlich unvereinbar waren. All das mag für einen Naturschützer unangenehm sein – aber es ist die historische Wahrheit.» Worin liegt der eigentliche Skandal der Ecopop-Initiative? Nicht in der Forderung nach rigider Zuwanderungsbeschränkung. Ihre Einführung wäre zwar ein wirtschaftliches Desaster, aber dass die Schweizer Bevölkerung immer wieder an die Urne gerufen wird, um über die Gestaltung der Zuwanderungspolitik zu entscheiden, ist der Courant normal der direkten Demokratie. Der Skandal liegt in der Verbindung von Zuwanderungsbeschränkung in der Schweiz mit Geburtenkontrolle in der Dritten Welt. Offenbar reicht es nicht aus, die Ausländer zu kontingentieren, um in der helvetischen Heimat die Unversehrtheit von Wald, Weid und Alpenbrache zu bewahren. Es müssen zu diesem hehren Zweck auch aktive Anstrengungen unternommen werden, um in der Sahelzone die Geburtenrate zu senken. Globale Denatalität zum ökologischen Wohl der Heimat. Oder im Klartext: weniger Negerlein. Das ist die politische Substanz der Ecopop-Initiative. In der schönen Schweiz des Jahres 2014 könnte sie mehrheitsfähig sein. Der Gipfel der Obszönität wird erreicht, wenn die Ecopop-Initianten versichern, es gehe ihnen mitnichten um postkoloniale Bevölkerungskontrolle, sondern um die Durchsetzung des Menschenrechtes auf Familienplanung und die Stärkung der Rechte der Frauen. Leider steht von Menschen- oder Frauenrechten im Initiativtext kein Sterbenswörtchen. Auch eine Erhöhung der Entwicklungshilfe fordern die vermeintlichen Drittweltfreunde von Ecopop mit keiner Silbe. Verlangt wird, dass mindestens 10 Prozent der Entwicklungshilfe für Familienplanung ausgegeben werden. Das bedeutet, dass die Summen, welche die Deza zwangsweise für Aufklärungskurse und Verhütungsmittel auszugeben hätte, nicht mehr für Spitäler, Schulen, Saatgut und Bewässerungssysteme verwendet werden können. Es bedeutet, dass den Bedürftigsten der Welt Mittel weggenommen werden mit dem ausschliesslichen Ziel zu verhindern, dass sie sich vermehren. Natürlich ist Familienplanung Bestandteil jeder vernünftigen Entwicklungspolitik. Wer Geburtenkontrolle aber als obligatorische Priorität in der Verfassung festschreibt, dem geht es nicht um das Wohlergehen der Entwicklungsländer. Es geht ihm einzig darum, den Zuwachs der Weltbevölkerung um jeden Preis zu bremsen – auf dass wir unsere Alpenbrache ganz ohne schlechtes ökologisches Gewissen mit hübschen, garantiert inländischen Kindern bevölkern können. Der Kerngehalt von Ecopop ist faschistoid – aber die Umsetzung ist angenehm Lifestyle-kompatibel. Bekanntlich steigt die umweltbewusste Easyjet-Generation nicht mehr ins Flugzeug, ohne vorher das schlechte Gewissen mit einer kleinen CO2-Kompensationszahlung auf myclimate.com beruhigt zu haben. So reist es sich komplexfrei und unbegrenzt. Auch wenn Sie einen Kinderwunsch hegen sollten, ist es doch gut zu wissen, dass die Deza zur Kompensation in der Sahelzone, sagen wir, zwanzig Frauen sterilisiert. So bliebe alles nachhaltig im ökologischen Gleichgewicht.
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Das wahnsinnige weltweite Finanzsystem / Ecopop
LIFESTYLE-FASCHISMUS Das, Magazin, 28. Oktober 2014 Daniel Binswanger Vier Wochen vor dem Abstimmungssonntag kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ecopop-Initiative eine Mehrheit findet. Insbesondere das taktische Doppelspiel der SVP, deren Parteistrategen zwar kein Ja, aber explizit ein möglichst knappes Nein anstreben, verhilft der Vorlage zu realen Siegeschancen. Wer erfolgreich um die populistische Lufthoheit pokern will, muss halt auch mal die Zukunft der Schweiz aufs Spiel setzen. Schon heute steht jedenfalls fest, dass wir unser Bild der Schweizer Volkssouveränität grundsätzlich revidieren sollten. Bis anhin herrschte Konsens, dass die Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach ein spektakulärer Schandfleck in der Geschichte der direkten Demokratie darstellt. Neben Ecopop jedoch wirkt Schwarzenbachs Xenophobie nach guter Väter Sitte nur noch gemütlich wie ein alter Heimatfilm. Schwarzenbach war ein Fremdenfeind. Ein Eugeniker war er nicht. Es ist Balthasar Glättlis Verdienst, in den «Unheimlichen Ökologen» das faschistische Erbteil der Umweltschutzbewegung aufgearbeitet zu haben. Das Buch kommt spät, mit Blick auf Ecopop vielleicht zu spät, aber immerhin. Der Philosoph Luc Ferry veröffentlichte bereits Anfang der Neunzigerjahre «Le Nouvel Ordre écologique», einen in Frankreich breit diskutierten Essay über den ökologischen Antihumanismus, der an politphilosophischer Reflektiertheit bis heute nicht übertroffen ist. Auch die deutschen Grünen haben ihre Hausaufgaben längst gemacht. Wie sagte doch der grüne Umweltminister Jürgen Trittin 2002 im Berliner Umweltforum: «Es gab eigentlich keinen Punkt, an dem Naturschutz und Nationalsozialismus ideologisch grundsätzlich unvereinbar waren. All das mag für einen Naturschützer unangenehm sein – aber es ist die historische Wahrheit.» Worin liegt der eigentliche Skandal der Ecopop-Initiative? Nicht in der Forderung nach rigider Zuwanderungsbeschränkung. Ihre Einführung wäre zwar ein wirtschaftliches Desaster, aber dass die Schweizer Bevölkerung immer wieder an die Urne gerufen wird, um über die Gestaltung der Zuwanderungspolitik zu entscheiden, ist der Courant normal der direkten Demokratie. Der Skandal liegt in der Verbindung von Zuwanderungsbeschränkung in der Schweiz mit Geburtenkontrolle in der Dritten Welt. Offenbar reicht es nicht aus, die Ausländer zu kontingentieren, um in der helvetischen Heimat die Unversehrtheit von Wald, Weid und Alpenbrache zu bewahren. Es müssen zu diesem hehren Zweck auch aktive Anstrengungen unternommen werden, um in der Sahelzone die Geburtenrate zu senken. Globale Denatalität zum ökologischen Wohl der Heimat. Oder im Klartext: weniger Negerlein. Das ist die politische Substanz der Ecopop-Initiative. In der schönen Schweiz des Jahres 2014 könnte sie mehrheitsfähig sein. Der Gipfel der Obszönität wird erreicht, wenn die Ecopop-Initianten versichern, es gehe ihnen mitnichten um postkoloniale Bevölkerungskontrolle, sondern um die Durchsetzung des Menschenrechtes auf Familienplanung und die Stärkung der Rechte der Frauen. Leider steht von Menschen- oder Frauenrechten im Initiativtext kein Sterbenswörtchen. Auch eine Erhöhung der Entwicklungshilfe fordern die vermeintlichen Drittweltfreunde von Ecopop mit keiner Silbe. Verlangt wird, dass mindestens 10 Prozent der Entwicklungshilfe für Familienplanung ausgegeben werden. Das bedeutet, dass die Summen, welche die Deza zwangsweise für Aufklärungskurse und Verhütungsmittel auszugeben hätte, nicht mehr für Spitäler, Schulen, Saatgut und Bewässerungssysteme verwendet werden können. Es bedeutet, dass den Bedürftigsten der Welt Mittel weggenommen werden mit dem ausschliesslichen Ziel zu verhindern, dass sie sich vermehren. Natürlich ist Familienplanung Bestandteil jeder vernünftigen Entwicklungspolitik. Wer Geburtenkontrolle aber als obligatorische Priorität in der Verfassung festschreibt, dem geht es nicht um das Wohlergehen der Entwicklungsländer. Es geht ihm einzig darum, den Zuwachs der Weltbevölkerung um jeden Preis zu bremsen – auf dass wir unsere Alpenbrache ganz ohne schlechtes ökologisches Gewissen mit hübschen, garantiert inländischen Kindern bevölkern können. Der Kerngehalt von Ecopop ist faschistoid – aber die Umsetzung ist angenehm Lifestyle-kompatibel. Bekanntlich steigt die umweltbewusste Easyjet-Generation nicht mehr ins Flugzeug, ohne vorher das schlechte Gewissen mit einer kleinen CO2-Kompensationszahlung auf myclimate.com beruhigt zu haben. So reist es sich komplexfrei und unbegrenzt. Auch wenn Sie einen Kinderwunsch hegen sollten, ist es doch gut zu wissen, dass die Deza zur Kompensation in der Sahelzone, sagen wir, zwanzig Frauen sterilisiert. So bliebe alles nachhaltig im ökologischen Gleichgewicht.
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