Kommentare

schenk mir doch noch ein paar gedanken zum bösen im jakobiner.

@pierreamuz, dein Text tut mir richtig gut! Alles, was du schreibst ist mir nahe, ich denke wie du ! Danke dir!

für die schnelldenker, die manchmal eine abkürzung zuviel nehmen: eichmann war ein sehr durchschnittlicher mensch. er war gewissermassen das ideals eines beamten ohne menschliches gewissen, eines beamten, der nur davon getrieben war, seine pflicht zu erfüllen. soviel ich weiss, hat er niemanden persönlich getötet. hannah arendt kritisierte, dass man aus einer durchschnittsperson einen monsterhaften bösewicht machen wollte. in wirklichkeit kommt das "böse" aus dem wegschauen, der fehlenden neugier, dem fehlenden verantwortungsgefühl. dieses beamtendenken - wenn ich mich nur an die regeln halte, nirgends einmische, ein musterschüler bin, ohne mich zuviel um andere zu kümmern, die mich nichts angehen, dann verhalte ich mich schon richtig -, ist eben falsch. aber es wird belohnt, gerade auch in der heutigen zeit. auch in der schweiz. - das gegenteil wäre zivilcourage. wäre mensch sein. wäre fragen stellen. kein zahnrädchen sein. eher sand im gebriebe, dort wo diess unmenschlichkeit produziert. aber schon nur neugierde wäre etwas. neugierde zum beispiel, was es mit mir/ mit uns zu tun hat, was an einem anderen ort passiert. oder zu einer anderen zeit. das könnte auch am anfang stehen von etwas, das mit verantwortung zu tun hat.

neinnein, Adolf Eichmann war doch sooo ein Lieber, rettete doch Viele, war doch sicherlich kein Böser!! Trotzdem möchte ich ihn würgen., müsste mich, wegen der Nähe, sehr überwinden !..., i c h bin bööööse!

aber hallo, klar ist die schweiz ist ein unrechtsstaat, adolf eichmann beweist es. dass ich darauf nicht von selber gekommen bin...

eine weitere frage stellt sich mir:
- war adolf eichmann ein böser mann?

da kann einem schwindlig werden. "wir" grenzen also als kollektiv aus und "wir" finden hoffentlich als ebendieses kollektiv die richtigen antworten darauf... tönt so schön wie stumpf. oder benn aufs schändlichste auszunutzend: jenseits von sieg und niederlage
wenn dein diffuses wir so untaten vollbringt definiert dieses also den unterschied zwischen rechts und unrechtsstaat. mir persönlich sind wenige so böse menschen bekannt, die überwältigende mehrheit versucht redlich, mit unsicherem erfolg, ein anständiges leben zu führen. es müsste also irgend eine arithmetische grenze von unmenschen geben die für den unrechtsstaat reicht. 10%? 20, 30? 5%? offensichtlich quatsch.
ich habe keine probleme mit dem was du als erstrebens oder vermeidenswert erachtest, aber deine schlüsse sind humbug. und mir gehts offenbar auf den keks, wenn wichtige themen mit einem jede vernünftige diskussion erstickenden lamentobrei versehen werden. als gäbs dafür nicht genug belangloses.

Pierre: Sehr gute Fragen. Hoffentlich finden wir (kollektiv) auch befriedigende Antworten.

Danke für deine Antwort.

lucid: es gibt verschiedene ebenen, auf denen man handeln müsste. die politik ist eine davon. und die hat - spät, aber immerhin - reagiert. manchmal halbherzig, primär so, dass es öffentlichkeitswirksam ist. was meines erachtens zwar nicht reicht, aber das ist halt das, was politiker können.
es gibt auch eine historische und eine juristische ebene.
für mich steht im vordergrund, dass die menschen nicht das unrecht verleugnen, sondern die doppelmoral damals und heute erkennen. und dass man aufhört, menschen auszugrenzen und die rechtlosigkeit für gewisse gruppen als notwendigkeit und verhandelbar darzustellen. es gibt diese tendenz in der politik. und bei den menschen im kleinen auch. das sind die kleinen keimzellen der diktatur, von denen wir auch in der ach so demokratischen schweiz nicht gefeit sind. all dies sollte thematisiert werden.
fragen wie:
welche menschen grenzen wir heute aus?
welche menschen nutzen wir heute aus?
welche arten von tyrannei unterstützen wir indirekt nah und fern?
können wir uns vorstellen, dass alle menschen so leben können wie wir, oder empfinden wir uns als auserwählt und die anderen sind halt selber schuld?
wovor haben wir angst, wenn wir wirklich ernst machen würden mit unseren demokratischen und freiheitlichen idealen?

pierre: mir scheint, eher du bist auf dem entweder-oder-trip -> wenn es nicht der totale rechtsstaat ist, ist es eben der totale unrechtsstaat. Und das erscheint mir in bezug auf die Schweiz schon sehr übertrieben. Was verdingkindern usw. geschehen ist, ist äusserst bedauerlich, und ich finde es richtig, dass die Schweizer behörden sich heute um erkenntnis und wiedergutmachung bemühen. Ich denke, das ist für die betroffenen und ihre nachkommen eine (kleine) wertschätzung angesichts des grossen leidens, das sie teilweise durchmachen mussten oder immer noch müssen. Doch es ist auch so, dass es früher nicht unbedingt als unrecht angesehen wurde, kinder und erwachsene aus welchem grund auch immer wegzusperren. Genauso wenig empfand man es als unrecht, frauen das stimmrecht zu verweigern oder menschen aufgrund der physionomie wegzusperren oder in gegenwart von nichtrauchern und kindern kette zu rauchen. Das rechtsempfinden erfährt im laufe der zeit ganz offensichtlich eine entwicklung bzw. verschiebung. Das ist bei deiner frage zu berücksichtigen. Wichtig ist doch, dass eine instanz offen bleibt für diese entwicklung und massnahmen ergreift, um eventuell vergangenes unrecht zu erkennen und vorgehensweisen zu korrigieren. Den idealen rechtsstaat gibt es nicht.

Pierraramuz, wie soll die heutige Schweiz mit dem damaligen Unrecht umgehen? Wie kann sie ihren Status als Rechtsstaat deiner Ansicht nach wieder herstellen?

und daraus folgt?

für dich gibt es also nur entweder das perfekte ideal oder der normalfall, bei dem es auch mal fehler gibt. und da das ideal nicht erreichbar ist, soll man mit dem normalfall zufrieden sein, weil besser ist es nirgends?
hier geht es aber um etwas anderes. es geht darum, dass im fall der administrativjustiz über jahrzehnte bewusst und vorsätzlich der rechtsstaat umgangen wurde. unter beteiligung von kirche und bauernverband und sozialbehörden. man hat ein bisschen profitiert davon, dass menschen, die sich nicht wehren konnten, KEINEN ZUGANG ZUM RECHT bekommen haben. geht das in deinen kopf rein?
natürlich kann man sagen: geht mich nichts an. ich kenne niemanden, den das betrifft. es geht mich ja auch nichts an, ob ich kleider trage, die von sklaven produziert wurden und die darum bei h+m so billig zu bekommen sind. was kümmert mich das leben anderer? - das hat aber mir den vorstellungen des rechtsstaates nichts zu tun, der ein bisschen höhere ansprüche hat, nämlich nicht nur in der theorie, sondern auch in der praxis allen menschen den gleichen zugang zum recht zu gewähren. wenn dies ein staat systematisch für gewisse personen verweigert, dann ist es schlicht kein rechtsstaat mehr.

nochmals gaaaanz langsam. wo menschen am werk sind, geht es nicht perfekt zu und her. wenn der begriff rechtsstaat sinn machen soll, wird man also unperfektes akzeptieren müssen. wenn man aber pefektion als voraussetzung eines rechtsstaates setzt, gibts keinen. was den rechtsstaat -weil unereichbares ideal- abschafft. wo der rechtsstaat abgeschafft ist kann lustig gedreckelt werden, weils eh egal ist.
sprich, wer unmögliches vom rechtsstaat erwartet, untergräbt ihn. ganz so, wie es korrupte tun. sich selber loben oder nachdenken, ihr habt die wahl