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Völkerwanderung /Symbolische Bauwerke / Wahrer Frieden
Liebe Anti-Minarett-Abstimmer, oder soll ich sagen, verängstigte Seelen...?
Ich bezweifle sehr stark, dass ein Bauverbot den Muslimen, die hier in der Schweiz leben, hilft oder sie gar anspornt, sich besser zu integrieren.
In der Soziologie beschreibt Integration einen dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens. Seit Menschengedenken findet dies statt, der Mensch ist andauernd von einem Ort zum anderen emigriert, sonst hätte es all die alten Hochkulturen, die sich auf der ganzen Welt gebildet haben, nie gegeben, der Mensch wäre in seiner gesamten Entwicklung nicht weitergekommen und hätte sich durch Inzucht zu Grunde gerichtet.
Dass Integration nicht immer friedlich verläuft ist Fakt.
Wir Schweizer sind nicht von Anbeginn der Menschheit Schweizer, unsere Vorfahren kommen aus fernen Ländern. Natürlich glauben Menschen, die ein Ort besiedeln daran ein Vorrecht gegenüber Fremdlingen zu haben und diesen zu verteidigen. Legitim, da Zuzüger sich an die geltenden Gesetze halten sollen. Dass sie sich aber, egal welcher Nationalität, nun genau der so genannten Schweizer Kultur anpassen, ist ja wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Warum?
Eine Kultur ist ein hochkomplexer, sich stetig wandelnder Mikrokosmos, der sich durch die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen bildet, darunter mag es gewisse Übereinstimmungen geben, daraus entstehen dann die Clichés. Natürlich wird uns Kultur durch Erziehung vermittelt - dies ist noch lange kein Garant, dass sich jeder Einzelne damit wohl fühlt, diese Werte der Kultur leben will/kann oder muss. Ich denke, es kann höchstens eine Anpassung an die Grundregeln statt finden, jedoch nicht zwingend an die Grundwerte, da diese im Fluss sind und somit unbeständig.
Bevor wir über andere Kulturen sprechen, wäre es höchste Zeit, dass wir Schweizer uns zuerst mit unserer heutigen Kultur gründlich auseinandersetzen sollten, wie sie in Städten, auf dem Land, in verschiedenen Kantonen, Gemeinden etc. gelebt wird, bevor wir von schweizerischen Werten oder gar Kultur sprechen können. Was ist denn die Schweizerische Kultur? Wir sind ja multikulti, wie kann man da von EINER oder DER Schweizer Kultur sprechen?
Es gibt Kulturen die sich schwerlich bis fast nicht ertragen, bei denen sich der Prozess des Zusammenfügens/Zusammenwachsens sehr schwierig gestaltet. Ein Argument von dir an die islamischen Mitbürger könnte sein, ein Zeichen zu setzen, dass ihre Religion nicht friedfertig, somit intolerant ist. Dazu möchte ich dich gerne daran erinnern, dass die christliche Religion bis vor nicht allzu langer Zeit mit ihren Kreuzzügen, Hexenverbrennungen, Inquisitionen, missionarischem Wahnsinn etliche Andersgläubige oder Menschen anderer Hautfarbe als weiss und andere Kulturen unterdrückt, verfolgt, ermordet, unterworfen und ausgebeutet hat.
Religion wurde und wird als Machtinstrument missbraucht....auch heute, auch die christliche. Jede Religion wird vom einzelnen Menschen anders interpretiert, gelebt und geglaubt, somit kann nicht eine Religion per se verurteilt werden, sondern die Art, wie diese vom Menschen gedeutet und gelebt wird. Übrigens, Fanatismus, Intoleranz als auch das für sich innere, stille Ausleben eines Glaubens gibt’s in jeder Religion…
Ich weiss nicht, wie viele den Islam praktizierende muslimische Mitbürger du kennst, mit ihnen in Kontakt stehst und dich ausgetauscht hast oder welcher Art die Erfahrungen waren. Pauschalisierungen sind prinzipiell dürftig, nichts sagend und daher als Argument ungültig. Ich stehe auf Grund meiner Arbeit in regem Kontakt zu Muslimen und bis heute wurde ich weder beleidigt, angegriffen oder sonst was. Auch wurde ich im Migros noch nie von einem muslimischen Fanatiker mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft gejagt, noch erlitt ich Blutrache, noch wurde ich zwangsverheiratet oder beschnitten noch gesteinigt. Auch wurde mir keine Burka aufgezwungen, noch werde ich von der Scharia verurteilt oder muss mich x-Mal am Tage gen Mekka verneigen oder sonst was (hoffentlich habe ich so ziemlich alle Argumente deines Ja-sagens zur Initiative aufzählen können...). Ich fühle mich überhaupt nicht bedroht, gestört oder tangiert durch Muslime, noch durch das Minarett in Zürich.
Vielleicht war eines deiner Argumente, dass Menschen aus dem Balkan, hauptsächlich Moslems, unsere Gastfreundschaft mit Füssen getreten haben. Mhmm… unsere Gastfreundschaft....ehrlich gesagt können wir, ich meine damit jeder Einzelne, uns sicherlich nicht alle mit dieser Gastfreundschaft rühmen, der Schweizer ist nicht gerade dafür bekannt und beliebt, freundlich und spontan auf Touristen zuzugehen, was die politische Gastfreundschaft der Schweiz betrifft, da haben wir diesen abgelutschten Begriff der humanitären Tradition, aber diese war zum Teil auch nicht immer selbstlos...
Ok, zurück zu den Menschen aus dem Balkan…die so genannten „Ex-Jugos“....ich bin überzeugt, dass die Gewalt, Kriminalität und Aggression nicht vordergründig etwas mit dem Islam oder dem Muslimsein zu tun hat, ich sehe dies klar auf Grund der Armut, des Analphabetismus, des Ungebildet seins, der geistigen Unaufgeklärtheit/Freiheit, des Krieges, der Traumatas, der totalitären Staatsform und der patriarchistisch-familiären Strukturen (übrigens findest du diese patriarchalische Familienstruktur auch bei Katholiken oder Protestanten, da ist der Mann der Chef, nach dem Motto: ...und Gott schuf Eva aus einer Rippe Adams…, die Frau ist nach wie vor in vielen Familienstrukturen die dem Manne unterlegene, ja hier in der Schweiz, sogar!).
Ich persönlich bin auch dagegen, dass sich Leute an unserem Staat bereichern, IV-Bezüger sind, obwohl putzmunter, Sozialhilfegelder erschleichen etc., ob dies nun Ausländer sind oder Schweizer. Und da sollte wohl das Rechtssystem besser greifen....und dies soll mit dem Bauverbot von Minaretten lösbar sein?, sprich darauf hingewiesen werden? Das ist, als ob ich jemanden überzeugen möchte, mit einem Flaschenöffner Staub zu saugen....
Du sagst vielleicht, mit deiner Ja-Stimme wolltest du auch ein Zeichen an die classe politique setzen, welche in den vergangenen Jahren die Ausländer- und die Migrationspolitik nicht wirklich ernsthaft positiv vorangetrieben hat. Mhmmm....- sehe den Zusammenhang zur Initiative nicht. Da wird das Minarettverbot, sprich die muslimische Bevölkerung per se als Opferlamm missbraucht, um den Politikern und Bundesräten eins auszuwischen? Scheint mir billig, an der Sache vorbei und überhaupt nicht konstruktiv. Ich gehe mit dir einverstanden, dass in Sachen Ausländer- und Migrationspolitik unsere so genannte classe politique nicht gerade geglänzt, sicherlich auch vieles verpennt/missverstanden hat, aber diese Fragen müssten ganz anders angegangen werden, mit einer breiten Aufklärung, Veranstaltungen, Dialoge zwischen den verschiedenen Völkern und Religionen etc. und sicherlich nicht durch eine Antiminarettkampagne - das ist ja absurd!
Du echauffierst dich vielleicht über den vom Bundesrat begangenen „Verrat“ an unserer direkten Demokratie. Grosse Worte, aufgepasst...!
Demokratie heisst sehr wohl Volksherrschaft, jedoch war diese Volksherrschaft im antiken Griechenland nur einer äusserst begrenzten Gruppe von Bürgern zuteil, also nicht Kreti und Pleti. Diese Gruppe hatte sich mit den politischen Themen auseinanderzusetzen, von denen wurde natürlich auch eine gewisse Fachkenntnis erwartet (ob sie diese dann hatten, sei dahingestellt).
Ich darf doch sehr stark anzweifeln, dass sich jeder Schweizer des Instruments der direkten Demokratie bewusst ist im Sinne von sich echt für Politik zu interessieren und sich mit Themen in einer sachlichen, fundierten, aufgeklärten und unparteiischen Sichtweise auseinandersetzt und seine eigene Meinung bildet, denn dann wäre es eine wahre Volksherrschaft, resp. Utopie, da es nun mal grosse intellektuelle und ideelle Unterschiede bei Menschen gibt und nicht alle scharfsinnig und Konsens suchend sind.... und jenste sich nun mal für Politik schlichtweg nicht interessieren.
Ob der Bundesrat nun rechtliche Schritte prüfen muss, ob diese Annahme nicht gegen das Völkerrecht verstösst und somit ungültig wäre, zeigt mir eher die absolute Unfähigkeit der Bundesräte auf und dass sie ihre Arbeit sehr fragwürdig erledigen, als einen Verrat an der Demokratie. Dass je nach Legitimation das Völkerrecht höher steht als ein Bauverbot für Minarette in der Schweiz, ist mir allemal wichtiger.
Überhaupt: mit Verboten hat sich die Welt noch nie zum Besseren verändert und Verbote beseitigen auch keine realen Ängste oder Bedenken oder festigen den Nationalstolz, der dir, so scheint es mir, doch sehr wichtig ist.
Nun gut, zurück zum Eigentlichen:
Alle monotheistischen Religionen haben, nebst ihrem heiligen Buch, ihre Symbolik. Eine christliche Kirche ohne Kreuz darin, unvorstellbar. Nun ist es bei den Muslimen eben die Moschee mit dem dazugehörigen Minarett. So what? Es ist kein hässlicher Betonklotz, es ist nicht 100 Meter hoch, nein, es ist ein Bauwerk, eher ungewohnt und anstatt einem Wetterhahn auf der Kirchturmspitze ist's eben ein Halbmond obendrauf…
Kann ein Bauwerk intolerant sein? Hat das Verbot eines Bauwerkes irgend etwas mit Integration zu tun? Bedroht ein Bauwerk unsere Werten? Ist ein Bauwerk terroristisch? Verändert ein Verbot eines Bauwerks die Arbeit der Politiker? Beleidigt oder verletzt ein Bauwerk die, so genannte, Schweizer Gastfreundschaft?
Es ist ein Bauwerk mit einer religiösen Symbolik und einem Nutzungsprinzip für eine gewisse Gruppe von Menschen, Aus! Ende!, und sonst gar nix!
Und daran willst du vielleicht allen ernstes die von dir vorgetragenen Argumente aufhängen?... hoffen, dass sich die intoleranten und unfriedlichen muslimischen Bürger nun endlich besser integrieren, der Bundesrat und die Politiker sich endlich an ihre Arbeit machen und die bösen Buben aus dem Balkan nun endlich wissen, dass sie mit ihrer kriminellen und aggressiven Art hier nicht erwünscht sind und dass der Verrat an der direkten Demokratie nun gesühnt wird?
Mann, Mann, wie kurzsichtig! du sprichst von Toleranz der Schweizer und reagierst mit Intoleranz auf die aus deiner Sicht intoleranten Muslimen - ist ja fast ein doppeltes Paradoxon!
So lange der Mensch nicht begreift, dass wir auf EINER Erde leben und ein miteinander Leben einiges angenehmer ist als ein gegeneinander, so lange wir unsere Ängste und Bedenken nicht frei äussern, so lange wir Andersartigkeit bekämpfen anstatt uns dem neugierig und offen zu nähern, so lange wir Verschiedenartigkeit keinen Respekt und Platz geben, so lange wir uns nicht nach wahrem Frieden sehnen und dafür alles geben, so lange wird Unverständnis und Krieg herrschen...und so Scheissabstimmungen über ein Bauwerk, das nur als Vorwand dient, des sich nicht stellen müssen unseres eigenen Unvermögens, Unverständnis, unserer eigenen Unfertigkeit und unseren eigenen, kleingeistigen Ängste....