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Ruth von Seen
Ruth von Seen
FreeLesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
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Winterthur
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Die Geschichte nach der Geschichte: Klaus hat über die Festtage einen Job als Türsteher bei einem noblen Hotel
Das ist die Geschichte nach der Geschichte, die Ron euch am 23. oder 24. unter den virtuellen Weihnachtsbaum legen wird. Monique ist noch am Plätzchen backen ...Klaus kommt müde von der "La Couronne" und geht in Richtung Bahnhof, wo er mit der S12 ein Stück weit fahren kann, um danach den Rest des Weges unter die Füsse zu nehmen. Er hat nur eines im Sinn: Seine Uniform abzulegen, die Resten von der Hotelküche, die er heimnehmen darf, aufzuwärmen und dann die Beine hochlagern, Kiste anschalten und sein Bierchen kippen.Da steht die Frau mit dem "Surprise" Heft in der Hand, oben am Geländer der breiten Treppe, die zur Unterführung und zu den Perrons führt. Er kauft ihr immer ein Heft ab, wenn er sie sieht. Sechs Franken, soviel hat er meistens in der Geldbörse und wenn nicht, gibt sie ihm eines für fünf.Klaus tritt näher und grüsst. Die Frau kommt aus Sri Lanka, das hat sie ihm einmal erzählt.Du siehst müde aus, sagt sie.Ja, das bin ich – und ich muss gleich auf den Zug.Aha, sagt sie und streckt ihm das Heft entgegen.Willst du bei uns essen, fragt die Frau, ich bin gleich fertig hier.Klaus überlegt einen Moment. Aber ja, er hat heute mehr bekommen als auch schon, dann können sie alles zusammenwerfen.Gern, sagt Klaus, schau, ich habe da schon etwas, das wir wärmen können. Zusammen verlassen die Beiden den geschäftigen Ort.Peter, das Nordmanntännchen vor der Hütte, wird warten, bis ich komme und Sonja ist eh nicht da, denkt Klaus.
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- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
Lesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
- An diesem Ort kann ich mich am besten entspannen:
- Hof der Stadtbibliothek
- Meine Lieblingsbar:
- Fahrenheit
- Mein Lieblingsclub:
- Albani
- Da nehme ich noch einen Schlummi:
- Coalmine
- In einem Film über mein Leben, würde mich dieser Schauspieler verkörpern:
- Meryl Streeep
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UZFTruffledaveFarbtanz23sandritaRon_WinterthurAndrea_GumanuelafurrerMärliElena LaffranchialeksMagnatumPicoInit7
Die Geschichte nach der Geschichte: Klaus hat über die Festtage einen Job als Türsteher bei einem noblen Hotel
Das ist die Geschichte nach der Geschichte, die Ron euch am 23. oder 24. unter den virtuellen Weihnachtsbaum legen wird. Monique ist noch am Plätzchen backen ...
Klaus kommt müde von der "La Couronne" und geht in Richtung Bahnhof, wo er mit der S12 ein Stück weit fahren kann, um danach den Rest des Weges unter die Füsse zu nehmen. Er hat nur eines im Sinn: Seine Uniform abzulegen, die Resten von der Hotelküche, die er heimnehmen darf, aufzuwärmen und dann die Beine hochlagern, Kiste anschalten und sein Bierchen kippen.
Da steht die Frau mit dem "Surprise" Heft in der Hand, oben am Geländer der breiten Treppe, die zur Unterführung und zu den Perrons führt. Er kauft ihr immer ein Heft ab, wenn er sie sieht. Sechs Franken, soviel hat er meistens in der Geldbörse und wenn nicht, gibt sie ihm eines für fünf.
Klaus tritt näher und grüsst. Die Frau kommt aus Sri Lanka, das hat sie ihm einmal erzählt.
Du siehst müde aus, sagt sie.
Ja, das bin ich – und ich muss gleich auf den Zug.
Aha, sagt sie und streckt ihm das Heft entgegen.
Willst du bei uns essen, fragt die Frau, ich bin gleich fertig hier.
Klaus überlegt einen Moment. Aber ja, er hat heute mehr bekommen als auch schon, dann können sie alles zusammenwerfen.
Gern, sagt Klaus, schau, ich habe da schon etwas, das wir wärmen können.
Zusammen verlassen die Beiden den geschäftigen Ort.
Peter, das Nordmanntännchen vor der Hütte, wird warten, bis ich komme und Sonja ist eh nicht da, denkt Klaus.
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Effort 14: Geschichte von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Klaus sitzt am Tisch seiner Stammbeiz und kippt ein Bier nach dem anderen die Kehle runter. Er hat die Geschenke verteilt. Die Kinder haben sich bedankt, ihm einen Vers aufgesagt oder ein Liedchen gesungen mit vor Aufregung zitternder Stimme und ihn mit glänzenden Augen angeschaut.
Die letzten Nüsse und Mandarinen hat er einem Mädchen geschenkt, das er unterwegs angetroffen hat. Das Mädchen trug eine violett geringelte Mütze und wartete auf jemanden. Es hatte auf einem Mäuerchen gestanden und angestrengt in seine Richtung gestarrt. Als er mit seinem Eselchen näher gekommen war und vor ihm stehen blieb, war es zusammengezuckt, als erwache es aus einem Traum.
Auf wen wartest du, hatte Klaus freundlich gefragt, doch sein Esel scharrte ungeduldig, er wollte endlich nach Hause.
Auf meinen Papa, sagte das Mädchen, aber er ist im Spital.
Oh, hatte Klaus gesagt und anstatt nach einem Vers zu fragen, im Sack nach den letzten Köstlichkeiten gesucht.
Dann war er weiter gegangen. Bekümmert von der Traurigkeit des Kindes.
Nun hat er selber grosse Sorgen. Er hatte sein Eselchen verkaufen müssen, seine Sonja. Er hatte sich mit den Geschenken überlüpft und sein Konto war ratzeputz leer. Es würde nicht einmal für einen kleinen Notvorrat über die Weihnachtstage reichen.
Er würde in der Stadt anfragen, ob er vorübergehend eine Arbeit annehmen könnte bei ihr. Doch sie würde mit der Schulter zucken und sagen, was gehen mich deine Sorgen an, ich habe gerade selber genug davon. Letzte Nacht habe ich sämtliche Sparschweine geschlachtet – doch meine Leute verstehen nicht, dass die Metzgete gleichwohl nicht stattfinden wird. Kein Festmahl, nein, im Gegenteil. Wir haben auf zu grossem Fuss gelebt, wird die Stadt sagen, nun müssen wir uns den Gürtel enger schnallen.
Enger schnallen, denkt Klaus und bezahlt die Rechnung vom Geld seiner verkauften Sonja. Enger schnallen.
Ich werde über die Grenze gehen und als Ausländer wie ein Esel schuften und in einem Jahr komme ich wieder und kaufe dich zurück. Klaus steht auf, tastet nach seinem Gürtel und verschwindet in die Dunkelheit der Winternacht.
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Nikolaus und NIkole: Kolumne von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Der erste Schnee liegt auf dem Balkon. Gestern hing das Grau des Himmels bedrückend dick über den Häusern, verkroch sich in alle Ecken, klebte an den Fenstern. Es war das Stillstehen vor der Entladung.
Am späten Abend erst löste sich der Bann. Schwere Flocken fielen aus der Schwärze und heute morgen hat sich das Schwergewicht verschoben: Es liegt nun auf den Dächern der Häuser, auf dem Geländer des Balkons und auf den Nadelbäumen der nahen Wälder.
Nikolaus fühlt sich heute sonderbar: Zwischen Euphorie und Erschöpfung sind alle Nuancen enthalten. Im Sommer liess er sich von Nikole zu Nikolaus umwandeln – er hatte sich diesen Schritt gut überlegt. Wollte schon lange als Nikolaus arbeiten, aber als Frau hatte man ihm die Rolle stets abgesprochen. Obwohl klar war, dass es viel mehr Kinder gibt als Nikoläuse in der Lage sind, sie zu besuchen oder auch nur den Stiefel zu füllen. Das war nicht der einzige Grund gewesen für die Entscheidung, ein Mann zu werden – aber das ist eine andere Geschichte und würde eine ganze Sternfibel füllen.
Nach den langen Vorabklärungen und Bescheinigungen und Erklärungen ausfüllen war es endlich soweit und dauerte eine knappe Woche. Operation und Testosteron-Tablette.
Unglaublich, wie sich die Welt veränderte mit diesem Hormon: Plötzlich hatten die Häuser eine andere Farbe, er liebte das Salzige und begann mit dem Töfffahren zu liebäugeln. Das war auch schon in Nikole angelegt gewesen, aber nun war es eindeutig und die Zweifel im Rückzug.
Nur heute, da sind sie wieder da.
Wird er den Kindern genügen können?
Wird er sich wohlfühlen in der lang ersehnten Rolle?
Draussen wartet der Esel. Er wird ihn mit den vorbereiteten Geschenken beladen und ihm eine Karotte hinhalten.
"Komm", wird er sagen, "wir zwei machen uns auf den Weg".
Und es wird sachte schneien und das ist gut so.
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Von Mützen und Materialien: Kolumne von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Ein Lob auf Grossmütterchen
Grossmütterchen hat meine Mütze gefaltet. Und wieder auseinandergefaltet. Sie hat gesehen, dass der Gummizug sich in meine Stirn eingegraben hatte und eine Art vergängliches Muster eines indianischen Stirnbandes zu bilden vermochte.
Gib her, sagte sie.
Ihre Hände sind feine Instrumente, um Mützen zu falten, auseinanderzufalten, um Gummizüge zu öffnen und wieder zu verknoten, um leicht über eine gekräuselte Stirn zu streichen und in einem Suppentopf zu rühren. Ebenso gern blättert sie in Zeitschriften, noch lieber aber in Büchern, schnuppert in Bibliotheken, als müsste sie einen Duft der Gezeiten aufnehmen und wendet sich wieder sich selber zu.
Oder meiner Mütze.
Grossmütterchen ist da, wenn ich sie brauche, ich kann ihr rufen und sie eilt fragend herbei.
Mütterchen hat ein grosses Herz, deshalb nenn ich sie Grossmütterchen. Oder Schneewittchen. Oder bodenständiger: Honigmolch.
Ich werde ihr immer verbunden bleiben, denn es gibt Bänder und Bändchen aus Samt und Seide, die nicht strengen Mustern folgen. Oder Materialien. Samt und Seide sind zwar nicht übel, aber es gibt noch andere, tausend mehr Möglichkeiten – sehen wir uns in Tuchläden um, in St. Gallus zum Beispiel, wo ich schon lange nicht mehr war. Oder im Gewerbemuseum hier bei uns, da gibt es manches zu entdecken, was nicht zum gängigem Materialwissen gehört.
("Falten falten" läuft übrigens nur noch wenige Tage!).
Ich lebe gern in meiner Stadt. Ich nenne sie zwar nicht Grossmütterchen, aber das könnte ja noch werden.
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Den Sommer im Winter in der Wohnung?: Kolumne von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Müssen wir den Sommer auch im Winter in unseren Wohnungen haben?
Nun beginnt sie wieder, die Heizerei. In der Regel merken wir nichts davon, es wird geheizt für uns und wir meckern nur, wenn wir kalt haben und das Regulierventil des Heizkörpers nicht weiter aufdrehen können.
Ich sah kürzlich eine junge Kaminfegerin im Auto über Mittag ein Sandwich essen. Schaute neugierig hinein, weil mir die Aufschrift des Kombiwagens aufgefallen war. Die Frau hatte Stöpsel in den Ohren; vielleicht hat sie den harschen Ton ihres Chefs über einen Musikkanal wegspülen müssen.
Ehrlich gesagt weiss ich fast nichts über diesen Beruf, aber die Auswirkungen unseres Energieverbrauchs interessieren mich sehr. Schliesslich wollen wir ja auch unseren Kindern und Kindeskindern einen Platz zum Leben anbieten: Auf unserem Planeten – oder wo wollen wir hin?
Zufall? Auf inforsperber.ch lese ich einen Artikel, der mich juckt und dessen Anfang ich euch nicht vorenthalten möchte.
"Kurt Marti / 19. Sep 2013 - Die fünf Schweizer Atomkraftwerke können innert weniger Jahre durch Heizungen ersetzt werden, die gleichzeitig Strom produzieren.
In den schweizerischen Heizkellern stehen heute rund eine Million Gas- und Heizölkessel. Jedes Jahr werden davon 50 000 ersetzt. Statt diese mit neuen Gas- und Heizölkesseln zu ersetzen, könnten in den Heizkellern sogenannte Wärme-Kraftkopplungs-Anlagen (WKK-Anlagen) eingebaut werden, die gleichzeitig Wärme und Strom produzieren. Dies schlägt der WKK-Fachverband vor. – "
Zwar verstehe ich von der Materie zu wenig. Aber es scheint mir lohnenswert, solche Informationen zu verbreiten und ihnen nachzugehen.
Damit ich meine Füsse warm kriege beim Schreiben, ziehe ich die Winterschuhe an und mache eine mir lieb gewordene Runde: Die Florastrasse hinauf und das schmale Wäldchen hinab wieder zurück, das gibt warm. Allez! Auf geht's!
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Die Brezelkönigin der Stadt: Kolumne von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Die Brezelkönigin sass in ihrem Palast.
Die Brezelkönigin sass in ihrem Palast und wartete.
Die Brezelkönigin sass in ihrem Palast und wartete auf Kunden.
Es war Morgen im November, ein Sturm war angesagt, der übers Land fegen sollte, aber sie sass unbeirrt da. Der Palast mass ungefähr 1.5 auf 1.5 Meter, das war nicht viel, doch der Königin war es egal, sie musste schauen, dass sie ihrem König gefiel, damit sie täglich an der königlichen Tafel in einem nahe gelegenen Seitengebäude teilnehmen durfte.
Die Königin hiess Fatima und hatte dunkles Haar, das ihr Gesicht lieblich umrahmte. Ihre Fingernägel waren feuerrot angestrichen und die Augen kunstvoll mit schwarzem Stift umrahmt. Die Augenbrauenfarbe hatte einen Stich ins Rötliche.
Fatima sass da und seufzte. Sie hatte heute früh aufstehen müssen, damit sie den Palast hatte vorbereiten können. Viel hatte sie zwar nicht zu tun, die Brezeln wurden aufgeschnitten, bebuttert und wieder zugeklebt angeliefert. Die Kaffeemaschine anwerfen und überprüfen, ob alles funktionierte, das war ihre erste Aufgabe.
Fatima war jung. Sie wollte nur solange Königin sein, bis sie an die Schatzkiste des Königs herankäme. Sie musste Geduld haben, beobachten und kluge Entscheidungen treffen. In den Pausen, wenn niemand kam, um eine Brezel mit Sesam zu kaufen oder eine ohne Sesam oder nur einen Kaffee, lernte sie Latein. Diese alte Sprache würde sie für das Studium brauchen.
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