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Ruth von Seen
Ruth von Seen
FreeLesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
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Winterthur
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Viel Glück beim Wohnung suchen und finden!: Stadtgeschichte von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Wila und die Verwaltung, Fortsetzung Wila sitzt 24 Monate später auf einem anderen Balkon, an einem anderen Rand der Stadt. Sie hat das Gewitter überstanden, das sie damals im Voraus hatte erahnen können: Klar, es war die Kündigung gewesen, wegen langandauernden Renovationsarbeiten oder so ähnlich. Das war für ihr Gefühlsleben mehr als ein Gewitterchen, es war ein Sturm mit Böen der gröberen Art.Sie war nicht die Einzige, die sich von dieser Hiobsbotschaft erholen musste. Jede Partei hatte auf ihre Weise zu kämpfen und die einen entschieden sich rasch für eine neue Wohnung, die anderen hatten grössere Mühe. Sie gehörte zu den anderen. Sie wollte wieder an einen ruhigen Platz und sie wollte ihren Feigenbaum zügeln. Wütend hatte sie damals mit dem Schuh nach einem Stein gestossen. Dieser war davon gerollt und sie hatte ihn verwundert aufgehoben. Ein Stein, der sich kugelt. Er kicherte: Es wird auch für dich eine runde Lösung geben!Aus welcher Moräne sich der wohl gelöst hatte?24 Monate sind seither übers Land gegangen und sie hatte sich gefreut, dass der Feigenbaum wieder Blätter trug.Vor einigen Tagen ist sie über ein Inserat gestolpert, das die Firma "Niemand" lanciert hatte.Es war ihre Wohnung, die da ausgeschrieben war! Ihr Schlafzimmerfenster, das die Männer in Krawatten damals geknipst hatten. Ihre Küche, die in neuem Glanz erschien, mit den neuesten Geräten ausgestattet.Sie schnappte nach Luft, als sie den Mietzins sah. Es war nicht wenig, fast das doppelte wie vorher.Wila sitzt an der Sonne auf dem anderen Balkon und denkt nach.Über gerechte und ungerechte Dinge in der Welt. Wohnraum, denkt sie, sollte nach den Ideen der Indianer behandelt werden: Wir dürfen brauchen, aber nichts gehört einem.Sie blinzelt in die Sonne. Die goldenen Herbstblätter bewegen sich lautlos im Wind.
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- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
Lesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
- An diesem Ort kann ich mich am besten entspannen:
- Hof der Stadtbibliothek
- Meine Lieblingsbar:
- Fahrenheit
- Mein Lieblingsclub:
- Albani
- Da nehme ich noch einen Schlummi:
- Coalmine
- In einem Film über mein Leben, würde mich dieser Schauspieler verkörpern:
- Meryl Streeep
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Viel Glück beim Wohnung suchen und finden!: Stadtgeschichte von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Wila und die Verwaltung, Fortsetzung Wila sitzt 24 Monate später auf einem anderen Balkon, an einem anderen Rand der Stadt. Sie hat das Gewitter überstanden, das sie damals im Voraus hatte erahnen können: Klar, es war die Kündigung gewesen, wegen langandauernden Renovationsarbeiten oder so ähnlich. Das war für ihr Gefühlsleben mehr als ein Gewitterchen, es war ein Sturm mit Böen der gröberen Art.
Sie war nicht die Einzige, die sich von dieser Hiobsbotschaft erholen musste. Jede Partei hatte auf ihre Weise zu kämpfen und die einen entschieden sich rasch für eine neue Wohnung, die anderen hatten grössere Mühe. Sie gehörte zu den anderen. Sie wollte wieder an einen ruhigen Platz und sie wollte ihren Feigenbaum zügeln. Wütend hatte sie damals mit dem Schuh nach einem Stein gestossen. Dieser war davon gerollt und sie hatte ihn verwundert aufgehoben. Ein Stein, der sich kugelt. Er kicherte: Es wird auch für dich eine runde Lösung geben!
Aus welcher Moräne sich der wohl gelöst hatte?
24 Monate sind seither übers Land gegangen und sie hatte sich gefreut, dass der Feigenbaum wieder Blätter trug.
Vor einigen Tagen ist sie über ein Inserat gestolpert, das die Firma "Niemand" lanciert hatte.
Es war ihre Wohnung, die da ausgeschrieben war! Ihr Schlafzimmerfenster, das die Männer in Krawatten damals geknipst hatten. Ihre Küche, die in neuem Glanz erschien, mit den neuesten Geräten ausgestattet.
Sie schnappte nach Luft, als sie den Mietzins sah. Es war nicht wenig, fast das doppelte wie vorher.
Wila sitzt an der Sonne auf dem anderen Balkon und denkt nach.
Über gerechte und ungerechte Dinge in der Welt. Wohnraum, denkt sie, sollte nach den Ideen der Indianer behandelt werden: Wir dürfen brauchen, aber nichts gehört einem.
Sie blinzelt in die Sonne. Die goldenen Herbstblätter bewegen sich lautlos im Wind.
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Viel Glück beim Wohnung suchen und finden!: Stadtgeschichte von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Wila und die Verwaltung, Fortsetzung
Wila sitzt 24 Monate später auf einem anderen Balkon, an einem anderen Rand der Stadt. Sie hat das Gewitter überstanden, das sie damals im Voraus hatte erahnen können: Klar, es war die Kündigung gewesen, wegen langandauernden Renovationsarbeiten oder so ähnlich. Das war für ihr Gefühlsleben mehr als ein Gewitterchen, es war ein Sturm mit Böen der gröberen Art.
Sie war nicht die Einzige, die sich von dieser Hiobsbotschaft erholen musste. Jede Partei hatte auf ihre Weise zu kämpfen und die einen entschieden sich rasch für eine neue Wohnung, die anderen hatten grössere Mühe. Sie gehörte zu den anderen. Sie wollte wieder an einen ruhigen Platz und sie wollte ihren Feigenbaum zügeln. Wütend hatte sie damals mit dem Schuh nach einem Stein gestossen. Dieser war davon gerollt und sie hatte ihn verwundert aufgehoben. Ein Stein, der sich kugelt. Er kicherte: Es wird auch für dich eine runde Lösung geben!
Aus welcher Moräne sich der wohl gelöst hatte?
24 Monate sind seither übers Land gegangen und sie hatte sich gefreut, dass der Feigenbaum wieder Blätter trug.
Vor einigen Tagen ist sie über ein Inserat gestolpert, das die Firma "Niemand" lanciert hatte.
Es war ihre Wohnung, die da ausgeschrieben war! Ihr Schlafzimmerfenster, das die Männer in Krawatten damals geknipst hatten. Ihre Küche, die in neuem Glanz erschien, mit den neuesten Geräten ausgestattet.
Sie schnappte nach Luft, als sie den Mietzins sah. Es war nicht wenig, fast das doppelte wie vorher.
Wila sitzt an der Sonne auf dem anderen Balkon und denkt nach.
Über gerechte und ungerechte Dinge in der Welt. Wohnraum, denkt sie, sollte nach den Ideen der Indianer behandelt werden: Wir dürfen brauchen, aber nichts gehört einem.
Sie blinzelt in die Sonne. Die goldenen Herbstblätter bewegen sich lautlos im Wind.
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Drohendes Gewitter, Fortsetzung folgt: Stadtgeschichte von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Wila lebt in einer kleinen Wohnung. Die Wohnung ist gemütlich und liegt am Rand der Stadt. Die Autobahn ist nicht weit weg, sie hört den Lärm, je nachdem, woher der Wind kommt. Die Flugzeuge fliegen regelmässig über das Dach ihres Hauses, aber auch dies nimmt Wila hin.
Wila bezahlt die Miete pünktlich, denn niemand soll auf die Idee kommen, sie zu behelligen. Eines Tages aber bekommt sie von der Firma Niemand, die die Liegenschaft verwaltet, einen Brief, der ankündigt, dass ein Verkauf eingeleitet worden sei. Wila erschrickt, spürt einen Stich in die Magengrube, dort, wo es immer Stiche gibt, wenn Gefahr droht. Aber, beruhigt die Firma Niemand, für Sie gibt es keine Änderungen, die neue Firma werde sich bei ihr melden. "Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit."
Wenig später meldet sich eine Delegation an, um die Wohnung zu besichtigen. Wir müssen uns ein Bild machen, erklärt der Herr mit den glänzenden Schuhen und knipst unverfroren Wilas Zimmer. Im Schlafzimmer knipst er die Träume weg und das stört Wila vehement.
Hallo, das sind meine Träume, möchte sie rufen, doch sie sagt nur, hier bitte nicht eintreten.
Aha, weil wir die Schuhe nicht ausgezogen haben, meint der andere Mann, er trägt eine blaue Krawatte mit gestickten Edelweiss darauf.
Alle sechs Männer tragen teure Krawatten, nur die Frau nicht, das ist die siebte Person, die sich in Wilas Blickfeld tummelt. Ehe es Wila zu unangenehm wird, bedankt sich die Gesellschaft und verzieht sich wie ein drohendes Gewitter, das sich noch nicht entladen hat.
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Vom schwierigen Leben einer Schnecke in der Stadt: Kolumne von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Die Schnecke lag einen halben Meter vor unserer Haustür. Inmitten einer Steinwüste, aus ihrer Sicht: Zur Hecke waren es endlose vierzig Centimeter, zum Wiesenrand etwa dasselbe und zur Haustür, nun, da wird sie wohl nicht reinkönnen.
Ich sah sie ebenfalls, nach unserem Spaziergang. Aber obwohl auch ich ab und zu ein Tierchen rette, stand mir der Sinn nach Gemütlichkeit und das hiess, Computer anwerfen und Beine hochlagern.
Er rettete sie. Ich schaute zu. Erst unschlüssig die Tür aufhaltend, danach interessiert. Er bückte sich, wollte sie hochheben, doch sie klebte trotzig an der Steinwüste fest. Er evozierte mit dem Kübel einen kleinen Landregen vor das Tier. Das reichte noch nicht. Danach über das Tierchen, sachte, sachte. Die nächste Aktion war Löwenzahnkraut hinlegen. Und das half.
Die Schnecke glitt aus ihrem Haus, sie schnellte ihren langen Hals vor und stellte die Fühler auf, alles in blitzschneller Neugier und Begeisterung. Hatten wir vorher nicht sicher gewusst, ob sie noch lebt, jetzt sahen wir ihre Kraft und lebendige Schönheit. Die Schnecke kroch auf das Kraut, als müsste sie einen Wettlauf gewinnen. Und wahrscheinlich war es ja auch ihr persönlicher Wettlauf gegen das Austrocknen ihres Körpersystems (laut Wikipedia sieht das so aus: 1 Gehäuse, 2 Leber, 3 Lunge, 4 Darmausgang, 5 Atemöffnung, 6 Auge, 7 Fühler, 8 Schlundganglion, 9 Speicheldrüse, 10 Mund, 11 Kropf, 12 Speicheldrüse, 13 Geschlechtsöffnung, 14 Penis, 15 Vagina, 16 Schleimdrüse, 17 Eileiter, 18 Pfeilbeutel, 19 Fuß, 20 Magen, 21 Niere, 22 Mantel, 23 Herz, 24 Samenleiter).
Die Schnecke konnte auf der grünen Barke zur Wiese getragen werden. Wir wünschen ihr alles Gute und dass sie einen Weg findet zum Überleben. Machen Schnecken einen Winterschlaf? Ja, aber auch da musste ich nachschauen. Und das Ganze ist komplexer als gedacht, s.oben.
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Alte und neue Zöpfe aus der Studierstube: Kolumne von Ruth Loosli / Illustration in den Ferien
Der Zopf ist alt; alt muss er sein!
Alte Zöpfe verderben den Brei!
Schreibende kochen oft nicht gern. Gern aber ernähren sie sich gesund UND opulent genussvoll. Sie kaufen ungern ein, entnehmen aber den Käse gern einem beladenen Kühlschrank. Die Kaffeedose sollte immer voll sein und der Zopf gleich daneben auf dem Brotbrett. Er darf auch frisch sein, er darf auch alt sein, aber da muss er sein. Alt ist bekömmlicher als neu. Und wenn sie dann trotzdem den Brei verderben: Umso besser. Zwischen jedem Bissen drei neue Wörter; oder vier.
Dies ist mein Revier. Ich geb es nicht her. Das ist meine Staude, meine Handvoll Erde. Darauf wächst ein Zittergras, ein zugezogenes Veilchen und ein Büschel kommunes Gras. Sorgsam in einen neuen Topf hineingetätschelt. Neue Erde angeklopft, angedockt.
Ich muss weiterlernen. Meine Augenlider liden schwer. Zehn Bissen Zopf geben ungefähr vierzig Wortschwellen. Dem hingegen habe ich nichts anzufügen.
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Wie sich ein Flugzeug in einen Walfisch verwandelte: Kolumne von Ruth Loosli / Illustration von Monique Stadler
Die Antonow 225 landete kürzlich in Zürich – Kloten, bekam eine deftige Fracht (170 Tonnen schwere Anlagen für ein Gaskraftwerk) in den Bauch und hob wieder ab, Richtung Bahrain.
Die Antonow 225 sei das derzeit grösste Flugzeug der Welt, heisst es und das war Anlass genug, mir das kurze Video anzugucken: Wie es Anlauf nahm, um seinen schweren Körper in die Luft zu verschieben, etwas, was wir uns täglich wundern, dass das möglich ist. In den Träumen, da gelingt es manchmal, wenn wir Glück haben.
Die Sehnsucht, fliegen zu können, beschäftigt die Menschheit schon lange und die Entwicklung der Fluguntersätze war eine Frage der Zeit, bis sie so ausgetüftelt daherkommen konnte wie heute.
Nun also ist da die Antonow 225, aber eigentlich sollte es Anton der Erste heissen, denn was sah ich auf dem Video? Anton verwandelte sich vor meinen Augen in einen Walfisch, der seine Flossen anhob, der tief Luft holte und mit einem mächtigen aber elegant langgezogenen Sprung den Boden verliess. Ja, da war deutlich eine Schnauze zu sehen und ich rief lauthals durch die Stube, durch die Videoaufnahme hindurch: Guten Flug, lieber Anton, gut hast du das gemacht, Anton! Und etwas leiser, nachdenklich vielleicht schon, schob ich nach: Hoffentlich genügt dir die Energie, die du zur Verfügung gestellt bekamst, hoffentlich verendest du nicht kläglich an deiner Last. 1700 Tonnen ist eine ganze Menge.
Und wenn du die kleine Schweiz wieder mal besuchst, Anton, sind wir vielleicht versunken im Ozean, der über seine Ränder schwappte und Europa mit grossen Wellen durchmass und dann, lieber Anton kannst du vorsichtig auf dem einen Bergspitz landen, der noch hervorlugt (nicht das Matterhorn, ich weiss grad nicht, welcher Berg der höchste ist, der sich noch just an der Schweizergrenze befindet) und du Anton, kannst dich jubelnd mit der Nase voran in die Fluten stürzen, derweil wir es frühzeitig aufgegeben hatten, auf eine Arche zu hoffen.
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