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Ruth von Seen
Ruth von Seen
FreeLesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
Meine Stadt
Winterthur
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Innerhalb und ausser Land: Kolumne von Ruth Loosli/ Illustration von Monique Stadler-Schaad
Stadtmenschen müssen ab und an aus der Stadt, das ist klar. Sie reisen per Flugzeug oder langsameren Fortbewegungsmitteln (die Kutsche, die Kutsche!) in eine andere Stadt oder ans Meer. Und vielleicht befindet sich beides am selben Ort. Stadtmenschen bevorzugen Landeshymnen, ehe sie in ein anderes Land fliegen. Sie lassen sich über ihre Stadt – in diesem Fall Winterthur – tragen und können kaum nachvollziehen, wer da unten so emsig kreucht und fleucht. Eben noch waren sie im selben grossen Haufen anzutreffen. Die Hymne ist ein Zusatzangebot der Fluglinie, man kann den Kopfhörer überziehen und die entsprechende Flagge wählen. Es gibt ja immer mehr Komponisten, die derartige Musik komponieren, nicht wahr. Ich höre gern Musik, fremde und vertraute, rassige und melancholische. Zugegeben, meist ist es eher die verträumte, die romantische Musik, derer ich bedarf, wenn ich abheben muss. Zugegeben, ich habe Flugangst, immer noch. Aber jedes Mal, also selten, etwas weniger. Stadtmenschen, die in unserer Stadt leben, sind in sage und schreibe zwölf Minuten am Flughafen Kloten. Ich habe gehört, das sei einer der am stärksten frequentierten. Also steige ich da auch mal aus. Mein Liebster ist allerdings dabei. Und am Handgelenk trage ich dunkelrote Steinchen, aufgefädelt Stück um Stück und leicht verknotet im Herzen. Das Herz ist eine Arche Noah; ich habe mich da hinein gerettet. Das Platzangebot ist beträchtlich. So, genug für heute. In Solothurn wurde gelesen, in England englisch gesprochen und in Winterthur werde wieder mal die Vielfalt geübt (Afropfingsten, zum Beispiel). Ebenfalls zu bedenken: Sparen ist des Öfteren unsinnig - sei aber diesmal unabwendbar. Ich frage mich, wer wem wo?
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- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
Lesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
- An diesem Ort kann ich mich am besten entspannen:
- Hof der Stadtbibliothek
- Meine Lieblingsbar:
- Fahrenheit
- Mein Lieblingsclub:
- Albani
- Da nehme ich noch einen Schlummi:
- Coalmine
- In einem Film über mein Leben, würde mich dieser Schauspieler verkörpern:
- Meryl Streeep
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UZFTruffledaveFarbtanz23sandritaRon_WinterthurAndrea_GumanuelafurrerMärliElena LaffranchialeksMagnatumPicoInit7
Innerhalb und ausser Land: Kolumne von Ruth Loosli/ Illustration von Monique Stadler-Schaad
Stadtmenschen müssen ab und an aus der Stadt, das ist klar. Sie reisen per Flugzeug oder langsameren Fortbewegungsmitteln (die Kutsche, die Kutsche!) in eine andere Stadt oder ans Meer. Und vielleicht befindet sich beides am selben Ort.
Stadtmenschen bevorzugen Landeshymnen, ehe sie in ein anderes Land fliegen. Sie lassen sich über ihre Stadt – in diesem Fall Winterthur – tragen und können kaum nachvollziehen, wer da unten so emsig kreucht und fleucht. Eben noch waren sie im selben grossen Haufen anzutreffen. Die Hymne ist ein Zusatzangebot der Fluglinie, man kann den Kopfhörer überziehen und die entsprechende Flagge wählen. Es gibt ja immer mehr Komponisten, die derartige Musik komponieren, nicht wahr. Ich höre gern Musik, fremde und vertraute, rassige und melancholische. Zugegeben, meist ist es eher die verträumte, die romantische Musik, derer ich bedarf, wenn ich abheben muss. Zugegeben, ich habe Flugangst, immer noch. Aber jedes Mal, also selten, etwas weniger.
Stadtmenschen, die in unserer Stadt leben, sind in sage und schreibe zwölf Minuten am Flughafen Kloten. Ich habe gehört, das sei einer der am stärksten frequentierten. Also steige ich da auch mal aus. Mein Liebster ist allerdings dabei. Und am Handgelenk trage ich dunkelrote Steinchen, aufgefädelt Stück um Stück und leicht verknotet im Herzen. Das Herz ist eine Arche Noah; ich habe mich da hinein gerettet. Das Platzangebot ist beträchtlich.
So, genug für heute. In Solothurn wurde gelesen, in England englisch gesprochen und in Winterthur werde wieder mal die Vielfalt geübt (Afropfingsten, zum Beispiel).
Ebenfalls zu bedenken: Sparen ist des Öfteren unsinnig - sei aber diesmal unabwendbar. Ich frage mich, wer wem wo?
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Von Stiefmüttern und Freundschaften: Kolumne von Ruth Loosli/ Illustration von Monique Stadler-Schaad
Eine Freundin hab ich, der kann ich alles erzählen. Das tut natürlich kein Mensch, wäre überaus langweilig, aber gut zu wissen, dass es möglich ist. Sie redigiert Texte, schreibt eigene, ist Studentin, berufstätig, damit sie Joghurt und Miete bezahlen kann und hat mir jüngst, doch nicht das erste Mal, aus der Patsche geholfen (darin sass ich wie ein kleiner Goof und weinte bitterlich). Sie reichte mir die Hand, ein Taschentuch und einige Sonnenworte. Nicht zu viele, damit ich keinen Sonnenbrand kriegte mit dem Pflotsch im Gesicht.
Soweit die Einleitung. Freundschaften sollten gehegt und gepflegt werden und sie sollten gegenseitig sein und auch gegenseitig gegossen. Ich überlegte mir, wie ich mich wieder einmal bedanken könnte und kam an einem Blumenladen vorbei (die bevorzugten Joghurtsorten kenne ich leider nicht, sonst hätte ich vielleicht welche gekauft). Ich stand draussen vor den akkurat hingestellten Töpfen, aus denen verschiedene Farben und Formen guckten. Stiefmütterchen haben manchmal dunkle Augen. Einige offen, viele noch geschlossen. Angeschrieben waren sie mit "Denkeli" – schon mal gehört? Ich nicht (bin ein hergezogener Fötzel, ich weiss). Also mich hat dieser Name sofort überzeugt und ich ging in das Geschäft mit dem einen Töpfchen in der Hand. Ob sie einen hübschen Übertopf hätten, war die zusätzliche Frage. Klar, das haben sie. Sie holten einen herbei, verpackten das ganze nett, sehr nett und ich zog mit Tasche und Denkeli von Dannen.
Weshalb dies von Bedeutung ist?
Weil ich heute eine Mail mit Dank erhalten habe. Sie habe den richtigen Platz noch nicht gefunden, sie werde mit dem Denkeli einfach rotieren.
Rotieren, das hat mir enorm gefallen. Mein Denken rotiert oft genug und ich fühle mich voll ernst genommen. Danke Freundin!
Post Scriptum: Monique macht mich darauf aufmerksam, dass die Verkäuferin vielleicht ein T verschluckt hat (wahrscheinlich war sie hungrig), weil das Denkeli laut google "Denketli" (oder pensée) heisse, was für den Text andererseits auch wieder nicht relevant sei.
Das wollten wir aber trotzdem noch gesagt haben!
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Pfingstrosen und Thronwechsel: Kolumne von Ruth Loosli
Es mag an der Pfingstrose liegen, die sich partout nicht öffnen will. Daran, dass ich für zwei offene und eine geschlossene Blüte 9.99 bezahlte und ich, würde ich etwas näher wohnen am elterlichen Garten, Pfingstrosen geschenkt bekäme.
Es mag an der Grauzone dieses Tages liegen. An dieser Reminiszenz, an der ich mir bisweilen die Zähne ausbeisse (und ja, mein Zahnarzt geht in Pension, ist das nicht schrecklich? Wer flickt nun meine Zähne?).
Es mag am Thronwechsel liegen in den Niederlanden. Willem küsst auf der Vorderseite unseres Abendblattes seine Mama freundschaftlich auf die Wange. Sie haben die selben Augenfalten entwickelt, scheint mir. Die Falten lachen, sie zwinkern der Zuschauerin verschwörerisch zu: Du darfst teilhaben an dieser Einvernehmlichkeit.
Es mag an der Bitterkeit des Kaffees liegen. Wie auch immer, heute ist nicht mein Tag. Bis der sich in den Abend hinein verabschiedet, mit schiefem, beinahe entschuldigendem Grinsen. Der Abend empfängt mich nüchtern, aber nicht unfreundlich und wird zunehmend gesellig. Monique schickt mir ihre Illustration zur Kolumne "Von Gartenmöbeln und Figuren" und freudig lade ich alles in den neuen Webcontent von Ron. Der ruckelt ein bisschen, na schön, sagt er und schaut kritisch. Gefällt dir der Gartenstuhl nicht, frage ich irritiert. Doch doch, sagt Ron, aber ich wollte gleich los, mit dem Besen an die Walpurgisnacht.
Aha, staune ich. Wir sehen uns in dem Fall wieder im Wonnemonat Mai. Und vergiss die Krawatte nicht, rufe ich ihm nach, aber das hat er glaub ich nicht mehr gehört.
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Von Gartenmöbeln und Figuren: Kolumne von Ruth Loosli/ Illustration von Monique Stadler-Schaad
Mit den Gartenmöbeln ist es wie mit der Mode: Wenn du einen Prospekt anschaust, gefällt dir die Figur der Kleidertragenden oder die Umgebung der Möbel. Meistens hast du beides nicht: Die richtige Figur und auch nicht das tolle Haus mit privatem Swimmingpool.
Meine Devise diesbezüglich ist nüchterner Art. Schau dir Heftli und Magazine an, aber zögere daraus zu folgern, dass das Kleid oder dieser Stuhl dein Leben verstrahlt. Im Gegenteil, du ärgerst dich höchstwahrscheinlich, dass du wieder so viel Geld ausgegeben hast für etwas, von dem du dich ganz einfach blenden liessest.
In der Marktgasse gibt es ein Geschäft, das zeigt dich im Spiegel in doppelter Breite als derjenige Zuhause. Naja, vielleicht sind es sogar mehrere Geschäfte. Die meidest du am Besten, auch wenn der Frühling der regnerischen Witterung zum Opfer fällt und die Kleider deshalb in einem Zwischensale an den Stangen hängen. Diesbezüglich gibt es einen Unterschied zu den Gartenmöbeln: Die fallen der Witterung zwar nicht weniger auf, sind aber preisresistent. Ich weiss auch nicht weshalb, offenbar werden dort die Kollektionen weniger oft gewechselt.
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Hat die Erde zwei Schwestern?: Kolumne von Ruth Loosli
Die Nasa hat im Sternbild Leier (!) zwei Planeten entdeckt, die ähnliche Bedingungen wie die Erde aufweisen könnten. Forscher vermuten auf 62e und 62f Wasser, was das Leben möglich macht. (Tagesanzeiger vom 20. April 2013)
Das Kepler- 62- System liegt 1200 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Die Erde: Juhui, ich habe zwei Schwestern bekommen!
Kepler: Nein, nein, du darfst dich nicht zu früh freuen.
Erde: Warum nicht, ich fühle mich zunehmend eingeengt.
Kepler: Eingeengt?
Erde: Ja, es gibt ein einziges Krabbelwesen, das mich umzubringen droht.
Kepler seufzt: Mensch, ich weiss.
Erde: Mensch? Mensch!
Kepler: Die Möglichkeit, dass du zwei Schwestern bekommst, ist leider gering und erst in unabsehbarer Zeit zu verifizieren, wenn überhaupt.
Erde grummelt, ohne dass Kepler es zu verstehen vermag: Wenn du wüsstest, welche Beziehungen ich unterhalte in all die versponnene Schwärze hinaus.
Kepler zieht sich in seine Studierstube zurück.
Winterthur, eine Stadt inmitten von Kleefeldern, schmunzelt. Ihr sind die Zweibeiner selten zuwider, solange sie sich um ein gegenseitiges Wohlergehen bemühen.
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Das nächste Sömmerchen kommt bestimmt: Kolumne von Ruth Loosli
Das Jubilieren fand nach zwei Tagen und 36 Stunden ein jähes Ende. Am Samstagmorgen lag schwerer Schnee über den nunmehr grünen Wiesen. Ich zog die Winterstiefel an, unter der Regenjacke eine Wolljacke, den Hut, packte den Schirm unter den Arm, zog rasch die Zeitung aus dem Briefkasten und stapfte los. Auf dem Stiefel bildete sich der Umriss der kleinen Schweiz, das sah ich beim Absitzen in der S26, die mich der Stadt zuführte. Ich hatte die Unterführung runter rennen müssen, denn der Zug war schon am Einfahren. Die zarten Blüten hatten mich gedauert, die von den schweren Schneebollen erdrückt wurden. An die Igel hatte ich gedacht, ob sie es nicht bereuten, aus dem Winterschlaf erwacht zu sein?
Dann machte mir ein Mensch einen Platz neben sich frei, indem er den Ärmel zurückzog, den er breitflächig, aber wohl zufällig neben sich liegen hatte. Auf meinem Schuh bildete sich der Kontinent Afrika, die Nässe dehnte sich aus, ich bereute, dass ich die Schuhe seit längerem nicht mehr imprägniert hatte.
Der junge Herr bezirzte eine junge Dame, die eher einsilbig antwortete, sich aber dennoch erlaubte, seinerseits Fragen zu stellen, was das Gegenüber begierig aufsog.
Es war acht Uhr sechzehn am Morgen, als wir im Bahnhof einfuhren und einmal mehr erstaunte mich, wie viele Menschen, aus welchen Gründen auch immer, unterwegs waren.
Ich streifte beim Hinausgehen mit meinem Ärmel einen frisch angebissenen Gipfel und murmelte ein Sorry, das aber bestimmt für niemanden hörbar war.
Eine Frau rief: Ich bin frei, endlich frei, beiseite, ich komme! Und alle starrten sie an, mehr oder weniger offen. Ich war erleichtert zu sehen, dass sie einen echten Gesprächspartner anpeilte, dem sie mit grossen Schritten zueilte. Mehr wollte ich nicht sehen. Ich stieg in die S12 und fand einen Platz. Das ist ja auch schon was.
Wann der nächste Sommer kommt, ist im Moment des Niederschreibens unklar, aber er wird kommen. Wie es dann den Blüten und Igeln gehen wird, wissen wir noch nicht. Dass meine Schuhe heute halten, kann ich guten Mutes annehmen. Aber das ist nicht für alle wesentlich.
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