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Ruth von Seen
Ruth von Seen
FreeLesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
Meine Stadt
Winterthur
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Kälte kriecht in die Knochen: 10 Franken für die Postbotin, 1x im Jahr
Die Postbotin in unserem Quartier heißt Kristina. Aufgewachsen ist sie in Brasilien und ich frage mich oft, wie sie diese Kälte hier aushält. Fast immer, wenn ich sie treffe, hat sie gute Laune, grüßt freundlich, fragt nach meinem Ergehen.Es ist alles okay - und bei Ihnen? lautet meine Rückfrage.Ja, ich bin zufrieden, sagt sie und drückt mir ein Bündel mit Zeitungen, Werbung und anderem Kleinkram (Rechnungen, zum Beispiel) in die Hand. Heute hatte ich sie abgepasst, um ihr eine Note in die Hand zu drücken und eine Tafel Schokolade mit meinem Dank dazu.Sie nimmt alles erfreut zur Kenntnis.Dabei ist der Dank wirklich auf meiner Seite. Klar, es ist ihr Job, uns die Post zu bringen, aber es ist kein Zuckerschlecken, vermute ich.Dasselbe gibt für die Zeitungsverträger. Der Landbote kommt immer am Mittwoch gratis in den Milchkasten und eine andere grosse Tageszeitung 2x wöchentlich. Da scheint es mir nur normal, dass ich auch diesen Menschen, die sich in den dunklen Morgenstunden zu den Briefkästen vortasten, etwas in den Milchkasten lege. Einen Dank in Form eines verzuckerten Kalorienzustupfs und einem „Batzen“, wie man so schön sagt.Nachahmen erlaubt, wenn nicht gar erwünscht. Jeder Dank ist willkommen und versüßt das Leben und sei es auch nur ein gutes Wort, mündlich oder auch schriftlich in Form einer kleinen Karte. – Ist das der Satz einer Moraltante, frage ich mich. Ach was, egal, wir brauchen ein bisschen gegenseitige Unterstützung und Aufmunterung in diesen Trampelzeiten.
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- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
Lesen und Schreiben sind meine Leidenschaft. Mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt flanieren - und Schattenspiele beobachten.
- Der schönste Ort in der Stadt:
- Stadtbibliothek
- An diesem Ort kann ich mich am besten entspannen:
- Hof der Stadtbibliothek
- Meine Lieblingsbar:
- Fahrenheit
- Mein Lieblingsclub:
- Albani
- Da nehme ich noch einen Schlummi:
- Coalmine
- In einem Film über mein Leben, würde mich dieser Schauspieler verkörpern:
- Meryl Streeep
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UZFTruffledaveFarbtanz23sandritaRon_WinterthurAndrea_GumanuelafurrerMärliElena LaffranchialeksMagnatumPicoInit7
Kälte kriecht in die Knochen: 10 Franken für die Postbotin, 1x im Jahr
Die Postbotin in unserem Quartier heißt Kristina. Aufgewachsen ist sie in Brasilien und ich frage mich oft, wie sie diese Kälte hier aushält. Fast immer, wenn ich sie treffe, hat sie gute Laune, grüßt freundlich, fragt nach meinem Ergehen.
Es ist alles okay - und bei Ihnen? lautet meine Rückfrage.
Ja, ich bin zufrieden, sagt sie und drückt mir ein Bündel mit Zeitungen, Werbung und anderem Kleinkram (Rechnungen, zum Beispiel) in die Hand. Heute hatte ich sie abgepasst, um ihr eine Note in die Hand zu drücken und eine Tafel Schokolade mit meinem Dank dazu.
Sie nimmt alles erfreut zur Kenntnis.
Dabei ist der Dank wirklich auf meiner Seite. Klar, es ist ihr Job, uns die Post zu bringen, aber es ist kein Zuckerschlecken, vermute ich.
Dasselbe gibt für die Zeitungsverträger. Der Landbote kommt immer am Mittwoch gratis in den Milchkasten und eine andere grosse Tageszeitung 2x wöchentlich. Da scheint es mir nur normal, dass ich auch diesen Menschen, die sich in den dunklen Morgenstunden zu den Briefkästen vortasten, etwas in den Milchkasten lege. Einen Dank in Form eines verzuckerten Kalorienzustupfs und einem „Batzen“, wie man so schön sagt.
Nachahmen erlaubt, wenn nicht gar erwünscht. Jeder Dank ist willkommen und versüßt das Leben und sei es auch nur ein gutes Wort, mündlich oder auch schriftlich in Form einer kleinen Karte. – Ist das der Satz einer Moraltante, frage ich mich. Ach was, egal, wir brauchen ein bisschen gegenseitige Unterstützung und Aufmunterung in diesen Trampelzeiten.
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Der Schneehändler
Draußen sehe ich einen Schneehändler. Ich versuche, mit ihm in ein Gespräch zu kommen. Doch er ist sehr beschäftigt. Mit einer großen Schaufel versucht er einen Kübel nach dem anderen zu füllen. Ich schaue ihm zu. Er macht einen zufriedenen, jedoch etwas gehetzten Eindruck. Seine Mütze hat er tief in die Stirn gezogen. Darf ich Sie etwas fragen, wage ich mich vor.
Erstaunt sieht er mich an, er scheint mich erst jetzt wahrzunehmen.
Klar, sagt er, nur zu und ich frage: Wie lebt es sich als Schneehändler? Verdienen Sie viel Geld?
Er sagt: Ja, das ist weißes Gold! Es muss nur in den unterirdischen Räumen versorgt werden und nach dem Regen nehmen wir es wieder hervor.
Die Stadt bezahlt gut, fügt er noch an und seine Augen gucken listig.
Die Stadt bezahlt gut? frage ich nach. Und der Schneehändler nickt nochmals entschieden, ehe er sich wieder um seine Schaufel kümmert und die Kübel und das weiße Gold.
Der Segen ist nicht überall gleichermaßen beliebt, sinniere ich. In anderen Ländern gibt es Häuser, deren Dächer einbrechen unter dem Gewicht. Aber wie immer gilt: Es kommt darauf an, wie gut sich Menschen organisieren und ob alle ihre Bäuche mit Wärme füllen können, erst ab Erfüllung der existentiellen Bedürfnisse beginnt Freude und Vergnügen.
Den Schneehändler habe ich ob meinem Nachdenken beinahe vergessen.
Es beginnt bald zu regnen, er muss sich beeilen, Kaffee und Kuchen gibt es später.
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Rutschen!
Das alte Jahr rutschte ins Neue und das Neue nahm den Schubs auf, als hätte es darauf gewartet.
Nun erreicht es in einigen Stunden die Könige, geniesst die Düfte von allerlei orientalischen Gewürzen und zieht dann weiter. Jeder Tag ist eine neue Farbkombination auf der Leinwand von 2017 und wir sind Teil des Pinsels und der Farbtöpfe zugleich und auf eine Weise auch der Hand, die den Pinsel führt. Eine Philosophie, die mich, die Schreibende, zum Lachen bringt. Eine komplexe Angelegenheit, das Leben!
Dabei drehte ich nur eine Runde im frischgefallenen Weiss und beobachtete die farbigen Schlitten, die den Hang hinunter gefahren kamen. Ab und zu hörte ich einen Jauchzer von Kindern und Erwachsenen. Die Abendsonne verteilte letzte Rottöne über den Horizont.
Das Vergnügen, den Hang hinunterzurutschen bedingt (da wir hier keinen Skilift haben), dass wir aus eigener Kraft hinauflaufen und so scheint es mir auch mit dem Jahr: Es wird uns manches abverlangen und ebenso oft einen Übermut bescheren.
Der Hund, der im Schneefeld geduldig auf sein Rudel wartete, kam neugierig auf mich zu. Einen Moment erschrak ich, denn er war plötzlich viel grösser, als ich angenommen hatte. Als er an mir geschnuppert hatte, zottelte er wieder ab.
Auf jeden Fall wünsche ich uns Stadtkindern allen genügend Puste, um all die Hügel zu erklimmen, die wir uns vorgenommen haben.
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Eine weisse Rose: oder der Stoff, aus dem die Träume sind
Kürzlich stand ich bei den Schnittblumen und überlegte mir, ob ich meinem Liebsten nicht wieder einmal eine Rose schenken könnte – Freude für ihn und Freude für mich, so war meine Idee.
Und da standen kleine Töpfe, hübsch in Reih und Glied, einer anmutiger als der andere. Die weisse Rose hatte es mir sofort besonders angetan und kurz entschlossen hatte ich das Gefäss gepackt und zum Verkaufstisch gebracht. Ein Gesteck, das ein paar Tage halten sollte; eine Feder aus einem leichten Metall und Fäden, die die Rose zart umrankten: entzückend sah das Ganze aus.
Zuhause wurde sie vom kritischen Auge meines Gefährten zuerst verdankt und dann sofort gegossen. Die hat trocken , war sein Kommentar. Gut, ich hatte es nicht gemerkt, goss aber in den folgenden Tagen eifrig neben das weisse Köpfchen, damit es ja recht lange blühen möge. Es blühte und blühte und blüht heute noch, da es gegen Weihnachten geht, es war fast schon ein Wunder.
Doch das Rätsel hatte sich in einen profanen Irrtum aufgelöst: Die weisse Rose ist aus Kunststoff, einem leichten Stoff, der mit der echten Rose eine verblüffende Ähnlichkeit aufweist.
Hier nun mein Fazit, liebe Stadtkinder:
Lasst euch nicht verdriessen, wenn sich Wunder als Fälschung erweisen, es kommt auf den guten Willen an und auf den Stoff, aus dem die Träume sind ... egal, ob aus Samt oder aus Seide gewoben. Mit Zimt oder Puderzucker bestäubt. (Zugegeben, beim Verdacht auf Gift wäre ich vorsichtig – manchmal ist das Überprüfen der Stoffe angesagt).
In diesem Sinn wünsche ich von Herzen friedliche Festtage und einen ehrenhaften Rutsch ins neue Jahr.
Eure Stadtschreiberin
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Colora! Farben! Neu eröffnet!: Tupfen und Rosen u.v.m.
Wenn der Nebel in den Gassen liegt und du über den Kirchplatz schlenderst und das Grau dir die Augen trübt: Lauf einfach Richtung Unterer Graben. Das Gewerbemuseum lässt du für einmal links liegen und gehst zwischen den Häusern durch, links siehst du den Fust, dann weiter Richtung Kino Loge. Doch ehe du zum neuen Holzkunstgestell kommst, blicke nach rechts. Dort im Schaufenster lockt dich eine ganze Palette von Farben und bittet dich einzutreten ins Land der kostbaren Umhüllungen. Sei es ein Schal, eine Jacke aus feinstem Mohair oder betupfte Stulpen – („Ich bin heute sehr betupft! In Grün!“ trällert meine Dichterkollegin) – du findest hier einiges, was dein Herz höher schlagen lässt.
Die freundlichen Menschen dort erklären dir gern, dass:
„Die hauseigene Färberei in Huttwil ist eine der noch wenigen Stückfärbereien in der Schweiz. Mit Fachwissen und viel Erfahrung entwickeln unsere Textiltechnologen in aufwendiger Laborarbeit Saison für Saison eine Vielzahl von Farbrezepturen. Hohe Temperaturen bei den verschiedenen Färbverfahren geben den gefärbten Teilen ihre endgültige Grösse, den ganz eigenen Charakter und eine hohe Formstabilität. Wir bilden junge Menschen zu Textiltechnologen mit Fachrichtung Veredlung aus.“
Geldbeutel leer?
Lass dir vom Götti, falls du einen solchen hast, einen Gutschein zu Weihnachten schenken!
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Noch einmal Film ab!: rulo
Gestern war ich in der Villa Sträuli, als Nachspann der Kurzfilmtage sozusagen. „New eyes“ heisst der Kurzfilm der Künstlerin Hiwot Admasu aus Äthiopien und er zeigt das Erwachen der Sexualität eines Mädchens in einem Dorf auf dem Land; bilderbuchmässig für unsere Augen, wie wir uns das so vorstellen: gackernde Hühner und Frauen, die das Wasser in einen Krug schöpfen. Das Mädchen, Hauptfigur, mag etwa 12 Jahre alt sein und es beobachtet ein junges Paar beim Sex (vielleicht ist es ihre ältere Schwester). Der Film dauert gefühlte 17’ und erzählt eine Geschichte, wie sie bestenfalls auch bei uns irgendwo in einem Bergdorf geschehen kann. Wo die Medien noch nicht allgegenwärtig sind und das Entdecken des eigenen Körpers eine geheimnisvolle Sache.
Die Farbe rot läuft mit dem Betrachter durch den Film: das orange Kleid, das gewaschen wird und durch Unachtsamkeit weggetrieben wird, hat mir besonders gut gefallen. Es ist eine sorgfältige Kameraführung, eine eher langsame, assoziative Bildfolge, einprägsam und liebevoll gestaltet.
Das Gespräch danach führte der director der KFT himself, John Canciani, und das Publikum kam zahlreich. Von dieser zierlichen Filmemacherin möchte man noch viel zu sehen bekommen, doch einfach sei es nicht, als afrikanische Frau an die Festivals eingeladen zu werden. Denn auch hier gehe es, wie bei so manchem, nicht nur um Kunst, sondern auch um money.
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