Mörder-Beck

Die Morgendämmerung breitet sich langsam über Zürich aus. Die ersten Vögel kündigen den Tagesanbruch an. Nahe der Langstrasse spült es ein paar letzte abgekämpfte Gestalten aus der „Zukunft“. Getrieben von akutem Salzmangel, steuern die  Auswürfe der Nacht unsicheren Schrittes auf das hellen Schein eines nahe gelegenen Schaufensters zu. Unsicher treten sie durch die Tür in das gleissende Licht und befinden sich plötzlich von weissen Sahnhäubchen und kunstvollen Schokoträumen umringt. Gerade aus den dunklen Gefilden ausgespuckt, befinden sie sich nun umgeben von perfekten pastellfarbenen Confiserie-Gebilden. Saubere Spitzendekorationen und edle Tortenverzierungen versetzen die ausgemergelten Geschöpfe in eine zuckersüsse, lähmende Lethargie. Der sinnliche Duft frischer Backwaren ist so betörend, dass er sogar die Düfte der rauchgeschwängerten Kleidung der müden Gruppe zu überdecken vermag. Unsicher in einer Ecke lümmelnd, lassen sie sich von der berauschenden Stimmung überwältigen. Eingelullt von soviel Harmonie, taumelt der Erste der Gruppe langsam zur Theke und setzt zur Bestellung an, als er jäh aus seinem gepuderten Traum gerissen wird. Den Blick unsicher in die rotgeäderten Äuglein seines Gegenübers gerichtet, flüstert er atemberaubt seine Bestellung in Richtung Alfredo Lardelli. Dem Erotikunternehmer, Milieukenner und vor allem: dem dreifachen Mörder, welcher 1999 vorzeitig wegen guter Führung auf freien Fuss gesetzt wurde. Schick sieht er aus, in seiner strahlend weissen Uniform und lächelt die Gäste mit seinem Permanentlächeln überfreundlich an. Der leichte Tic im Gesicht lässt sein Auftreten noch etwas surrealer erscheinen, das Groteske an der Situation lässt sich aber nur selber vor Ort nach einer durchzechten Nacht erfahren.

Heuldoch, Kolumnistin bei Ron Orps Mail
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