Büro Luz
Büro Luz
FreeKleine Kommunikationsagentur mit grossen Herzen für Storytelling, Enkeltauglichkeit und Reisen. Seit 2016 im VW-Bus unterwegs!
Ort
Zürich
Gegründet
2018
Follower
23
Buenos Aires, Lockdown, Tag 66: Eingesperrt & ein wenig neidisch
Oder: Hola aus dem Land der offiziell längsten Ausgangssperre der Welt.Es wirkt wie ein schlechter Witz. Ursprünglich hätten wir März, April, Mai, Juni, Juli und August in Brasilien und den USA verbracht. Das sind heute zwei der Länder mit den meisten positiv getesteten Personen. Stattdessen aber befinden wir uns in jenem Land, das die längste Ausgangssperre der Welt verhängt. Wir werden hier in Argentinien länger eingesperrt sein als die lieben Mitmenschen in, es ist kaum zu glauben: Wuhan. Wuhan!Die Erkenntnis traf uns heute wie ein Schneeball am Kopf und wir konnten gar nicht anders, als uns hemmungslos selbst auszulachen. Alberto hat die cuarentena verlängert und wir alle werden noch bis mindestens 6. Juni bloss zum Einkaufen auf die Strasse dürfen. Keine Spaziergänge, nada.Während daheim irgendwelche Leute gegen Einschränkungen protestieren, die im Vergleich gar nie wirklich existierten. Und irgendetwas von wegen Wirtschaft faseln, während hier die allermeisten Leute seit über zwei Monaten nicht arbeiten gehen dürfen, keinen Peso verdienen und noch nie das Wort Erwerbsersatz gehört haben.Jetzt ist passiert, was uns alle lange Zeit sorgte: Das Virus ist in den sogenannten villas angekommen, das sind die ärmsten und am dichtesten bevölkerten Teile der Stadt. Abstand halten: unmöglich. Eine davon, die villa 31, Mitten im Zentrum, nicht weit von hier, war gerade zwölf Tage ohne Wasser. Hat jemand Händewaschen gesagt?Adios, amigos!Vor ein paar Tagen haben wir eine Mail von der Schweizer Botschaft erhalten: Anfang Juni soll der dritte Repatriierungsflug nach Zürich durchgeführt werden. Wir entscheiden uns innert weniger Minuten dagegen und sind uns dieses Privilegs bitterlich bewusst. Wenn wir wollten, könnten wir die Situation hier einfach verlassen. Adios amigos, wir sehen uns, wenn ihr wieder auf die Strasse dürft!Eskapismus betreiben zwei Gruppen von Menschen: Die Reichen und Privilegierten der Welt (diese Recherche der New York Times zeigt, dass die finanzstarke Viertel Manhattans momentan bis zu 40 Prozent weniger Einwohnerinnen aufweisen), weil sie es können. Und die Ärmsten und Machtlosesten, weil sie es müssen (im Fall von Corona trifft das nur bedingt zu).Drei Wahrheiten aus meinem momentanen Leben:1. Es wäre gelogen, wenn wir, Sandro und ich, sagten, dass wir nicht neidisch auf die Instagram-Fotos unserer Freundinnen in Zürich schielen: wandern in den Bergen, der See, die Lieblingskafis wieder offen. Es sieht so schön aus und es schmerzt ein wenig.2. Eine Stadt ist kaum begehrenswert, wenn alles, was sie ausmacht, verboten ist: Menschen, Bars, Museen, Spaziergänge, Angebote aller Art. Auf dem Land bleibt dir wenigstens die Natur. Aber das ist wahrscheinlich auch nur eine Romantisierung. Ich schätze es selbstverständlich sehr, hier Zugang zu veganen alfajores zu haben und zu den abgefüllten Drinks meiner Lieblingsbar (sie heisst: la Favorita. Dort werde ich mich als erstes betrinken, wenn wir hier auch wieder an einem gastronomisch betriebenen Tisch sitzen dürfen, so in zwei Monaten hoffentlich spätestens). Trotzdem. Was ich, unerwarteterweise, so sehr vermisse, dass sich Tränen aus meinen Augen schleichen wollen, ist: Gras unter meinen nackten Fusssohlen. Das wäre auf dem Land mit Sicherheit möglich. (Deshalb werde ich, sobald obig prophezeiter Kater auskuriert ist, in den Van hüpfen, in die Pampa fahren, und mich tagelang in und auf Mutter Natur wälzen.)3. Ich frage mich, für wen die Ausgangssperre schwerer zu ertragen ist, wenn beide gesund gestartet sind: Körper oder Geist. Ich dachte lange, es müsse der Geist sein. Und in den ersten Wochen war das bestimmt der Fall. Langsam wendet sich das Blatt. Mittlerweile merke ich: Mein Körper hält den Mangel an Bewegung mit jedem Tag weniger aus. Knie schmerzen. Wirbel blockieren. Aufrecht Gehen wird zum Test in Sachen Durchhaltewillen.Liebe ist stärker als FOMOManchmal spüre ich, dass Freund*innen mir gar nicht recht erzählen wollen, wie schön sie es gerade haben bei diesem wundervollen Wetter in den Bergen oder beim Apéro. Ihnen und euch allen möchte ich sagen: Ihr müsst kein schlechtes Gewissen unseretwegen haben. Geniesst es! Denn ich freue mich für euch. Neid und Mitfreude schliessen einander nicht aus.Und ausserdem: Es geht uns gut. Ehrlich. Sandro und ich schauen gut zueinander und sind noch immer überzeugt: Lieber Ausgangssperre miteinander als keine Ausgangssperre ohne einander. Auch das ist ein Privileg. Auszug aus der Sammlung: Lockdown-Selfies.Me Time 2020Weisst du, was auch wie ein schlechter Witz ist? Als wir am 30. Dezember 2019 nach einem recht ereignisreichen und für mich energieraubenden Jahr in Buenos Aires landeten, habe ich mich mit mir selbst hingesetzt und mich gefragt, was ich von diesem 2020 erwarte. Mein Motto für 2019 war Quality Time gewesen. Für 2020 entschied ich mich für: Me Time.Ich kann mich also kaum beklagen. So viel Me Time wie im 2020 genoss ich Schätzungen zufolge zuletzt 1989/1990— im Bauch meiner Mama.PS: Beim Durchlesen merke ich, dass die Frage aufkommen könnte: Ja, aber, warum geht ihr denn nicht einfach zurück in die Schweiz Anfang Juni? Drei Gründe: 1. Steht unsere Wohnung hier quasi im Rohbau, eingefroren in der Zeit, weil Ausgangssperre. Bevor wir irgendwohin gehen, wollen wir sie fertigstellen und damit auch den Arbeitern die versprochene Arbeit geben. 2. Auftragstechnisch hat es auch uns recht schwer getroffen, und weil wir unser Büro Luz erst Ende 2019 in der Schweiz angemeldet haben, haben wir keinen Anspruch auf Erwerbsersatz. Hier ist es günstiger und wir können uns länger halten mit unseren Ersparnissen. Daheim müssten wir einen Kredit aufnehmen, was wir gerne vermeiden wollen. 3. Wir sind gerne hier und fühlen uns ein Stück weit auch daheim in diesem Land des Weins und des Wahnsinns und der Liebe.
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Im VW-Bus, 8004 Zürich,
Im VW-Bus, 8004 Zürich,
Kleine Kommunikationsagentur mit grossen Herzen für Storytelling, Enkeltauglichkeit und Reisen. Seit 2016 im VW-Bus unterwegs!
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Das ist das Büro Luz: Gabriella Hummel und Sandro Alvarez. Nicht abgebildet ist das Büro selbst, unser VW-Bus, in dem wir seit Juli 2016 von Nord- nach Südamerika fahren.
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Susanne UnseldmilzshejanachristophersenguptaEZStrassenmannpascaledickerhoffalksindialeelaRichard Schlesingermartinrohner
Buenos Aires, Lockdown, Tag 66: Eingesperrt & ein wenig neidisch
Oder: Hola aus dem Land der offiziell längsten Ausgangssperre der Welt.
Es wirkt wie ein schlechter Witz. Ursprünglich hätten wir März, April, Mai, Juni, Juli und August in Brasilien und den USA verbracht. Das sind heute zwei der Länder mit den meisten positiv getesteten Personen. Stattdessen aber befinden wir uns in jenem Land, das die längste Ausgangssperre der Welt verhängt. Wir werden hier in Argentinien länger eingesperrt sein als die lieben Mitmenschen in, es ist kaum zu glauben: Wuhan. Wuhan!
Die Erkenntnis traf uns heute wie ein Schneeball am Kopf und wir konnten gar nicht anders, als uns hemmungslos selbst auszulachen. Alberto hat die cuarentena verlängert und wir alle werden noch bis mindestens 6. Juni bloss zum Einkaufen auf die Strasse dürfen. Keine Spaziergänge, nada.
Während daheim irgendwelche Leute gegen Einschränkungen protestieren, die im Vergleich gar nie wirklich existierten. Und irgendetwas von wegen Wirtschaft faseln, während hier die allermeisten Leute seit über zwei Monaten nicht arbeiten gehen dürfen, keinen Peso verdienen und noch nie das Wort Erwerbsersatz gehört haben.
Jetzt ist passiert, was uns alle lange Zeit sorgte: Das Virus ist in den sogenannten villas angekommen, das sind die ärmsten und am dichtesten bevölkerten Teile der Stadt. Abstand halten: unmöglich. Eine davon, die villa 31 , Mitten im Zentrum, nicht weit von hier, war gerade zwölf Tage ohne Wasser. Hat jemand Händewaschen gesagt?
Adios, amigos!
Vor ein paar Tagen haben wir eine Mail von der Schweizer Botschaft erhalten: Anfang Juni soll der dritte Repatriierungsflug nach Zürich durchgeführt werden. Wir entscheiden uns innert weniger Minuten dagegen und sind uns dieses Privilegs bitterlich bewusst. Wenn wir wollten, könnten wir die Situation hier einfach verlassen. Adios amigos, wir sehen uns, wenn ihr wieder auf die Strasse dürft!
Eskapismus betreiben zwei Gruppen von Menschen: Die Reichen und Privilegierten der Welt ( diese Recherche der New York Times zeigt, dass die finanzstarke Viertel Manhattans momentan bis zu 40 Prozent weniger Einwohnerinnen aufweisen), weil sie es können. Und die Ärmsten und Machtlosesten, weil sie es müssen (im Fall von Corona trifft das nur bedingt zu).
Drei Wahrheiten aus meinem momentanen Leben:
1. Es wäre gelogen , wenn wir, Sandro und ich, sagten, dass wir nicht neidisch auf die Instagram-Fotos unserer Freundinnen in Zürich schielen: wandern in den Bergen, der See, die Lieblingskafis wieder offen. Es sieht so schön aus und es schmerzt ein wenig.
2. Eine Stadt ist kaum begehrenswert, wenn alles, was sie ausmacht, verboten ist : Menschen, Bars, Museen, Spaziergänge, Angebote aller Art. Auf dem Land bleibt dir wenigstens die Natur. Aber das ist wahrscheinlich auch nur eine Romantisierung. Ich schätze es selbstverständlich sehr, hier Zugang zu veganen alfajores zu haben und zu den abgefüllten Drinks meiner Lieblingsbar (sie heisst: la Favorita . Dort werde ich mich als erstes betrinken, wenn wir hier auch wieder an einem gastronomisch betriebenen Tisch sitzen dürfen, so in zwei Monaten hoffentlich spätestens). Trotzdem. Was ich, unerwarteterweise, so sehr vermisse, dass sich Tränen aus meinen Augen schleichen wollen, ist: Gras unter meinen nackten Fusssohlen. Das wäre auf dem Land mit Sicherheit möglich. (Deshalb werde ich, sobald obig prophezeiter Kater auskuriert ist, in den Van hüpfen, in die Pampa fahren, und mich tagelang in und auf Mutter Natur wälzen.)
3. Ich frage mich, für wen die Ausgangssperre schwerer zu ertragen ist, wenn beide gesund gestartet sind: Körper oder Geist. Ich dachte lange, es müsse der Geist sein. Und in den ersten Wochen war das bestimmt der Fall. Langsam wendet sich das Blatt. Mittlerweile merke ich: Mein Körper hält den Mangel an Bewegung mit jedem Tag weniger aus. Knie schmerzen. Wirbel blockieren. Aufrecht Gehen wird zum Test in Sachen Durchhaltewillen.
Liebe ist stärker als FOMO
Manchmal spüre ich, dass Freund*innen mir gar nicht recht erzählen wollen, wie schön sie es gerade haben bei diesem wundervollen Wetter in den Bergen oder beim Apéro. Ihnen und euch allen möchte ich sagen: Ihr müsst kein schlechtes Gewissen unseretwegen haben. Geniesst es! Denn ich freue mich für euch. Neid und Mitfreude schliessen einander nicht aus.
Und ausserdem: Es geht uns gut. Ehrlich. Sandro und ich schauen gut zueinander und sind noch immer überzeugt: Lieber Ausgangssperre miteinander als keine Ausgangssperre ohne einander. Auch das ist ein Privileg.
Auszug aus der Sammlung: Lockdown-Selfies.
Me Time 2020
Weisst du, was auch wie ein schlechter Witz ist? Als wir am 30. Dezember 2019 nach einem recht ereignisreichen und für mich energieraubenden Jahr in Buenos Aires landeten, habe ich mich mit mir selbst hingesetzt und mich gefragt, was ich von diesem 2020 erwarte. Mein Motto für 2019 war Quality Time gewesen. Für 2020 entschied ich mich für: Me Time.
Ich kann mich also kaum beklagen. So viel Me Time wie im 2020 genoss ich Schätzungen zufolge zuletzt 1989/1990
— im Bauch meiner Mama.
PS: Beim Durchlesen merke ich, dass die Frage aufkommen könnte: Ja, aber, warum geht ihr denn nicht einfach zurück in die Schweiz Anfang Juni?
Drei Gründe:
1. Steht unsere Wohnung hier quasi im Rohbau, eingefroren in der Zeit, weil Ausgangssperre. Bevor wir irgendwohin gehen, wollen wir sie fertigstellen und damit auch den Arbeitern die versprochene Arbeit geben.
2. Auftragstechnisch hat es auch uns recht schwer getroffen, und weil wir unser Büro Luz erst Ende 2019 in der Schweiz angemeldet haben, haben wir keinen Anspruch auf Erwerbsersatz. Hier ist es günstiger und wir können uns länger halten mit unseren Ersparnissen. Daheim müssten wir einen Kredit aufnehmen, was wir gerne vermeiden wollen.
3. Wir sind gerne hier und fühlen uns ein Stück weit auch daheim in diesem Land des Weins und des Wahnsinns und der Liebe.
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Zu meinem 30. Geburtstag
Seit Tagen zerbreche ich mir den Kopf über diesen Text, den ich schreiben möchte zu meinem 30. Geburtstag: 30 Dinge, die ich gelernt habe . Oder: Das Beste, das mir in 30 Jahren Leben passiert ist . Oder: 30-mal Danke sagen . Es sieht aus, als würde es eine Mischung aus alledem werden.
In der ersten Liste kann ich eines schon einmal nicht von mir behaupten: Ich habe nicht gelernt, mir keinen Druck zu machen. Ich bin zwar schon so weit, dass ich erkenne, wann ich mich unter Druck setze, dann tschutte ich mir selbst gedanklich ans Schienbein, Obacht, nein, halt, stop jetzt! , aber so richtig nützen tut das nicht immer. Jetzt sitze ich also da, gebe dem Druck nach und schreibe irgendwas, denn ich kenne mich auch gut genug zum Glück, und weiss, dass wenn ein Text in der Warteschlange steht, er auch raus muss und ich sonst nie wieder in Ruhe gelassen werde und ich möchte wirklich gerne Ruhe haben, wenn ich dann am Freitag wirklich Geburtstag habe.
Einiges habe ich zum Glück trotzdem gelernt in der Zwischenzeit seit meiner Geburt am 1. Mai 1990 und dem 1. Mai 2020. Hier eine unvollständige Liste:
Jeder Mensch muss den eigenen Weg gehen. Neidisch zu anderen rübergucken oder lästern bringt einen nicht weiter. Im Gegenteil, es lenkt vom eigenen Weg ab, der einzigartig ist und darum nicht verglichen werden sollte.
Zuhause ist, in erster Linie: wo ich bin. In zweiter Linie: wo meine Liebsten sind. In dritter Linie: wo es schön und hoffentlich warm ist.
Spare nie bei: Lebensmitteln und Büchern.
Langeweile existiert nicht. Jeder Moment des Nichtstuns ist ein einladender Raum für Ideen, Erkenntnisse, Dummheiten, nächste Schritte, Einfälle, nichtgelebte Emotionen, Massnahmen und Erinnerungen jeglicher Couleur.
Um Narzissten zu erkennen, muss man einmal von einem verletzt worden sein. Begegne ich heute einem, sind meine Alarmglocken nicht zu überhören.
Weniger ist mehr. Und es ist völlig in Ordnung, schöne Dinge zu besitzen. Das eine schliess das andere nicht aus. Minimalismus ist, wenn man nur Dinge besitzt, die nützlich sind oder einen glücklich machen, auch wenn sie nutzlos sind.
Grosszügigkeit kommt mindestens doppelt zurück. Wenn man selbst gerade nicht viel hat und trotzdem grosszügig ist: mindestens zehnfach.
Im Nachhinein ergibt vieles Sinn, aber im Moment danach zu suchen, ist nicht empfehlenswert. Lieber sich dem Leben hingeben und das Puzzle später zusammensetzen.
Die Puzzles, die man im Nachhinein zusammensetzt, ergeben zusammen das, was man Vertrauen ins Leben nennt.
Alles, was ich heute glaube zu wissen oder zu verstehen (so auch dieser gesamte Text), kann morgen bereits ganz anders sein. Man darf, man soll, seine Meinung, seine Sichtweisen, ändern oder erweitern oder vertiefen.
Was ich noch lerne:
Wie gesagt: Mir selbst keinen Druck machen. Oder mir einzubilden, dass sonstwer Druck auf mich ausübt. It’s all in my head.
Nach Hilfe zu fragen.
Hilfe anzunehmen, wenn sie angeboten wird.
Nein zu sagen.
Alles über Wale.
Die wichtigste Erkenntnis, die ich über mich selbst in den letzten Jahren errang, ist die Tatsache, dass ich ein sogenannter Scanner bin. Das sind Leute, die 1000 Interessen haben, so ziemlich alles spannend finden, und genauso schnell das Interesse wieder verlieren. Ich dachte lange, dass gerade Letzteres von meiner Faulheit oder irgendeiner Art von Unfähigkeit zeugt. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass ich so funktioniere und sehe es als etwas Positives an. Ich habe das Glück, einen Beruf gewählt zu haben, der mir nie verleiden wird, weil ich mich dank ihm ständig mit neuen Themen, neuen Menschen, neuen Formaten auseinandersetzen kann.
Tatsache ist, ich werde nie nur etwas machen oder mich auf einen Weg konzentrieren. Alleine der Gedanke daran langweilt mich. Was nicht heisst, dass ich ständig Action und Neues brauche. Eher dass ich ein Leben leben will und muss, in dem ich die Freiheit habe, so viele Richtungswechsel einzuschlagen wie ich möchte. Ich habe das Glück, dass ich mir dieses Leben aus Versehen (wie gesagt, im Nachhinein sieht alles aus wie extra so hingebogen, aber ich versichere: es war mehr Glück als Verstand dabei und auch ziemlich viel Vertrauen in was auch immer) geschaffen habe. Ich lebe vom Denken und Schreiben, darf über und von vielen verschiedenen Dingen schreiben, mich einfühlen in andere Leben, pausieren wenn nötig, durcharbeiten beim Knutschen mit der Muse, mir Orte dieser Welt zu eigen machen, in dem ich eine Weile dort lebe, muss keinen Ferien entgegenfiebern, und wenn ich mir einmal monatlich meine Wünsche aufschreibe, beginne ich immer mit dem Satz: Ich liebe mein Leben und ich wünsche mir, dass es genau so weitergeht. Und ich ende mit: Danke. Danke. Danke.
Dinge, Leute und Momente, für die ich dankbar bin nach 30 Erdenjahren und für die ich nichts kann:
Dass ich in einem der reichsten Länder der Welt geboren wurde. Den Vorsprung, den ich allein durch diesen Zufall (es war nicht 100 Prozent zufällig, meine Eltern sind nach Liechtenstein gezogen und wegen uns Kids dort geblieben, also danke Mami und Papi) habe, holen viele Menschen dieser Erde ihr Leben lang nicht auf.
In einer Familie gelandet und Weggefährtinnen begegnet zu sein, die mich lieben, wie ich bin.
Für diese sagenhafte und immer wieder überwältigende Natur auf diesem Planeten, alle Tiere, für die Sonne, den Mond und die Sterne.
Für jeden einzelnen Menschen, die oder der mein Leben bereichert oder einfacher gemacht hat durch irgendwas, das er oder sie erfunden, gefunden, produziert, geschrieben, erleichtert oder mich gelehrt hat. Ich denke da unter (vielen, vielen, vielen) anderen an: Yogis aller Jahrtausende, an die Erfinderinnen von Teigtaschen aller Art und von Waschmaschinen und von Leggins und des Internets, an Feministinnen, an Gemüsebäuerinnen, an Amanda Palmer, an J.K. Rowling, an Tocotronic, an Erwin Koch, an Meeresbiologen, an die Stoiker, an Hunde (sie sind nicht nur auch Menschen, sie sind die besseren Menschen).
Sandro und dass er so ein top Typ ist und witzig noch dazu.
Ich weiss, es ist ein wenig pathetisch, sich zum eigenen 30. Geburtstag an die Welt zu richten, irgendwas von Erkenntnissen und Lehren zu labern. Aber eigentlich tu ich das nicht für dich, sondern für mich. Ich hab mir gestern selbst eine Geburtstagskarte geschenkt: Ein Selbstportrait in Aquarell, darauf steht: Happy 30th Birthday to: ME ❤ . Ich hab mir auch selbst Blumen gekauft. Und vorhin Champagner und zwei Dutzend Empanadas bestellt.
Zum Geburtstag wünsche ich mir ausserdem folgende Dinge, die ich nicht selbst oder im Alleingang beeinflussen kann:
Dass Weinen normalisiert wird: in der Öffentlichkeit und unter Bekannten.
Die Rettung der Wale und der Meere und Netto-Null bis 2030.
Dass Sandro endlich sein Album rausbringt.
Langsam könnten wir auch wirklich aufhören, Tiere für unseren Genuss auszubeuten.
Dass das Patriarchat zu Staub zerfällt.
Morgenseiten schreiben und Meditation sollten in der Schule beigebracht werden.
Harry Potter 9.
Eine kleine Party auf einer Wiese zum 31. Geburtstag und dann bis in den Morgen mit den besten Menschen an einem Küchentisch sitzen.
Weisst du, obwohl es jetzt wirklich langsam Zeit wurde, 30 zu werden (die meisten Leute in meinem Umfeld sind älter als ich und wir können seit Jahren kaum glauben, dass ich noch immer nicht 30 bin), ist es doch ein Meilenstein, der ein wenig Reflexion verdient. Wenn ich darüber nachdenke, wo ich vor zehn Jahren war, jeeeeez . Kurz vor dem zweiten Studium nach dem Abbruch des ersten, im Praktikum bei einer Liechtensteiner Tageszeitung, noch wenig Ahnung davon, wie eine Beziehung aussieht, in der man einander und sich selbst mit Wohlwollen begegnet, entsprechend angekratzte Selbstliebe — und eine unklare Wohnsituation.
Die Wohnsituation ist heute wieder unklar, aber mit Absicht. In Retrospektive gibt es einige Momente, von denen ich heute denke: Meine Fresse, wo hast du denn dafür den Mut hergeholt? Dann bewundere ich mein vergangenes Selbst ein wenig. Mich selbständig zu machen oder alles zu kündigen, um drei Jahre von Nord- nach Südamerika zu fahren, sind zwei solche Dinge.
Ich bin auch stolz darauf, bis hierher nicht einmal das C-Wort benutzt zu haben. Denn seien wir ehrlich, wenn Corona nicht wäre, hätte ich gar keine Zeit, diesen Text zu schreiben, denn ich wäre jetzt in New York mit meinen Friends, kommende Woche würde meine Freundin in Bermuda heiraten und ich das schöne Lavendelkleid tragen, das jetzt im Schrank vor sich hin hängt, und vor mir stünde ein Sommer in den USA. Jetzt stecke ich in Buenos Aires fest, ich bin quasi eingesperrt, habe 1000 Zeit, die Zukunft ist ungewiss, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das schon immer war und wir bloss ein wenig hochmütig.
Nun bin ich also 30. Auch schön. Und: Danke. Danke. Danke.
Con mucho amor Gabriella
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Und happy birthday ;-)
Buenos Aires, Lockdown, Tag 4: Beobachtungen vom 7. Stock
Oberflächlich ist bloss noch Natur zu hören. Grillen. Vögel. Ab und zu ein Hundebellen, sich fetzende Katzen. Gerade saust ein Mönchssittichschwarm am 7. Stock vorbei. Ich kann mich nicht daran erinnern, diese giftgrünen Plappermäuler jemals in der Innenstadt registriert zu haben.
Die Tauben kommen mir verstört vor. Sie picken orientierungslos auf den leeren Strassen herum, wo seit Tagen keine neuen Krümel oder angefahrenen Insekten mehr zu finden sind. Gestern sassen zwei auf dem Vorsprung vor unserer kleinen Terrasse und sie blickten mich mit schrägem Federkopf an. Voller Fragen.
Es ist der vierte Tag seit dem totalen Lockdown in Argentinien. Es kommt mir vor wie vier Minuten und zugleich wie vier Jahre.
Ich atme ganz tief ein, halte die Luft an, bis es mich fast umhaut, um nicht abzuheben.
Als der Präsident, den man hier mit Vornamen anspricht, als also Alberto am vergangenen Donnerstag, 22 Uhr, den Lockdown kundtut, ist die Stadt bereits ganz still. Ob Buenos Aires jemals in seiner Geschichte so introvertiert war? Ich beantworte mir die Frage selbst: Während der Militärdiktatur gab es Ausgangssperren. Ob sich die Argentinierinnen daran zurückerinnert fühlen?
Ein Moderator schreit uns aus dem Fernseher heraus an: Ihr seid alle selbstschuld, hättet ihr die Weisungen befolgt, wäre es nicht soweit gekommen. Das haben wir den Argentiniern zu verdanken, den respektlosen Argentiniern, die lügen, imbéciles , das habt ihr jetzt davon. Wir im 7. Stock lachen laut zurück, weil wir uns vorstellen, wie wohl die Schweizerinnen reagierten, wenn sie von einem TV-Moderator eine solche Rüge in die Stube geklatscht bekämen.
Ab und zu fährt ein Polizeiauto am Haus vorbei und dann poltert es auf den alten Pflasterstrassen. Der Helikopter trommelt jeden Tag übers Quartier. Vielleicht ist es so still hier, weil keine Touristen mehr da sind. Vielleicht steht die Hälfte der Wohnungen in Sichtweite gerade leer.
Wer ohne Grund (systemrelevante Arbeit, Lebensmitteleinkauf oder Hund) vor die Tür geht, wird verhaftet. Ein 21-jähriger Argentinier, positiv getestet, flog aus den USA nach Uruguay und nahm dort die Fähre nach Buenos Aires. Angekommen, floh er vor den Behörden. Dank ihm sitzen alle 400 Fähren-Passagiere im Panamericano-Hotel in Quarantäne. Im Fernsehen sagen sie, er werde den angerichteten Schaden bezahlen müssen, 700’000 Dollar: Der pibe ist der Sohn eines reichen Unternehmers, wir werden den Namen jetzt nicht nennen, wir wollen nicht die ersten sein, aber der Vater wird das Geld schon aufbringen können.
Im Norden löst die Polizei ein Picnic mit 44 Jugendlichen auf und verhaftet alle. Heute geht ein Video viral (ich google nach einem Synonym für viral, weil mir das Wort nicht besonders angemessen scheint, aber ich finde kein zufriedenstellendes): Ein Polizist mit Mundschutz staucht ein jugendliches Paar zusammen. Er zeigt ihnen ein Video aus Italien, schaut es euch genau an, wollt ihr, dass hier dasselbe passiert, ja oder nein. Ich muss meinem Sohn sagen, dass er seinen Vater nicht sehen kann. Quedese en su casa , fünfmal.
Ich gehe einkaufen, alleine, gleich hier ums Eck. Vor einem Supermarkt steht eine in Stücke gehackte Schlange an Menschen, die zwei Meter voneinander Abstand halten. Eine viejita geht an den Leuten vorbei, eine Frau beginnt mit ihr zu reden und fasst sie während des Gesprächs an, erst die Schulter, dann am Arm, und lässt sie nicht los. Ich möchte ihr die Bananen in meiner Hand an den Kopf schmeissen.
Vergangene Woche wurden über 200 Touristen ausgeschafft, weil sie sich nicht an die Quarantänebestimmungen hielten. Andere werden am Flughafen direkt wieder retour geschickt, weil sie sich nicht in die Quarantäne begeben wollen. Ein zurückgekehrter Argentinier wird von seinem Portier am Verlassen seines Wohnblocks gehindert, weil auch er sich isolieren sollte, und er schlägt 19-mal auf den Portier ein.
Die argentinische Polizei bildet eine Task-Force, die sicherstellen soll, dass sich schamlose Apotheker und Supermarktbetreiber nicht an der Not bereichern und überzogene Preise verlangen. 2000 Lebensmittel erhalten einen Höchstpreis. Jetzt soll Wein gesammelt werden, um Desinfektionsmittel herzustellen.
Unsere Vermieterin schreibt in diesem Moment: Obacht, es passieren gerade viele Diebstähle von Leuten, die sich als Sanitär oder Polizei ausgeben. Lass keinen ins Haus, den ihr nicht kennt.
Der Sonnenuntergang vor dem 7. Stock ist die einzige Show, die noch nicht abgesagt ist. Festgenommen beim heutigen Sonnenaufgang weil grundlos unterwegs: 625 Menschen. Alberto warnt, die Medien wiederholen: Mein Puls wird nicht erzittern beim Verlängern der Total-Quarantäne.
Ich wundere mich dieser Tage über so manches.
Zum Beispiel frage ich mich, ob Argentinien dermassen frühzeitig dichtmachte, weil so ziemlich jede Person hier Verwandte und Vorfahren aus Italien und Spanien hat. Quasi Solidaritäts-Lockdown. Oder weil Argentinien erkannte: Wenn sogar diese Länder, die von hier aus gesehen wie sichere Häfen wirken im Vergleich zur hiesigen ökonomischen Sumpflandschaft, wie Paradiese in vielerlei Hinsicht, wenn sogar sie überfordert sind, wie schwer wird es dann uns treffen.
Noch eine geschwätzige Sittich-Sippe. Im ganzen Land werden Obdachlose in Hotels untergebracht.
In der Stadt Buenos Aires geht man von sieben bis neun Ratten pro Einwohner aus. Ungefähr 21 Millionen. Ob es ihnen dieser Tage besser ergeht, ob sie des nachts zahlreicher aus ihren Löchern kriechen und die Freiheit über Meeresspiegel auskosten? Vielleicht ist auch das Gegenteil der Fall, es liegt kein Müll mehr herum, sie hungern, sind verzweifelt und fragen sich, welcher Ungerechtigkeit sie diesen Schlamassel zu verdanken haben. Und dann kriechen sie aus Hunger und Pein aus der Kanalisation, machen sich auf die Suche nach Essbarem, und wagen sich an Orte, die aufzusuchen sie sich nie gezwungen gefühlt hatten, zum Beispiel den 7. Stock.
Oberflächlich ist bloss noch Natur zu hören. Darunter, aus dem Fernseher zurechtweisend oder aus Empörung, in den Häusern, Hotels und Regierungsgebäuden, in der Kanalisation und im Internet, toben Gesellschaft und Lebenswege weiter und weiter und wenn ich jetzt nicht tief einatme, dann hebe ich ab und fliege davon und das Letzte, das ich sehe, wird das Delta sein.
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Warum ich besser arbeite, wenn ich nicht in Zürich bin
Oder: Termine, Termine, Termine
Oh, wir müssen die Zeit noch nutzen, bevor ihr geht! Ay, geniesst die Ferien! Ach, ich würd auch gerne einfach abhauen. Hey, gute Reise!
So klingt es in den letzten Wochen ziemlich oft von Seiten unserer geschätzten Kundinnen und Kunden. Am liebsten würde ich dann einfach ganz bestimmt sagen: Aber wir arbeiten doch imfall auch dort genauso wie hier!
Das klingt aber leider ein wenig trötzlig und doof — und so belassen wir es oft dabei oder sagen etwas wie: Ach, ums Reisen allein gehts uns doch schon lange nicht mehr.
Kürzlich fiel mir allerdings eine Sache auf: Wir arbeiten, wenn wir nicht in Zürich sind, nicht nur genauso gut wie wenn wir da sind — wir arbeiten sogar besser.
Keine Freunde
Es klingt ein wenig traurig und das ist es selten auch; aber wenn wir unterwegs sind, gibt es keine Kafi-Dates und keine Bierabende und so gut wie keine Einladungen zum Znacht und keine Geburtstagsparties und keiner, dem man spontan über den Weg läuft. Wir schätzen all das sehr, wenn wir da sind, aber wir schätzen es auch sehr, in der grossen weiten Welt keine sozialen Termine zu haben. Die Zeit, die man jeden Tag zusätzlich zur Verfügung hat, ist von unvorstellbarem Wert.
Keine Meetings
Physischen Sitzungen wohnt eine grosse Problematik inne: Die Zeit, die man verschwendet, um an den Austragungsort zu gelangen, die mehr oder minder effiziente Sitzung abzuhalten, und dann wieder in den eigenen (geistigen) Raum zu finden, steht selten in Relation zu dem, was man aus der Sitzung gewinnt. Natürlich ist es schön, sich mal persönlich zu treffen. Aber ein ziemlich grosser Prozentsatz der Meetings lässt sich effizienter und effektiver via Telefon, Skype oder Hangouts durchführen. Auch hier also: immense Zeitersparnis, die man für das Kreieren von aufsehenerregenden Wortreihen nutzen kann.
Neue Inputs
Wer rastet, der rostet. In unserem Fall buchstäblich. Wir spüren stark, wie Inspiration, Musse und Kreativität an einem neuen Ort um ein Vielfaches steigen. Frische Sichtweisen, sich ständig verändernde Perspektiven — sie sind ein selbstverständlicher Teil vom Leben on the road . Und sie fliessen in jede berufliche wie private Tätigkeit (wie wenn das bei uns noch zu trennen wäre) ein.
Der eigene Rhythmus
Wenn die oben genannten Dinge der Fall sind, dann können wir uns gänzlich unserem eigenen Rhythmus hingeben. Auch das hilft, besseren Output zu liefern.
Versteh mich nicht falsch: In den letzten Monaten waren Zürich und Europa wie neu für uns. Jede altbekannte Ecke der Stadt erlebten wir mit den frischen Augen von Neulingen. Und doch: Langsam und kaum bemerkt schlich sich Stagnation ein. Auch Stress. Das Tempo hier ist hoch. Und je länger wir bleiben, desto schneller dreht sich das Rad.
Es ist Zeit für uns, wieder Platz zu schaffen. Im Kopf, im Herzen und kreativ. In der aktuellen Folge des Podcasts Hotel Matze wurde ein Satz genannt, den ich zu meinem Motto 2020 machen will: Halb so viel, dafür doppelt so gut.
Sehen wir uns doch noch in Zürich?
Bis dahin freue mich jedoch sehr, noch physisch hier zu sein und besonders auf meine Lesung am 19. Dezember im Karl der Grosse in Zürich (so etwas ist ja nur schwer umsetzbar, wenn man weit weg ist). Ich werde dort sechs bis sieben Texte lesen, die während unserer Reise entstanden sind. Ich erzähle von Pannen, von gemeinen Leuten im Internet, von anderen Herausforderungen und traurigen Begebenheiten, aber auch von sonderbaren Orten und Menschen. Wir werden lachen und nachdenklich sein und einfach gemeinsam auf eine kleine Reise gehen.
Hier gibts Tickets. Obacht: Keine Abendkasse, nur Vorverkauf. 5 Franken pro Ticket geben wir an OceanCare weiter. Bring deine Freunde mit! Wir organisieren diese Lesung komplett selbst und es wäre schön, wenn wir eine lebendige Truppe wären.
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Warum ich besser arbeite, wenn ich nicht in Zürich bin
Oder: Termine, Termine, Termine
Oh, wir müssen die Zeit noch nutzen, bevor ihr geht! Ay, geniesst die Ferien! Ach, ich würd auch gerne einfach abhauen. Hey, gute Reise!
So klingt es in den letzten Wochen ziemlich oft von Seiten unserer geschätzten Kundinnen und Kunden. Am liebsten würde ich dann einfach ganz bestimmt sagen: Aber wir arbeiten doch imfall auch dort genauso wie hier!
Das klingt aber leider ein wenig trötzlig und doof — und so belassen wir es oft dabei oder sagen etwas wie: Ach, ums Reisen allein gehts uns doch schon lange nicht mehr.
Kürzlich fiel mir allerdings eine Sache auf: Wir arbeiten, wenn wir nicht in Zürich sind, nicht nur genauso gut wie wenn wir da sind — wir arbeiten sogar besser.
Keine Freunde
Es klingt ein wenig traurig und das ist es selten auch; aber wenn wir unterwegs sind, gibt es keine Kafi-Dates und keine Bierabende und so gut wie keine Einladungen zum Znacht und keine Geburtstagsparties und keiner, dem man spontan über den Weg läuft. Wir schätzen all das sehr, wenn wir da sind, aber wir schätzen es auch sehr, in der grossen weiten Welt keine sozialen Termine zu haben. Die Zeit, die man jeden Tag zusätzlich zur Verfügung hat, ist von unvorstellbarem Wert.
Keine Meetings
Physischen Sitzungen wohnt eine grosse Problematik inne: Die Zeit, die man verschwendet, um an den Austragungsort zu gelangen, die mehr oder minder effiziente Sitzung abzuhalten, und dann wieder in den eigenen (geistigen) Raum zu finden, steht selten in Relation zu dem, was man aus der Sitzung gewinnt. Natürlich ist es schön, sich mal persönlich zu treffen. Aber ein ziemlich grosser Prozentsatz der Meetings lässt sich effizienter und effektiver via Telefon, Skype oder Hangouts durchführen. Auch hier also: immense Zeitersparnis, die man für das Kreieren von aufsehenerregenden Wortreihen nutzen kann.
Neue Inputs
Wer rastet, der rostet. In unserem Fall buchstäblich. Wir spüren stark, wie Inspiration, Musse und Kreativität an einem neuen Ort um ein Vielfaches steigen. Frische Sichtweisen, sich ständig verändernde Perspektiven — sie sind ein selbstverständlicher Teil vom Leben on the road . Und sie fliessen in jede berufliche wie private Tätigkeit (wie wenn das bei uns noch zu trennen wäre) ein.
Der eigene Rhythmus
Wenn die oben genannten Dinge der Fall sind, dann können wir uns gänzlich unserem eigenen Rhythmus hingeben. Auch das hilft, besseren Output zu liefern.
Versteh mich nicht falsch: In den letzten Monaten waren Zürich und Europa wie neu für uns. Jede altbekannte Ecke der Stadt erlebten wir mit den frischen Augen von Neulingen. Und doch: Langsam und kaum bemerkt schlich sich Stagnation ein. Auch Stress. Das Tempo hier ist hoch. Und je länger wir bleiben, desto schneller dreht sich das Rad.
Es ist Zeit für uns, wieder Platz zu schaffen. Im Kopf, im Herzen und kreativ. In der aktuellen Folge des Podcasts Hotel Matze wurde ein Satz genannt, den ich zu meinem Motto 2020 machen will: Halb so viel, dafür doppelt so gut.
Sehen wir uns doch noch in Zürich?
Bis dahin freue mich jedoch sehr, noch physisch hier zu sein und besonders auf meine Lesung am 19. Dezember im Karl der Grosse in Zürich (so etwas ist ja nur schwer umsetzbar, wenn man weit weg ist). Ich werde dort sechs bis sieben Texte lesen, die während unserer Reise entstanden sind. Ich erzähle von Pannen, von gemeinen Leuten im Internet, von anderen Herausforderungen und traurigen Begebenheiten, aber auch von sonderbaren Orten und Menschen. Wir werden lachen und nachdenklich sein und einfach gemeinsam auf eine kleine Reise gehen.
Hier gibts Tickets. Obacht: Keine Abendkasse, nur Vorverkauf. 5 Franken pro Ticket geben wir an OceanCare weiter. Bring deine Freunde mit! Wir organisieren diese Lesung komplett selbst und es wäre schön, wenn wir eine lebendige Truppe wären — und Sandro und ich nicht mangels Leuten draufzahlen müssten.
Wäre auch schwierig ohne physische Anwesenheit: Yogastunden geben mit Live-Musik. (Foto: Sandra Maier)
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Wie wir als Paar allermeistens saugut miteinander arbeiten
Oder: Büro Luz plaudert aus dem Nähkästchen.
Solltest du hier sein, weil du gerne eine Anleitung oder ein Geheimrezept dafür suchst, wie man als Paar beruflich zusammen arbeitet, ohne einander regelmässig an die Gurgel zu gehen, oder zu Kollegen zu mutieren, dann hast du hier die Antwort. Sie heisst, so simpel und so banal: Glück.
Ein Liebespartner ist nicht dazu da, auch der beste Partner in beruflicher Hinsicht zu sein. Funktioniert es trotzdem, ist das schön. Muss es sein? Überhaupt nicht.
Nun, wahrscheinlich bist du nicht deswegen hier, sondern, weil du wissen möchtest, wie das bei uns so läuft. Wo liegen die Schwierigkeiten? Streiten sie oft? Reden sie nur noch von der Arbeit?
Vor Kurzem hat mich jemand gefragt, wie wir das als Paar so machen, dieses gemeinsame Arbeiten. Während des Gesprächs hatte ich zweieinhalb Erkenntnisse, die ich hier gerne teilen möchte. Vielleicht hilft es jemandem. Vielleicht kann ich irgendwas entmystifizieren. Vielleicht hab ich bloss ein Faible für Authentizität und gerade Lust zu schreiben.
Der Clash
Diese Geschichte hören die Leute am liebsten. Wir standen ganz am Anfang unserer Selbstständigkeit, geografisch irgendwo in Peru, und hatten soeben die Probeaufgabe für einen ziemlich grossen Auftrag erhalten. Der war wichtig für uns, nicht nur psychologisch, auch finanziell. Wir gingen in ein Café, um die Aufgabe zu erledigen und innert 30 Minuten waren wir das peinliche Paar, das sich öffentlich streitet. Wir sind von Haus aus beide recht harmoniebedürftig, streiten also ohnehin selten. Eine ungewohnte Situation. Das Problem: Wir waren uns überhaupt nicht einig, wie wir vorgehen sollten. Und nahmen jeden Satz des anderen viel zu persönlich. Ein katastrophaler Tag, der in Retrospektive ein Geschenk war. Wir wurden durch diesen Clash quasi gezwungen, Regeln aufzustellen.
Regel 1: Piss dem anderen nicht in den Garten
Der Grund, weshalb wir überhaupt in Betracht gezogen hatten, zusammen zu arbeiten, war: Es würde unser Leben so viel einfacher machen. Sandro hat die Projektleiterfähigkeiten, berät wie eine Eins, kann gut mit Menschen. Ich schreibe. Die perfekte Kombination für eine Textagentur, die ja üblicherweise ca. fünfzig Prozent der Zeit NICHT mit dem Schreiben von Texten verbringt, sondern mit Briefings, Klarheit schaffen, und gemeinsam mit der Kundin zu eruieren, welche Art von Text mit welchem Inhalt überhaupt gefragt ist.
Der grosse Fehler damals in Peru: Ich habe Sandro in den Garten gepisst und er mir. Anders lässt es sich leider nicht beschreiben. Glücklicherweise haben wir das in Rekordzeit bemerkt und sofort Gärten abgesteckt. Wir besprechen natürlich das Meiste, das in unseren Gärten wächst, giessen auch mal die Blumen des anderen, aber die volle Entscheidungskraft liegt beim jeweiligen Gartenbesitzer.
Obwohl wir an denselben Projekten arbeiten, sind unsere Jobs völlig unterschiedlich. Unsere Tage sind komplett verschieden. Oft müssen wir uns am Ende des Tages noch einmal gegenseitig berichten, was alles passiert ist. Wir arbeiten auch oft an unterschiedlichen Orten.
Regel 2: Jetzt nicht
Natürlich sprechen wir oft über die Arbeit. Das hat auch damit zu tun, dass wir sie sehr gerne tun. Und manchmal beschäftigt einen dieser eine Kunde oder diese eine Textpassage in den Abend hinein. Das ist völlig okay. Wenn der andere aber gerade nicht darüber sprechen möchte, dann sagt er das und wir wechseln das Thema.
Regel 3: Hold my back, baby
Diese ist eine nicht wirklich ausgesprochene Regel. Eher eine, die sich eingebürgt hat, weil sie so gut funktioniert. Ich persönlich sehe dies als den einen grossen Vorteil an, wenn man als Paar im gemeinsamen Business arbeitet. Als Selbstständige schwankt unsere Auftragslage ganz natürlich. Manchmal haben wir beide das Füdli voll Arbeit, manchmal eher er, manchmal eher ich. Allermeistens hat einer von uns ein wenig mehr Zeit zur Verfügung als der andere. Der mit der Zeit ist dann der, der kocht, putzt, Rechnungen stellt. Er kümmert sich sozusagen um Maintenance. Unabdingbar hierbei ist halt eine gewisse Proaktivität von beiden Seiten. Aber wenn sie da ist, macht es sehr viel Spass.
Und ja, man muss schon einigermassen gerne Zeit miteinander verbringen. Daran führt kein Weg vorbei. Date-Nights sind auch wichtig, aber das sind sie für alle Paare.
So, nun schliessen wir das Nähkästchen wieder. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Auch schön: Gemeinsame Zmittage mit veganem Dürüm ❤
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