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Der Szeni-Drögeler
Unsere Generation schluckt alles, was sie in den Mund kriegen kann. Warum das ganz verständlich ist.
Es war einmal ein junger Zürcher, nennen wir ihn Alex. Der hatte schon mal was von Max Weber gehört. War das nicht der Bundeskanzler? Nein, das war der Soziologe. Die meisten haben keine Ahnung, wer das war. Max Weber sprach von der Entzauberung der Welt. Die Welt verliert also ihren Zauber. Warum wohl? Wegen der verdammten Religion natürlich. Der protestantische Arbeitsethos führt dazu, dass ein Kapitalist das Geld nur um des Geldes Willen anhäuft. Geht es nach Calvin, der das Ganze erfunden hatte, soll Alex immer nur arbeiten. Ausser am Sonntag, dann soll er in die Kirche gehen, beten und auf die Woche zurückschauen.
Obwohl niemand eine Ahnung von Max Weber hat, wissen alle, dass Alex nicht so lebt. Wir jungen Zürcher sind verzogene, hedonistische und wohlstandsverwahrloste Kinder der früheren Zwinglianer.
Zurück also zu Alex, den Drogen und der Entzauberung der Welt. Alex lässt sich seine Welt nicht entzaubern. Im Gegenteil. Wer nach dem protestantischen Arbeitsethos lebt, verpasst alle Versuchungen. Das weiss Alex. Er weiss zum Teufel auch, dass man Versuchungen nicht widerstehen kann. Das geht einfach nicht. Das ist wie mit den Fehlern. Aus einem Fehler wird gelernt, nur damit wir wieder aufstehen und dann mit dem Kopf gegen die nächste Wand rennen. Alex geht es dermassen gut in Zürich, dass alles so einfach läuft. Ein Nebenjob reicht, um das lässige Leben in den Kreisen 3, 4 oder 5 zu finanzieren. Da bleibt viel Zeit, den Versuchungen nachzugehen. Alkohol, Disko, Zukki-Hund, MDMA, LSD, Koks, Psylos, Hasch, Gras und so weiter. Das gehört alles dazu. Nur, weil Alex der Versuchung nicht wieder stehen kann. Ist das schlimm? Schlimm ist nicht die Verzauberung, die Alex sich gönnt. Schlimm sind nicht die gelegentlichen Trips. Schlimm ist die Wohlstandsverwahrlosung, die alle 5 Sekunden ein Kind verhungern lässt. Während Alex auf Wolke 17 durch das Gonzo schwebt und Formen und Farben bewundert.
Text: Simon Jacoby
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Unsere Generation schluckt alles, was sie in den Mund kriegen kann. Warum das ganz verständlich ist.
Es war einmal ein junger Zürcher, nennen wir ihn Alex. Der hatte schon mal was von Max Weber gehört. War das nicht der Bundeskanzler? Nein, das war der Soziologe. Die meisten haben keine Ahnung, wer das war. Max Weber sprach von der Entzauberung der Welt. Die Welt verliert also ihren Zauber. Warum wohl? Wegen der verdammten Religion natürlich. Der protestantische Arbeitsethos führt dazu, dass ein Kapitalist das Geld nur um des Geldes Willen anhäuft. Geht es nach Calvin, der das Ganze erfunden hatte, soll Alex immer nur arbeiten. Ausser am Sonntag, dann soll er in die Kirche gehen, beten und auf die Woche zurückschauen.
Obwohl niemand eine Ahnung von Max Weber hat, wissen alle, dass Alex nicht so lebt. Wir jungen Zürcher sind verzogene, hedonistische und wohlstandsverwahrloste Kinder der früheren Zwinglianer.
Zurück also zu Alex, den Drogen und der Entzauberung der Welt. Alex lässt sich seine Welt nicht entzaubern. Im Gegenteil. Wer nach dem protestantischen Arbeitsethos lebt, verpasst alle Versuchungen. Das weiss Alex. Er weiss zum Teufel auch, dass man Versuchungen nicht widerstehen kann. Das geht einfach nicht. Das ist wie mit den Fehlern. Aus einem Fehler wird gelernt, nur damit wir wieder aufstehen und dann mit dem Kopf gegen die nächste Wand rennen. Alex geht es dermassen gut in Zürich, dass alles so einfach läuft. Ein Nebenjob reicht, um das lässige Leben in den Kreisen 3, 4 oder 5 zu finanzieren. Da bleibt viel Zeit, den Versuchungen nachzugehen. Alkohol, Disko, Zukki-Hund, MDMA, LSD, Koks, Psylos, Hasch, Gras und so weiter. Das gehört alles dazu. Nur, weil Alex der Versuchung nicht wieder stehen kann. Ist das schlimm? Schlimm ist nicht die Verzauberung, die Alex sich gönnt. Schlimm sind nicht die gelegentlichen Trips. Schlimm ist die Wohlstandsverwahrlosung, die alle 5 Sekunden ein Kind verhungern lässt. Während Alex auf Wolke 17 durch das Gonzo schwebt und Formen und Farben bewundert.
Text: Simon Jacoby
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Hippiekacke 2.0
Vor gut zwei Jahren sorgte das Video Hippiekacke in der wahren Hauptstadt der Schweiz für Furore. Seit damals hat sich einiges verändert.
Der Szeni – oder Hippie – aus Zürich erkannte sich im Film von Ian Constable sofort wieder. Nennen wir den Szeni Hans. Das Jahr 2009: Der Hans geht also im Hive gogen tanzen, er trinkt vor dem Xenix ein Bier, er fährt mit dem Rennvelo ins Atelier, er hat ein iPhone, er stärkt sich nach einer langen Ausgangsnacht mit Frühstück im Kafi Schnaps um anschliessend an der Uni ein wenig zu fachsimpeln mit seinen Kollegen aus dem Studium der Publizistik.
Die Zeiten haben sich ein wenig verändert. Wir schreiben das Jahr 2012: Der Hans trägt heute einen schönen Schnauzer. Und er geht nicht mehr ins Hive, sondern ins Gonzo oder in den Garten von Frau Gerold. Im Hive hats ihm inzwischen zu viele Gymischüler und Agglo-Menschen. Aber auch das Gonzo dürfte bald wieder vorbei sein. Rennvelo fährt der Hans immer noch. Und auch spielt er immer noch Boule – oder sowas ähnliches - vor dem Xenix. Aber er trinkt da nicht mehr sein Bier, nein, der Hans trinkt jetzt nicht mal mehr Apérol Spritz, sondern Hugo. Das kitzelt so schön auf der Zunge. Vor zwei Jahren war der Hans in Südamerika «go rääisä». Die Indios haben scheinbar an Attraktivität eingebüsst. Wer heute noch nach Ecuador geht ist schon fast ein bisschen Retro. Heute geht der Hans lieber nach Asien – genauer gesagt nach Thailand, Vietnam oder Indonesien. Da kauft er sich dann ein gefälschtes iPhone, weil in der Schweiz inzwischen jeder Hans und jede Hänsin ein originales iPhone hat. Das ist nicht mehr hipp. Das mit dem Kafi Schnaps ist zwar nicht ganz vorbei, aber auch da hats Hans inzwischen zu viele normale Städter. Neue Lokale wie «Dini Muetter» sind jetzt der Renner. Ist ja auch klar, da ist es viel gemütlicher. Diese Liste könnte unendlich lang weiter geführt werden. Das Problem des heutigen Szeni ist, dass er sich sehr schnell weiter entwickelt – muss er auch, weil alle paar Tage eine neue Bar aufmacht, die sofort in Beschlag genommen werden muss.
Zum Schluss noch was über das logische Loch im Leben des Szenis: Der Hans möchte in möglichst kein Schema passen. Die maximale Individualität also. Doch diese maximale Individualität wird tausendfach kopiert. Obwohl es unzählige Szenis gibt, möchte Hans nicht als solcher bezeichnet werden, denn mit dem Zuordnen zu den Szenis wird seine Individualität aufgehoben und der Hans gehört wieder zu den Anderen. Alles umsont.
Text: Simon Jacoby
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Vor gut zwei Jahren sorgte das Video Hippiekacke in der wahren Hauptstadt der Schweiz für Furore. Seit damals hat sich einiges verändert.
Der Szeni – oder Hippie – aus Zürich erkannte sich im Film von Ian Constable sofort wieder. Nennen wir den Szeni Hans. Das Jahr 2009: Der Hans geht also im Hive gogen tanzen, er trinkt vor dem Xenix ein Bier, er fährt mit dem Rennvelo ins Atelier, er hat ein iPhone, er stärkt sich nach einer langen Ausgangsnacht mit Frühstück im Kafi Schnaps um anschliessend an der Uni ein wenig zu fachsimpeln mit seinen Kollegen aus dem Studium der Publizistik.
Die Zeiten haben sich ein wenig verändert. Wir schreiben das Jahr 2012: Der Hans trägt heute einen schönen Schnauzer. Und er geht nicht mehr ins Hive, sondern ins Gonzo oder in den Garten von Frau Gerold. Im Hive hats ihm inzwischen zu viele Gymischüler und Agglo-Menschen. Aber auch das Gonzo dürfte bald wieder vorbei sein. Rennvelo fährt der Hans immer noch. Und auch spielt er immer noch Boule – oder sowas ähnliches - vor dem Xenix. Aber er trinkt da nicht mehr sein Bier, nein, der Hans trinkt jetzt nicht mal mehr Apérol Spritz, sondern Hugo. Das kitzelt so schön auf der Zunge. Vor zwei Jahren war der Hans in Südamerika «go rääisä». Die Indios haben scheinbar an Attraktivität eingebüsst. Wer heute noch nach Ecuador geht ist schon fast ein bisschen Retro. Heute geht der Hans lieber nach Asien – genauer gesagt nach Thailand, Vietnam oder Indonesien. Da kauft er sich dann ein gefälschtes iPhone, weil in der Schweiz inzwischen jeder Hans und jede Hänsin ein originales iPhone hat. Das ist nicht mehr hipp. Das mit dem Kafi Schnaps ist zwar nicht ganz vorbei, aber auch da hats Hans inzwischen zu viele normale Städter. Neue Lokale wie «Dini Muetter» sind jetzt der Renner. Ist ja auch klar, da ist es viel gemütlicher. Diese Liste könnte unendlich lang weiter geführt werden. Das Problem des heutigen Szeni ist, dass er sich sehr schnell weiter entwickelt – muss er auch, weil alle paar Tage eine neue Bar aufmacht, die sofort in Beschlag genommen werden muss.
Zum Schluss noch was über das logische Loch im Leben des Szenis: Der Hans möchte in möglichst kein Schema passen. Die maximale Individualität also. Doch diese maximale Individualität wird tausendfach kopiert. Obwohl es unzählige Szenis gibt, möchte Hans nicht als solcher bezeichnet werden, denn mit dem Zuordnen zu den Szenis wird seine Individualität aufgehoben und der Hans gehört wieder zu den Anderen. Alles umsont.
Text: Simon Jacoby
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Passendes, unterhaltsames Kurzvideo von Andrea Schneider dazu: "Roni Rennvelo" = dä Hipster - vom Lande ;-)
vimeo.com
Allerdings hast du vergessen zu erwähnen dass der Hipster (oder die "Hipsterin") wahnsinnig gerne Föteli mit der hipstamatic App schiesst, weil diese grünstichigen Bilder einfach extreeeem kreativ aussehen.
Nur beim Reisen bin ich nicht ganz einverstanden: Findet der Hipster Thailand wirklich trendy?? Thailand?? Das passt irgendwie nicht. Vietnam schon eher.
Emanzipation 2.0 - Die Zwittersprache kommt!
Gender-Correctness: Plädoyer für die Abschaffung der weiblichen Schreibweise
Weshalb es an der Zeit ist, die weibliche Schreibform abzuschaffen. Und weshalb erst das zur Gleichberechtigung bzw. zur Gleichbehandlung führt.
Wenn ich Gleichberechtigung fordere und bei jeder Gelegenheit auf den geschlechtlichen Unterschied aufmerksam mache, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Ist das förderlich für das Erreichen des Ziels? Will die Emanzipation nicht, dass dem Geschlechterunterschied weniger Beachtung geschenkt wird?
Keinesfalls sehe ich die Leistungen und Ziele unserer Mütter und Grossmütter als unbedeutend oder gar unnütz. Im Gegenteil – ohne den Kampf der Gleichberechtigung der letzten Jahre wäre dieses Plädoyer heute nicht möglich. Es braucht die Grundlage, die unsere Mütter gelegt haben.
Es war sicher richtig, dass Forderungen nach sprachlicher Gleichnennung aufkamen. So werden in Texten heute die männliche und weibliche Schreibweise berücksichtigt. Nicht immer in gleichem Masse – teilweise entledigt man sich mit einer bequemen Floskel der mühsamen Doppelnennung. Mache ich genauso. Nein, eigentlich gehe ich noch einen Schritt weiter – ich benütze auch für mich alleine die männliche Form. Oder soll ich sagen, die menschliche Form?
Das hat natürlich seinen Grund: Egal, ob ich mich als Arbeiterin, als Bikerin, als Abonnentin, als Schreiberin, als Studentin oder als Freundin bezeichne – immer erwähne ich dabei neben der Funktion auch mein Geschlecht. Aber will ich denn das? Nein. Ich will, dass der Funktion die höchste Beachtung geschenkt wird. Ich will nicht gezwungen sein, dem Leser mein Geschlecht zu nennen. Wenn ich es für relevant erachte, dann ja. Ansonsten: nein. Wenn ich nur Frauen anspreche, dann sind das die weiblichen Leser, wenn ich nur Männer anspreche, dann halt eben die männlichen Leser. Und alle zusammen sind die Leser.
Wer jetzt einwendet, dass Männer und Frauen aber tatsächlich verschieden sind, dem sei gesagt, dass neben den biologischen Ausstattungen, die zur Reproduktion beitragen, und anderen äusserlichen Merkmalen das kaum zu erwarten ist. Sehr gut legt das Natasha Walter in ihrem Buch Living Dolls dar: Ob die neurologischen Unterschiede von der Sozialisierung herrühren oder tatsächlich biologischer Natur sind, ist unklar. Letztlich unterscheiden sich die Individuen – Männer und Männer sind verschieden, Frauen und Frauen sind verschieden.
Die Unterscheidung von Mann und Frau finde ich diskriminierend. Im Berufsleben will ich nicht als Frau, sondern als Fachperson wahrgenommen werden, gleichgestellt mit meinen männlichen Kollegen. Das fordert, dass ich auch auf der sprachlichen Ebene gleich bezeichnet werde. Das hat nichts damit zu tun, dass ich mein Frausein verstecken will, sondern nur damit, dass es nur da erwähnt werden soll, wo es wesentlich ist.
Die weibliche Form ist heute die Spezialform, die Ausnahme. In Zukunft hätte ich gerne eine Form für alle! Eine menschliche Form, eine menschliche Lösung.
Text: Titi Bonheur Weitere spannende Artikel auf dieperspektive.ch oder im Abo.
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zu diesem Thema habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Allerdings ist es bei einer englischsprechenden Frau dann immer schwierig herauszufinden wo man grad steht wenn sie sagt: 'i met a friend' ... war das denn nun ein Mann oder eine Frau? Darum, denke ich, sollte schlicht eine dritte Schreibweise eingeführt werden: die sächliche, die sich auf das Individuum bezieht. ff
Was steckt hinter dem Apple-Kult?
Furchtlose Menschen, fruchtlose Zukunft
Lange galt er als ziemlich langweilige Frucht, der Apfel. Wurde er dazu aufgefordert, doch mal etwas über sich zu erzählen, stammelte er verlegen etwas von „gesund“ und „bio“. Mehr war da nicht. Die turbulenten Zeiten um Adam, Eva und Wilhelm waren längst vorbei. Jetzt vegetierte der Apfel zwischen Bauernhöfen und Ladengestellen vor sich hin.
Dann kam Heilsbringer Steve. Immer hatte er an den Obstklassiker geglaubt, sah ihn längst zu Höherem berufen. Ein Allzweckmittel werde er einst sein, ein Tausendsassa sondergleichen, die längst aufgegebene, eierlegende Wollmilchsau. Und so wurde der Apfel aufgemotzt. Bald konnte er schreiben und rechnen, bald ein bisschen mehr. Die meisten Menschen verstanden das nicht. „Wozu soll das gut sein? Wir haben doch schon Fenster“, wunderten sie sich.
Diese Bedenken und dieses Unbehagen währten lange Zeit. Bis es dann plötzlich klappte mit dem Eierlegen. Da steckte zwar ein billiger Trick dahinter (jedem Apfel wurde einfach ein Ei vorangestellt). Aber egal. Jetzt gab es kein Halten mehr. Steves Ei-Äpfel, unwichtig wie gross und wie gut, waren plötzlich überall anzutreffen. Vor allem bei Starbucks. Mit dem Ei kam die Coolness. Was nun zuerst da war, der Apfel oder das Ei, diese Frage war unwichtig.
Am Ei-Apfel hatten sie alle Freude: Kind und Kegel, Junge und Yuppies, Laien und Frauen. Und die Orange, die früher mal Apfelsine hiess, war begeistert, weil die neuen Äpfel über ihr Netz liefen. Einzig die Brombeere sah plötzlich steinalt aus, fühlte sich veräppelt.
In allen Städten der Welt schossen Obstbäume in Form von Apfelläden wie Pilze aus dem Boden. Ausser in Pjöngjang, dort nicht. Und etwa einmal im Jahr, immer wenn die knackige Frucht wieder neu erfunden wurde, strömten die Massen herbei und schlugen ihre Zelte auf. „Woodstock, pah, kann man das essen?“, spotteten die Apfel-Jünger.
Nach vielen Jahren wurde es dem Apfel dann zu bunt. Schliesslich gab es ihn nicht mehr nur in leuchtendem Rot und Grün, sondern auch in Rosa, Lila und Magenta. „Das geht mir auf den Geist“, klagte er in dieser Zeit oft. „Ich bin doch nur ein Apfel.“ Dazu das Ei: „Und ich nur ein englischer Buchstabe.“ Und auch die Menschen sahen das ein. Sie sagten Dinge wie: „Das ist nicht mehr mein Apfel, wie ich ihn einmal kannte“ oder „alles nur Kommerz!“ Und sie liessen den Apfel wieder Apfel und das Ei wieder Ei sein. Dafür umso mehr. Jetzt buken sie alle Strudel und assen Omeletten. Tagein, tagaus. Cool war das. Bis der letzte Apfel gepflückt und das letzte Ei gelegt wurde. Dann war auch mit der Retro-Welle Schluss.
Text: Silvan Kämpfen
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Furchtlose Menschen, fruchtlose Zukunft
Lange galt er als ziemlich langweilige Frucht, der Apfel. Wurde er dazu aufgefordert, doch mal etwas über sich zu erzählen, stammelte er verlegen etwas von „gesund“ und „bio“. Mehr war da nicht. Die turbulenten Zeiten um Adam, Eva und Wilhelm waren längst vorbei. Jetzt vegetierte der Apfel zwischen Bauernhöfen und Ladengestellen vor sich hin.
Dann kam Heilsbringer Steve. Immer hatte er an den Obstklassiker geglaubt, sah ihn längst zu Höherem berufen. Ein Allzweckmittel werde er einst sein, ein Tausendsassa sondergleichen, die längst aufgegebene, eierlegende Wollmilchsau. Und so wurde der Apfel aufgemotzt. Bald konnte er schreiben und rechnen, bald ein bisschen mehr. Die meisten Menschen verstanden das nicht. „Wozu soll das gut sein? Wir haben doch schon Fenster“, wunderten sie sich.
Diese Bedenken und dieses Unbehagen währten lange Zeit. Bis es dann plötzlich klappte mit dem Eierlegen. Da steckte zwar ein billiger Trick dahinter (jedem Apfel wurde einfach ein Ei vorangestellt). Aber egal. Jetzt gab es kein Halten mehr. Steves Ei-Äpfel, unwichtig wie gross und wie gut, waren plötzlich überall anzutreffen. Vor allem bei Starbucks. Mit dem Ei kam die Coolness. Was nun zuerst da war, der Apfel oder das Ei, diese Frage war unwichtig.
Am Ei-Apfel hatten sie alle Freude: Kind und Kegel, Junge und Yuppies, Laien und Frauen. Und die Orange, die früher mal Apfelsine hiess, war begeistert, weil die neuen Äpfel über ihr Netz liefen. Einzig die Brombeere sah plötzlich steinalt aus, fühlte sich veräppelt.
In allen Städten der Welt schossen Obstbäume in Form von Apfelläden wie Pilze aus dem Boden. Ausser in Pjöngjang, dort nicht. Und etwa einmal im Jahr, immer wenn die knackige Frucht wieder neu erfunden wurde, strömten die Massen herbei und schlugen ihre Zelte auf. „Woodstock, pah, kann man das essen?“, spotteten die Apfel-Jünger.
Nach vielen Jahren wurde es dem Apfel dann zu bunt. Schliesslich gab es ihn nicht mehr nur in leuchtendem Rot und Grün, sondern auch in Rosa, Lila und Magenta. „Das geht mir auf den Geist“, klagte er in dieser Zeit oft. „Ich bin doch nur ein Apfel.“ Dazu das Ei: „Und ich nur ein englischer Buchstabe.“ Und auch die Menschen sahen das ein. Sie sagten Dinge wie: „Das ist nicht mehr mein Apfel, wie ich ihn einmal kannte“ oder „alles nur Kommerz!“ Und sie liessen den Apfel wieder Apfel und das Ei wieder Ei sein. Dafür umso mehr. Jetzt buken sie alle Strudel und assen Omeletten. Tagein, tagaus. Cool war das. Bis der letzte Apfel gepflückt und das letzte Ei gelegt wurde. Dann war auch mit der Retro-Welle Schluss.
Text: Silvan Kämpfen
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Der Sommer-Szeni-Schal
Ein Abgesang auf den mittlerweile auch im Sommer kühlenden, szeneadäquaten, “coolen” Modeschal. Zum ersten Mal in der Modehistorie mutiert ein funktionales “In-Accessoire” auch noch Jahreszeiten übergreifend. Der Winterschal auch im Sommer, als stets perfekte Wahl. Männlein und Weiblein hängen ihn sich um, man fühlt sich halsumwickelt attraktiver, einfach heisser - oder wird doch eher heiser!
“Chreis Konsumtempel Sihlcity”, 20 Grad, die Sonne scheint, lau weht ein schales Lüftchen, der elegante Schal aber oberhalb des adretten Herrentenues sitzt nicht toll geschwungen und genügt dem ästhetischen Halsanspruch nicht! Oh Schreck, die braungebrannte Brust ist für die Damenwelt zu wenig sichtbar. Also etwas runter setzen! Und die Farbe passt einwandfrei zu den Flip-Flops, das ist wichtig!
Wie schön zu sehen, dass auch die lässigen, bunten Shorts durch den schalen Effekt am Hals ungemein herrlich hervorgehoben werden. Dieser zu krasse Kontrast der Bekleidung ist für mich ein totales No-go.
Auch die Hausfrau nimmt sich von dieser Schal-Hysterie nicht aus. Mit ihm ist man keine graue Maus mehr, gerne ist das entsprechende Foulard vergessen.
Der Schal wird heute gehangen, festgezogen, gebüschelt, zerzaust, vollhalsig entmumifiziert und gelegentlich lieber locker gebunden und von jeder Gesellschaftsschicht als Dresscode-Knowhow zur Schau getragen, was das schale Zeug hält. Man ignoriert den Geschmackssinn zugunsten einer kreativen Kleiderwahl und übertüncht, beziehungsweise überwirft und verdeckt mit diesem Vorhang in erster Linie seinen eigentlichen Stil. Traurig, diese abhängigen Wendehälse der Modeindustrie.
Heute sollte man zu jedem Anlass den zweckmässigen Schal besitzen. Liebling der heutigen Jungen und zurechtgerückten Älteren, der sowieso lifestylekundigen, fürstlichen Männchen und Nachtschwärmer, der zünftigen Herren der Stadt - ich sehe nur noch die eine Gattung von stoffigen oder seidenen Dickhalswesen um mich herum stolzieren. Früher gab es Punks, Hip-Hopper, Grufties, Hippies oder Rocker, welche sich durch Kleidung auszeichneten. Heute sehe ich nur noch geschälte Jugendliche. Dem sonst so öde dekorierten Hälschen wird mithilfe des nunmehr im Trendstadium angekommenen Halsturbans stärker Nachdruck verliehen. Und Kult kennt ja bekanntlich keine Jahreszeit! Also schwappt dieser Trend als kühlendes Accessoire gleich noch in den Sommer über. Man wickelt die Frauen nun nicht mehr um den Finger, sondern um den Hals! Verwickelte Angelegenheit bei den Herren. Man setzt ein schales Fragezeichen, wenn Männer ihre Kleider nach der Farbe des Schals auswählen.
Es sieht für meinen Geschmack einfach beschissen aus, wenn kurze, legere Shorts mit T-Shirt und Latschen kombiniert werden. Es sind Dieselben, die nicht merken, wenn es dunkel oder gar finster ist, weil die Sonnenbrille angewachsen ist.
Also, es wäre eine Idee wert, den dicken und flauschigen Szeneschal erst wieder in der für ihn richtigen, kalten Jahreszeit zu tragen. Danke fürs Verständnis, aber der Schal - überall und immer - wirkt langsam langweilig. Bindet ihn, wenn schon, doch um die Hüften oder ans Bein! Individuelle Ideen machen Mode!
Text: David Thamm
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Ein Abgesang auf den mittlerweile auch im Sommer kühlenden, szeneadäquaten, “coolen” Modeschal. Zum ersten Mal in der Modehistorie mutiert ein funktionales “In-Accessoire” auch noch Jahreszeiten übergreifend. Der Winterschal auch im Sommer, als stets perfekte Wahl. Männlein und Weiblein hängen ihn sich um, man fühlt sich halsumwickelt attraktiver, einfach heisser - oder wird doch eher heiser!
“Chreis Konsumtempel Sihlcity”, 20 Grad, die Sonne scheint, lau weht ein schales Lüftchen, der elegante Schal aber oberhalb des adretten Herrentenues sitzt nicht toll geschwungen und genügt dem ästhetischen Halsanspruch nicht! Oh Schreck, die braungebrannte Brust ist für die Damenwelt zu wenig sichtbar. Also etwas runter setzen! Und die Farbe passt einwandfrei zu den Flip-Flops, das ist wichtig!
Wie schön zu sehen, dass auch die lässigen, bunten Shorts durch den schalen Effekt am Hals ungemein herrlich hervorgehoben werden. Dieser zu krasse Kontrast der Bekleidung ist für mich ein totales No-go.
Auch die Hausfrau nimmt sich von dieser Schal-Hysterie nicht aus. Mit ihm ist man keine graue Maus mehr, gerne ist das entsprechende Foulard vergessen.
Der Schal wird heute gehangen, festgezogen, gebüschelt, zerzaust, vollhalsig entmumifiziert und gelegentlich lieber locker gebunden und von jeder Gesellschaftsschicht als Dresscode-Knowhow zur Schau getragen, was das schale Zeug hält. Man ignoriert den Geschmackssinn zugunsten einer kreativen Kleiderwahl und übertüncht, beziehungsweise überwirft und verdeckt mit diesem Vorhang in erster Linie seinen eigentlichen Stil. Traurig, diese abhängigen Wendehälse der Modeindustrie.
Heute sollte man zu jedem Anlass den zweckmässigen Schal besitzen. Liebling der heutigen Jungen und zurechtgerückten Älteren, der sowieso lifestylekundigen, fürstlichen Männchen und Nachtschwärmer, der zünftigen Herren der Stadt - ich sehe nur noch die eine Gattung von stoffigen oder seidenen Dickhalswesen um mich herum stolzieren. Früher gab es Punks, Hip-Hopper, Grufties, Hippies oder Rocker, welche sich durch Kleidung auszeichneten. Heute sehe ich nur noch geschälte Jugendliche. Dem sonst so öde dekorierten Hälschen wird mithilfe des nunmehr im Trendstadium angekommenen Halsturbans stärker Nachdruck verliehen. Und Kult kennt ja bekanntlich keine Jahreszeit! Also schwappt dieser Trend als kühlendes Accessoire gleich noch in den Sommer über. Man wickelt die Frauen nun nicht mehr um den Finger, sondern um den Hals! Verwickelte Angelegenheit bei den Herren. Man setzt ein schales Fragezeichen, wenn Männer ihre Kleider nach der Farbe des Schals auswählen.
Es sieht für meinen Geschmack einfach beschissen aus, wenn kurze, legere Shorts mit T-Shirt und Latschen kombiniert werden. Es sind Dieselben, die nicht merken, wenn es dunkel oder gar finster ist, weil die Sonnenbrille angewachsen ist.
Also, es wäre eine Idee wert, den dicken und flauschigen Szeneschal erst wieder in der für ihn richtigen, kalten Jahreszeit zu tragen. Danke fürs Verständnis, aber der Schal - überall und immer - wirkt langsam langweilig. Bindet ihn, wenn schon, doch um die Hüften oder ans Bein! Individuelle Ideen machen Mode!
Text: David Thamm
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Genau diese Leute wird es wahrscheinlich auch nicht gross interessieren, dass wegen ihres coolen Koks-Konsums in Südamerika tausende unschuldiger Menschen (u. a. auch Kinder sterben) da die dort ansässige Mafia keine Opfer scheut, wenn es um ihr Geschäft geht.