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Freedieperspektive, die lesergenerierte Monatszeitung für Kunst, Kultur & Politik
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Ein Ende der Zweiklassen-Kultur-Gesellschaft
In Zürich gibt es viel Geld. Stadt und Kanton geben zusammen 186 Millionen Franken für die Kulturförderung aus. Wer davon profitiert und warum das nicht nur lustig ist. Die meisten kulturellen Angebote in Stadt und Kanton Zürich sind privatrechtlich organisiert – meist in kleinen Vereinen. Wer selber schon mal etwas kulturelles auf die Beine stellen wollte, weiss, wie schwierig es ist, das Projekt zu finanzieren. Kultur, so schreibt die Stadt Zürich, leiste «einen wichtigen Beitrag zu einer offenen und lebendigen Gesellschaft.» An diesem Punkt setzt die staatliche (in diesem Fall Stadt und Kanton) Kulturförderung an. Mit diesen Geldern soll ein «vielfältiges» Kulturangebot für die vielfältige Bevölkerung ermöglicht und unterstützt werden.Jetzt schnell ein Abo machen und die neue Ausgabe von dieperspektive zum Thema «Von A bis Sex» schon bald im Briefkasten haben. Leser und Leserinnen dieses Artikels kriegen das Jahresabo von dieperspektive für 20, statt für 30 Stutz.Hier mit Gutscheincode "Ron". So weit, so gut. Die Stadt Zürich hat dafür jährlich 94.5 Millionen Franken zur Verfügung, der Kanton Zürich 91.5. Das sind zwei schöne Beträge mit welchen schöne kulturelle Projekte unterstützt werden könnten.Nicht im Stile der «Vielfalt», sondern im Stile der elitären Kultur wird dieses Geld ausgegeben. Von den 94.5 Millionen, die die Stadt auszahlt, gehen die grössten Brocken an die noblen und grossen Institutionen: Das Schauspielhaus kriegt 37.5 Millionen, die Tonhalle 15.8 und die Zürcher Kunstgesellschaft 8.1 Millionen Franken. Die normalen Beiträge für normale Projekte bewegen sich meist in der Grössenordnung von einigen tausend Franken.Beim Kanton sieht die Situation noch krasser aus: Von den 91.5 Millionen Franken gehen 80.7 Millionen an das Opernhaus! Auf Platz zwei folgt das fast gänzlich unbekannte «Theater Kanton Zürich».Bei den 105 400 Zuschauern des Schauspielhauses im Jahr 2012 ergeben diese Zahlen eine Subventionierung von knapp 355 Franken – pro Sitz! Bei Eintrittspreisen, die schnell die 100 Franken-Grenze übersteigen. Im Opernhaus, wo die teuerste Eintrittskarte 320 Franken kostet, wird jeder Sitz mit über 326 Franken untersützt!Nichts gegen ein qualitatives Kulturangebot in der Stadt und im Kanton Zürich. Ebenso nichts gegen die faire Entlöhnung der Schauspieler, Musiker, Sänger, Techniker – im Opernhaus kriegen einfache Statisten schon mal einen Lohn von 250 Franken für eine zwei-stündige Aufführung.Wenn die grossen kulturellen Institutionen fast die gesamte Förderung wegfressen, sollte ich als (zugegebenen schwacher) Steuerzahler nicht gratis ins Theater oder die Oper gehen können? Oder sollte die kantonale und städtische Förderung nicht besser kleinere Projekte unterstützen (nicht aufkaufen), die sonst keine Chance auf einige Franken haben?Die heutige Form der Kulturförderung lässt die etablierten Häuser in Geld schwimmen und die kleinen fast verhungern. Profitieren tun nur die Macher selbst. Und die, die sich Eintrittspreise zwischen 100 und 300 Franken leisten können. Es wäre ein Einfaches, diese kulturelle Zwei-Klassen-Gesellschaft zu beenden. Text: Simon Jacoby Weitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe.
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Ein Ende der Zweiklassen-Kultur-Gesellschaft
In Zürich gibt es viel Geld. Stadt und Kanton geben zusammen 186 Millionen Franken für die Kulturförderung aus. Wer davon profitiert und warum das nicht nur lustig ist.
Die meisten kulturellen Angebote in Stadt und Kanton Zürich sind privatrechtlich organisiert – meist in kleinen Vereinen. Wer selber schon mal etwas kulturelles auf die Beine stellen wollte, weiss, wie schwierig es ist, das Projekt zu finanzieren. Kultur, so schreibt die Stadt Zürich, leiste «einen wichtigen Beitrag zu einer offenen und lebendigen Gesellschaft.» An diesem Punkt setzt die staatliche (in diesem Fall Stadt und Kanton) Kulturförderung an. Mit diesen Geldern soll ein «vielfältiges» Kulturangebot für die vielfältige Bevölkerung ermöglicht und unterstützt werden.
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So weit, so gut. Die Stadt Zürich hat dafür jährlich 94.5 Millionen Franken zur Verfügung, der Kanton Zürich 91.5. Das sind zwei schöne Beträge mit welchen schöne kulturelle Projekte unterstützt werden könnten.
Nicht im Stile der «Vielfalt», sondern im Stile der elitären Kultur wird dieses Geld ausgegeben. Von den 94.5 Millionen, die die Stadt auszahlt, gehen die grössten Brocken an die noblen und grossen Institutionen: Das Schauspielhaus kriegt 37.5 Millionen, die Tonhalle 15.8 und die Zürcher Kunstgesellschaft 8.1 Millionen Franken. Die normalen Beiträge für normale Projekte bewegen sich meist in der Grössenordnung von einigen tausend Franken.
Beim Kanton sieht die Situation noch krasser aus: Von den 91.5 Millionen Franken gehen 80.7 Millionen an das Opernhaus! Auf Platz zwei folgt das fast gänzlich unbekannte «Theater Kanton Zürich».
Bei den 105 400 Zuschauern des Schauspielhauses im Jahr 2012 ergeben diese Zahlen eine Subventionierung von knapp 355 Franken – pro Sitz! Bei Eintrittspreisen, die schnell die 100 Franken-Grenze übersteigen. Im Opernhaus, wo die teuerste Eintrittskarte 320 Franken kostet, wird jeder Sitz mit über 326 Franken untersützt!
Nichts gegen ein qualitatives Kulturangebot in der Stadt und im Kanton Zürich. Ebenso nichts gegen die faire Entlöhnung der Schauspieler, Musiker, Sänger, Techniker – im Opernhaus kriegen einfache Statisten schon mal einen Lohn von 250 Franken für eine zwei-stündige Aufführung.
Wenn die grossen kulturellen Institutionen fast die gesamte Förderung wegfressen, sollte ich als (zugegebenen schwacher) Steuerzahler nicht gratis ins Theater oder die Oper gehen können? Oder sollte die kantonale und städtische Förderung nicht besser kleinere Projekte unterstützen (nicht aufkaufen), die sonst keine Chance auf einige Franken haben?
Die heutige Form der Kulturförderung lässt die etablierten Häuser in Geld schwimmen und die kleinen fast verhungern. Profitieren tun nur die Macher selbst. Und die, die sich Eintrittspreise zwischen 100 und 300 Franken leisten können. Es wäre ein Einfaches, diese kulturelle Zwei-Klassen-Gesellschaft zu beenden.
Text: Simon Jacoby Weitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe .
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Youporn.com
Die Seite kennen alle. Darüber sprechen mag niemand. Dabei gäbe es viel zu sagen.
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Youporn funktioniert wie Youtube: Wer ein Filmchen hat, kann es raufladen. Alle anderen können es sich anschauen. Und tun das auch. In der Schweiz ist Youporn unter den meist angeklickten Webseiten auf Rang 53 zu finden. Knapp vor der NZZ und knapp nach der Schweizerischen Post. Auf der globalen Rangliste steht youporn auf dem 104. Platz. Könnte besser sein.
Hier noch einige weitere spannende Zahlen und Fakten zum Youporn-Gebrauch. Wenn man das liest, stellt sich schon die Frage, warum niemand über die Schmudel-Seite spricht. Im Jahr 2012 wurde die Seite knapp 5 Milliarden mal angeklickt. Die Besucher öffneten im Schnitt etwas weniger als sechs verschiedene Videos und verweilten gut sieben Minuten auf der Seite (was sich wohl hinter dieser letzten Zahl verstecken mag?). Die Mailänder sind die Menschen mit dem höchsten Youporn-Verbrauch weltweit. Gefolgt von den anderen Europäischen Metropolen Rom, Paris, London und Berlin. Wer dachte, nur Männer schauen sich nackte Menschen an, der irrt gewaltig. Zwar ist deren Anteil an den Besuchern höher, die Frauen machen aber gut einen Drittel aus! Die meisten sind gut gebildet und greifen von der Schule, vom Arbeitsplatz und von zu Hause auf Youporn zu. In dieser Reihenfolge übrigens.
So, zum Schluss noch der wichtigste Fakt über die Webseite, die für viele zum Schul- und Arbeitsalltag gehört: Die Seite lädt in 1.965 Sekunden. 59% der Webseiten sind schneller. Naja, kommen tut sie ja trotzdem.
Text: Simon Jacoby Weitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe .
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Wo früher mein Quartierfest war, ist heute eine Szeni-Bar
Röntgenplatz hämmer gmacht gha, Idaplatz hämmer gmacht gha, Brupbacherplatz hämmer gmacht gha, Röschibachplatz hämmer gmacht gha, Josefswiese hämmer gmacht gha, Schreinerstrasse hämmer gmacht gha…
Leser und Leserinnen dieses Artikels kriegen das Jahresabo von dieperspektive für 20, statt für 30 Stutz. Das ist doch mal ne freudige Neuigkeit?! Hier mit Gutscheincode "Ron".
Und so weiter und so fort. Die Quartierfeste in der Stadt Zürich platzen aus allen Nähten. Wo vor einigen Jahren noch die Bewohner des Quartiers ihre Nachbarschaft pflegten und dafür ein Fest organisierten, feiert inzwischen die ganze Stadt mit.
Es ist schön an diesen Festen: Musik, Essen aus aller Welt, Bier aus Zürich, Holzbänke und –Tische, und vor allem das komplette soziale Umfeld. Kaum ein junger Mensch der nicht an mindestens zwei der Quartierfeste geht. Und Jahr für Jahr werden es mehr. In diesem Sommer fand zum ersten Mal das Brupacherplatzfest statt. Zeitgleich mit dem Röntgenplatzfest zwar, aber he – es kamen doch hunderte Menschen. Nicht alle freuen sich, dass die einst kleinen Veranstaltungen inzwischen von Besuchern überrannt werden. Das OK vom Röschibachplatz überlegte sich sogar, die Medien zu beten, ihr Fest explizit nicht in ihrer Berichterstattung zu erwähnen – sie konnten mit der Menschenmasse schlicht nicht umgehen. Auch ans Idaplatzfest pilgern immer mehr Leute. Das Organisationskomitee sieht verschiedene Gründe, die zu einem starken Zuwachs an Besuchern geführt hat. Durch die sanfte Erneuerung des Idaplatzes und der verkehrsberuhigten Weststrasse wurde der Aufwertung des Kreis 3 Tür und Tor geöffnet. Rund um den Platz finden sich inzwischen unzählige Aufwertungskafis und Aufwertungslädelis. So wandelte sich das Arbeiterquartier zu einem hippen Mittelstandsgebiet. Es überrascht kaum, dass plötzlich viel mehr Menschen ans Idaplatzfest kommen – gut 1000 Personen waren es in diesem Jahr. Die Veranstalter freut der Zuwachs an trink- und feierfreudigen Personen. Mehr Menschen ergibt mehr Konsum und das wirkt sich positiv auf die Negativbilanz aus. Einfacher: Wenn mehr gesoffen wird, machen die Organisatoren kein minus. In den letzten Jahren konnte ein kleiner Gewinn verzeichnet werden. Dieser war gerademal so gross, dass der Umsatz von 35 000 Franken ohne Zuschuss der Stadt erreicht werden konnte. Auf der anderen Seite steht es um die Bewegungsfreiheit auf dem Platz nicht gerade rosig. Bis der Abend einbricht, findet auf dem Idaplatz nach wie vor ein Quartierfest statt. Nachher ist alles voll. Das OK sagt, der Ansturm habe eine Grenze erreicht, die dem Anlass nicht mehr zuträglich ist. Beim Röntgenplatzfest sieht es etwas anders aus. Weil der Anlass seit 33 Jahren besteht, habe er sich schon längst etabliert. Trotz grosser Konkurrenz beispielsweise vom Dörfli- oder vom Brupacherplatzfest, kommen die Besucher recht zuverlässig – bei schönem Wetter, versteht sich. Die stabilen und grossen Menschenmassen, die den Röntgenplatz jährlich während zwei Tagen besetzen, kommen auch dadurch zustande, dass das Fest zwar ein Quartierfest ist, aber klar eine politische Note hat. Immer wieder stehen Leute rum, die ihr mitgebrachtes Dosenbier trinken. Oder die sich an der nahen Bar bedienen lassen – wie das am Idaplatz der Fall ist. Während der Coop am Röntgenplatz kaum zu einer Umsatzbeteiligung bereit ist, dürfen die Bars am Idaplatz freiwillig 500 Franken an das Kulturforum Idaplatz abgeben. Die meisten machen das auch – mit einer Ausnahme an der Piazza. Der Sturm auf die Quartierfeste wird wohl noch einige Jahre dauern. Laue Sommerabende, kühles Bier, jede Menge junge Menschen – mehr braucht es nicht. Wenn aber auf den Plätzen plötzlich kein Platz mehr ist, könnte plötzlich das Quartier wieder im Vordergrund stehen. Text: Simon Jacoby Weitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe .
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Sind wir einfach nur feige?
Wir Eigenossen und unsere endlose Neutralität. Überall halten wir uns raus. Nirgends wollen wir mitreden. Haben wir Schiss, zu sagen, was wir gut finden?
Die Schweizer Neutralität ist mehrere hundert Jahre alt. Im 16. Jahrhundert wollten unsere Vorfahren Mailand erobern – und verloren den Krieg gegen Frankreich. Angeblich merkte die Schweiz schon damals, dass sie zu klein ist, um gegen die Grossen bestehen zu können. Und wurde neutral. Es folgten verschiedene europäische Konflikte. Bei jedem merkte die Schweiz, dass sie zu klein ist, um gegen die Grossen bestehen zu können. Zudem macht es wirtschaftlich Sinn, sich aus Streitigkeiten rauszuhalten.
Bis heute bezeichnet sich die Schweiz als neutral. Wirtschaftliche Sanktionen der UNO tragen wir als Staat zwar mit, aber militärisch wollen wir keine Stellung beziehen. Das ist in einem friedlichen Europa auch fast nie nötig. Vor einigen Jahren lieferten sich die beiden Ex-Bundesrätinnen Calmy-Rey und Blocher ein episches Duell: Die Aussenministerin wollte eine aktive Neutralität, der Justizminister hätte sich am liebsten in den Schweizer Bergen verkrochen und aussenpolitisch sehr zurückhaltend agiert.
An diesem Donnerstag ab 19 Uhr stellen wir uns die Frage: Sind wir einfach nur feige? Wohin sollen wir noch kommen mit unserer Neutralität? Haben wir einfach nur Schiss, gegenüber den grossen unter zu gehen? Wir wollen es herausfinden und haben darum den Chef-Redaktor der Weltwoche, Roger Köppel und den alt-Nationalrat der SP und Historiker Hans-Jürg Fehr eingeladen.
Weitere Informationen und Karten kriegst du hier.
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Wo früher mein Quartierfest war, ist heute eine Szeni-Bar
Röntgenplatz hämmer gmacht gha, Idaplatz hämmer gmacht gha, Brupbacherplatz hämmer gmacht gha, Röschibachplatz hämmer gmacht gha, Josefswiese hämmer gmacht gha, Schreinerstrasse hämmer gmacht gha…
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Und so weiter und so fort. Die Quartierfeste in der Stadt Zürich platzen aus allen Nähten. Wo vor einigen Jahren noch die Bewohner des Quartiers ihre Nachbarschaft pflegten und dafür ein Fest organisierten, feiert inzwischen die ganze Stadt mit.
Es ist schön an diesen Festen: Musik, Essen aus aller Welt, Bier aus Zürich, Holzbänke und –Tische, und vor allem das komplette soziale Umfeld. Kaum ein junger Mensch der nicht an mindestens zwei der Quartierfeste geht. Und Jahr für Jahr werden es mehr. In diesem Sommer fand zum ersten Mal das Brupacherplatzfest statt. Zeitgleich mit dem Röntgenplatzfest zwar, aber he – es kamen doch hunderte Menschen. Nicht alle freuen sich, dass die einst kleinen Veranstaltungen inzwischen von Besuchern überrannt werden. Das OK vom Röschibachplatz überlegte sich sogar, die Medien zu beten, ihr Fest explizit nicht in ihrer Berichterstattung zu erwähnen – sie konnten mit der Menschenmasse schlicht nicht umgehen. Auch ans Idaplatzfest pilgern immer mehr Leute. Das Organisationskomitee sieht verschiedene Gründe, die zu einem starken Zuwachs an Besuchern geführt hat. Durch die sanfte Erneuerung des Idaplatzes und der verkehrsberuhigten Weststrasse wurde der Aufwertung des Kreis 3 Tür und Tor geöffnet. Rund um den Platz finden sich inzwischen unzählige Aufwertungskafis und Aufwertungslädelis. So wandelte sich das Arbeiterquartier zu einem hippen Mittelstandsgebiet. Es überrascht kaum, dass plötzlich viel mehr Menschen ans Idaplatzfest kommen – gut 1000 Personen waren es in diesem Jahr. Die Veranstalter freut der Zuwachs an trink- und feierfreudigen Personen. Mehr Menschen ergibt mehr Konsum und das wirkt sich positiv auf die Negativbilanz aus. Einfacher: Wenn mehr gesoffen wird, machen die Organisatoren kein minus. In den letzten Jahren konnte ein kleiner Gewinn verzeichnet werden. Dieser war gerademal so gross, dass der Umsatz von 35 000 Franken ohne Zuschuss der Stadt erreicht werden konnte. Auf der anderen Seite steht es um die Bewegungsfreiheit auf dem Platz nicht gerade rosig. Bis der Abend einbricht, findet auf dem Idaplatz nach wie vor ein Quartierfest statt. Nachher ist alles voll. Das OK sagt, der Ansturm habe eine Grenze erreicht, die dem Anlass nicht mehr zuträglich ist. Beim Röntgenplatzfest sieht es etwas anders aus. Weil der Anlass seit 33 Jahren besteht, habe er sich schon längst etabliert. Trotz grosser Konkurrenz beispielsweise vom Dörfli- oder vom Brupacherplatzfest, kommen die Besucher recht zuverlässig – bei schönem Wetter, versteht sich. Die stabilen und grossen Menschenmassen, die den Röntgenplatz jährlich während zwei Tagen besetzen, kommen auch dadurch zustande, dass das Fest zwar ein Quartierfest ist, aber klar eine politische Note hat. Immer wieder stehen Leute rum, die ihr mitgebrachtes Dosenbier trinken. Oder die sich an der nahen Bar bedienen lassen – wie das am Idaplatz der Fall ist. Während der Coop am Röntgenplatz kaum zu einer Umsatzbeteiligung bereit ist, dürfen die Bars am Idaplatz freiwillig 500 Franken an das Kulturforum Idaplatz abgeben. Die meisten machen das auch – mit einer Ausnahme an der Piazza. Der Sturm auf die Quartierfeste wird wohl noch einige Jahre dauern. Laue Sommerabende, kühles Bier, jede Menge junge Menschen – mehr braucht es nicht. Wenn aber auf den Plätzen plötzlich kein Platz mehr ist, könnte plötzlich das Quartier wieder im Vordergrund stehen. Text: Simon Jacoby Weitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe .
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Ein Drama über Physiker muss paradox sein.
Laut, grell und schrill. So versucht der Regisseur Herbert Fritsch dem etwas in die Jahre gekommenen Klassiker von Dürrenmatt Aktualität zu verleihen. Gelungen ist das nicht schlecht.
Naturwissenschaftler haben es nicht leicht. Sie verkriechen sich in ihre absurd komplizierten Theorien und vergessen dabei zuweilen, wer sie sind. So auch geschehen mit den drei Wissenschaftern in Dürrenmatts Drama «Die Physiker». Der eine meint, er sei Albert Einstein. Der andere meint auch, er sei Einstein, behauptet aber, er sei Newton, um den ersten nicht zu verwirren. Und der andere ist einfach Möbius (muss man nicht kennen). Offenbar haben die drei nicht alle Tassen im Schrank, weshalb sie auch im Sanatorium von Dr. Mathilde von Zahnd sind. Und da spielt sich die Komödie ab. Die Bühne ist vom Regisseur geschickt eingerichtet: jegliche normale und universal gültige Perspektive wird verschoben. Es gibt nur eine Türe, die sich aber nie öffnen lassen will. Und weil der Entdecker der Gravitation im Raum steht, müssen die Schauspieler die Bühne kletternd verlassen und fallen hinten runter. Schräg. Aber sehr gelungen. Alle drei Physiker haben etwas gemeinsam: Sie wollen ums Verrecken die Irrenanstalt nicht verlassen. Damit sie bleiben können, sind die Herren Einstein, Newton und Möbius durchaus bereit, hin und wieder eine Krankenschwester zu erdrosseln. Erst gegen Ende wird klar, weshalb sie alle so gerne bleiben wollen: Der Möbius hat eine unglaubliche physikalische Entdeckung gemacht und will diese schützen, indem er für krank gehalten wird. Die anderen beiden wissen von dieser Entdeckung und wollen sie haben. Damit sie nicht auffallen, tun sie so, als seien sie gestört. Das machen sie sehr überzeugend. Die Inszenierung ist sehr modern, sehr humorvoll. Einige Male zu oft besteht die Pointe darin, dass die Physiker auf den Boden fallen oder die Doktotorin einen Furz fahren lässt. Einige Szenen sind dermassen lustig, dass der ganze Saal laut am lachen ist. Zum Beispiel als ein Geistlicher mit seinen Schuhen den Takt klatscht und dazu rappend Bibelverse zitiert. Laut, schnell, grell und schrill. So kommen die Physiker in den Pfauen zurück. Dem Regiesseur ist es gelungen, die Komödie aus dem Jahre 1963 in das Jahr 2013 zu transformieren. Tipp der Redaktion: Damit die Geschichte auch wirklich verstanden wird, ist es ratsam, erst das Drama zu lesen (ist im Fall nicht so dick). Bildunterschrift: unten: Julia Kreusch, Susanne-Marie Wrage, Milian Zerzawy, Jan Bluthardt (als Herr Missionar Rose), Friederike Wagner; oben: Corinna Harfouch, Leandro Bärlocher, Alex Eastman, Marc Baumann Text: Simon Jacoby Weitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe .
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