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dieperspektive, die lesergenerierte Monatszeitung für Kunst, Kultur & Politik

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Igitt – Gehen Sie auch gerne in die Ferien? Sie fauler Sack!

Eine Saumode geht um in Europa. Es ist die Saumode, dass niemand mehr seine freie Zeit geniessen kann, ohne als fauler Sack bezeichnet zu werden. Man muss sich wehren, rechtfertigen und der Lächerlichkeit preisgeben.Ernstgenommen wird, wer viel arbeitet. Ganz im Sinne des calvinistischen Arbeitsethos soll durchgehend gearbeitet werden, Müssiggang wird pauschal verurteilt. Klar, das ist der feuchte Traum von jedem Volkswirtschaftler. Sie sorry aber äh, muss das so sein? Ist das dieser Fortschritt von dem alle immer reden?Jetzt schnell ein Abo machen und die neue Ausgabe von dieperspektive zum Thema «Müll/Träsh» schon bald im Briefkasten haben.Hier für nur 30 Stutz pro Jahr.  Wir schreiben das Jahr 1930, der heute weltberühmte Ökonom John Maynard Keynes prophezeite, dass die Menschen in hundert Jahren nur noch 15 Stunden pro Woche arbeiten. Wie bitte? Davon sind wir noch weit entfernt. Im Schnitt arbeiten die Schweizer knapp 42 Stunden pro Woche. Seit 1990 bedeutet dies eine minimale Abnahme von 0.7 Stunden. In der gleichen Zeit stieg das BIP (Kaufkraft bereinigt) um über 31’000 Franken pro Person! Am Geld kann es also nicht liegen, dass wir so viel arbeiten. Eigentlich ist es ein Witz.Es geht also um Moral. Es gilt: Wer sich dem Diktat der Ökonomie total unterwirft, führt ein gutes Leben. Es geht um Makellosigkeit und Sauberkeit. Abgeschliffene Roboter, die ihrer Karriere nachrennen. Das Klima wird geschürt. Wer oft in den Ferien ist, gilt als einer, der immer nur das Leben geniesst. Ja und? Der Verdienst der Arbeit darf nicht verprasst werden. Beispiel: Vor einigen Wochen war der grüne Nationalrat Glättli bei Schawinski im Radio. Vom Moderator in die Ecke gedrängt, musste er sich rechtfertigen: «Doch, Politiker haben im Fall viel zu tun. Und auch wenn wir mal was Lustiges zusammen machen, dient das immer dem Volkswillen.» Das stimmt doch nicht! Und es ist gut, dass es nicht stimmt.Niemand, der sich ein bisschen auskennt, wird die hohe die Arbeitslast eines Nationalrates (und Fraktionspräsidenten) anzweifeln. Ja, auch der Lohn ist nicht schlecht (gut 100’000 Franken). Ja und? Auch Politiker dürfen Ferien machen und ihre Freizeit geniessen. Schliesslich gestalten sie unser Land. Warum muss man sich verteidigen, wenn man sich mal Pause gönnt?Morgens um sieben oder acht Uhr sind die Trams und Busse überfüllt. Und wie geht es den Menschen darin? Sind alle freudig und fröhlich? Oh nein, gähnende Münder und rote Augen überall. Warum stehen alle so früh auf, wenn es niemandem gefällt? Nicht wegen ökonomischer Notwendigkeit, sondern weil wir meinen, wir wären gute Menschen, wenn wir viel arbeiten.Das ist auch der absurde Grund, weshalb wir – das Stimmvolk – uns immer wieder gegen die eigenen Interessen wehren. Sechs Wochen Ferien für alle? Wir sagten nein und üben uns in Selbstkasteiung. 4000 Franken Mindestlohn? Viele aus den Gatsro-Betrieben und anderen Tieflohnbranchen werden sich am 18. Mai dagegen wehren. Warum? Haben sie Angst vor hohen Löhnen? Das Diktat der Wirtschaft hat uns fest im Griff.Es geht nicht darum, jene zu verurteilen, die gerne viel arbeiten und sich nie etwas gönnen wollen. Es geht darum, dass man nicht sozial geächtet werden sollte, wenn man mal Pause macht und nur faul rum liegt. Es ist nicht gesund, immer möglichst beschäftigt zu sein und unter Leistungsdruck zu stehen.Macht mal Pause, steht dazu und stopft all jenen die Münder, die sich darüber lustig machen.Text: Simon JacobyBild. PIXELIOWeitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe.

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