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Let's Talk About Sex

Let's Talk About Sex

«Let’s talk about Sex, baby/Let’s talk about you and me/Let’s talk about all the good things/And the bad things that may be.» – Dieser Refrain des Songs «Let’s Talk About Sex» von Salt ’n’ Pepa fand sich 1991 immerhin eine Woche auf Platz 1 der Schweizer Charts – zu einer Zeit namentlich als Gangsta-Rap populär wurde und kurz bevor Alben wie Doggystyle (Snoop Doggy Dogg, 1993) erschienen.So hat «Let’s Talk About Sex» auch zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen, trotz seines chauvinistischen Restbestands in Form des Worts «baby», nichts an Aktualität eingebüsst, wenn es um das Verhältnis zwischen Männern und Frauen geht. Ein Verhältnis, das unter Titeln wie Gleichberechtigung oder Gleichstellung zu fassen und immer noch neu zu bestimmen versucht wird. Dass dieses Verhältnis nach wie vor Anlass zu Diskussionen gibt, lädt dazu ein, einmal eine neue Perspektive auszuloten.Jetzt schnell ein Abo machen und die neue Ausgabe von dieperspektive zum Thema «Von A bis Sex» schon bald im Briefkasten haben. Hier für nur 30 Stutz pro Jahr.Ein – vor allem auch in den Medien – allzu oft besprochener Teilbereich dieser Gleichstellungs-Debatte betrifft die Lohngleichheit. De iure (seit 32 Jahren sogar in der Schweizer Bundesverfassung) ist die Lohngleichheit nämlich längst verankert. De facto ist es immer noch so, dass Frauen durchschnittlich 18.4% weniger verdienen als Männer (Medianlohn bei gleicher Anforderung). Branchenspezifischer Spitzenreiter mit 33% Lohnungleichheit ist der hochgelobte Schweizer Finanzsektor: die wahre Bling-Bling-Gang. Ganz zu schweigen davon, dass Frauen in wirtschaftlichen Führungspositionen – und vor allem auch in der Bankenwelt, einem Männerklüngel sondergleichen – nach wie vor untervertreten sind.Das ist ein eigenartiger Zustand für einen Rechtsstaat, denn offensichtlich wird dem Recht nicht Folge geleistet. Weshalb? Vielleicht wird die Diskussion zu einseitig geführt, rein auf der wirtschaftlichen und rechtlichen Ebene. Die Diskussion über die Gleichheit zwischen Mann und Frau muss aber alle Aspekte des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern beinhalten – auch Sex, wie Salt ’n’ Pepa es gefordert haben. Das heisst nicht, dass nun alle ihr persönliches Sexualleben in der Öffentlichkeit breitzuwalzen hätten. Die Werbung genannte Softpornographie tut schon genug dafür, dass Sex in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Nicht auf die beste Art. Die Werbung stilisiert alle zu Hochleistungsverführerinnen und -verführern, anstatt die Leute als Alltagsfickerinnen und Alltagsficker ernst zu nehmen. Soziale Klischees werden damit einmal mehr zementiert. Ganz allgemein. Aber zu sprechen wäre über persönliche Sexualpraktiken. Sexualpraktiken zwischen zwei Menschen: «you and me».Die Werbung mit ihrem Leitspruch «Sex sells» und die private Sexualpraxis eines durchschnittlichen Pärchens spannen den Rahmen für diese Debatte, und vielleicht weit darüber hinaus. Der Rahmen zwischen «all the good things and the bad things that may be». In diesem gilt es ebenso über Pornographie, emontionslosen, reinen Sex und das von Salt ’n’ Pepa propagierte Liebesideal zu diskutieren – statt Initiativen zum Verbot von Sexualkunde zu lancieren: Ist «just sex» dasselbe wie «making love»? Gaukeln wir uns mit «making love» vielleicht etwas vor? Wären Sex und Liebe vielleicht zu trennen? Und was ist überhaupt ein Pärchen? Entscheidender noch als eine öffentliche Diskussion über dieses Thema ist natürlich das Gespräch im Schlafzimmer – eben weil sich das Sexualleben grösstenteils immer noch zwischen zwei Menschen abspielt.Über die Bettgewohnheiten der werten Damen und Herren wird hingegen kaum gesprochen – und der Verdacht, in dieser Sache falle auch privat kaum ein Wort, liegt nahe. Dass Elfriede Jelinek 2004 für ihre schonungslose Darstellung sexueller Praktiken und Klischees den Nobelpreis erhielt, ist dafür der ironische Beweis. Neben allen anderen Gründen Jelinek den Preis zu verleihen, zeigt diese Vergabe, dass das Thema Sex im privatesten Sinn die Gesellschaft offensichtlich im Schritt juckt. Die Drastik, mit der sie in ihrem meistverkauften Buch „Lust“ die Sexualpraxis eines Direktors mit seine Frau darstellt, ist (den Faden des Salt ’n’ Pepa Songs 13 Jahre danach wieder aufnehmend) ein Tabubruch sondergleichen. Auf 250 Seiten wird ein ums andere Mal wiederholt, wie der Herr Direktor im feinen Anzug über Mittag seine Frau kurzerhand über den Tisch legt, sie über den Badewannenrand drückt, ihr den Schwanz in den Mund stopft und sie hart von Hinten nimmt – Gangsta-Rap im Bürgertum. Die Geisteshaltung, die aus einer solchen Figur spricht, braucht wohl kaum erläutert zu werden.Nicht zuletzt könnte darin aber eine Antwort auf die Frage nach der Lohngleichheit liegen: Warum ist Lohngleichheit de iure gegeben aber de facto nicht? Darauf lässt sich bloss mit einer rhetorischen Gegenfrage antworten: Aber weshalb sollte der Herr Direktor einer weiblichen Angestellten auch den gleichen Lohn zahlen wie einem männlichen Angestellten, wenn er zu Hause seine Frau immer nur hart von hinten ran nimmt? Und das macht die schon recht alte Forderung von Salt ’n’ Pepa, im Sinne der Gleichstellung über Sex zu sprechen, nur noch dringlicher.Text: Fabian SchwitterWeitere Artikel auf dieperspektive.ch oder in der Printausgabe.

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