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REG. DICH. NICHT. AAAAUUUUUUFFFF!!!!!!!!!!!!!!!!!: Frau Bitterbös 20 - Die Welt ist schlecht oder eine Zürcherin Mitte 30 geht mit dem Leben um.
Letztens sitz ich so im Bus 31, auf dem Weg nach Hause am Feierabend. Schräg hinter mir sitzt eine junge Frau, und sie spricht die ganze Fahrt über in ihr iphone, und zwar so laut, als müsste sie direkt von Zürich nach Kinshasa rufen, ohne Verstärker: "Heyyy, nääääiiii, reg di nöd uuf, gäääälll??!! Das isch nöd guet für d Gsundheit! Reg di nöd uuf, näi! Dänk eifach nid dra! Ganz jetzt is Bett und schlaf echli, gääll? Das lohnt sich nöd, sich ufrege."
Jep.
Das ist ja so einer meiner Lieblings-Ratschläge überhaupt: "Reg di nöd uuf!"
Klar, ganz toll! Wenn mich etwas negativ emotional berührt, wie bitte soll ich das denn verhindern?? Indem ich mir das ganz fest vornehme oder was??
Mir wird das Velo vor der Haustür geklaut.
Ja, easy, nicht so schlimm, ist ja nur ein Velo. Ist ja nur MEIN Velo. DAS Velo, das ich gerade beim Mech hab aufrüsten lassen. Mit dem neuen, ergonomischen Gel-Sattel drauf.
Ich werd für den Job abgelehnt, für den ich mich intern beworben hab.
Pfffff, macht ja nichts, ich mag's dem Kollegen ja gönnen, der an meiner Statt das Rennen gemacht hat. Er kann zwar nichts und ist ein soziopathisches Arschloch, aber easy, ich freu mich für ihn. Ganz ehrlich.
Mein Freund lässt mich für eine andere sitzen.
Aufregen? Ne-heeeiiinn, ganz sicher nicht!! Das ist schlecht fürs Herz und gibt Pickel! Also, lieber gehörnt und Single als Herzbeschwerden und Pickel, oder? Und ich meine, vielleicht ist seine Neue halt einfach viel hübscher und klüger als ich, wer kann es ihm da schon verdenken? Ist doch menschlich. Hauptsache, mein Ex ist glücklich. Das wünsch ich ihm. Echt jetzt.
Meine Wohnung brennt ab.
Naja, aufregen bringt all meine Dokumente, meine Kleider, Schuhe, Fotos, meinen sauteuren Designer-Kaffeetisch, mein ibook und mein ipad plus externe Festplatte ja auch nicht mehr zurück. Also einfach easy nehmen. Hauptsache ich lebe noch, auch wenn mein Leben jetzt scheisse ist. Kein Grund zu motzen, nein. Alles cool. Easy.
Comooooon!!!! Seriously??!!
Wer bitte schafft es, sich in so einer Situation NICHT aufzuregen?? Ich meine, das ist genau so absurd, wie wenn man jemandem einen Witz erzählt und dann sagt: "Aber nöd lache, gäll? Lache bringt nüt, das git nur Falte um d Auge. Nöd lache, nääii nääääiiii! Das lohnt sich nöd."
Ich weiss ja, dass solche Ratschläge nur gut gemeint sind. Ein Ausdruck von Mitgefühl. Und ja, ich weiss auch, dass ich den Satz selber auch schon öfter gebraucht habe, wenn ich trösten wollte: "Reg di nöd uuf!"
Wohlwissend, dass das gar nicht geht.
Drum bitte künftig: SCHNAUZE!!!
Denn je mehr ich versuche, mich nicht aufzuregen, desto mehr GEHT IHR UND EURE RATSCHLÄGE MIR EINFACH SO RICHTIG MEGAMÄSSIG AUF DEN SACK, HUERESIECHGOPFERTELLIFUCKARSCHLOCHWICHSERSCHEISSENOMAL!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Du bist, was du isst: Frau Bitterbös 19 - Die Welt ist schlecht oder eine Zürcherin Mitte 30 geht mit dem Leben um.
Lebensmittel shoppen in Zürich.
Es ist immer dasselbe Bild.
SIE stehen verdächtig lange vor der Auslage mit dem Frischgemüse. Mit den saisonalen Früchten. SIE, Frauen und Männer in dem Altersrange, indem man sich noch gehörig Mühe gibt, um äusserlich was herzumachen. SIE in skinny Jeans und gertenschlank. ER mit Hipsterbart und Nerd-Brille. Aufmerksam begutachten sie den Bio-Stangensellerie von allen Seiten, der schönste wandert ins Körbli, neben die Granny Smith und den Bund Basilikum. Dazu noch ein paar frische Bio-Tomaten, die passen so gut zum exquisiten italienischen Büffelmozzarella und dem sauteuren Bio-Olivenöl aus der Feinkostabteilung. Weiter zum Kühlregal und dort gezielt nach dem Bio-Nature-Joghurt (der grosse Becher), der Bio-Vollmilch und dem MSC-Seelachsfilet gegriffen. Auch ein Würfel Seidentofu muss mit. Und als Belohnung dann noch die Schoggiguetzli mit der Knospe drauf, aber nur EIN Päckli.
Zürcherinnen und Zürcher ernähren sich offensichtlich gerne gesund, exquisit und nachhaltig. Das sieht man ihnen auch an. Ein Freund von mir hat mal gesagt, es gäbe nirgends so viele (zu) schlanke Frauen wie in Zürich. Er steht auf molligere, er musste deshalb eine Auswärtige heiraten.
Gesundes, frisches, qualitativ hochwertiges Essen ist hip - klar, warum auch nicht? Wir können es uns hier schliesslich auch leisten und die Auswahl ist riesig.
Ja, das ist toll.
Denn SIE kochen offenbar auch gerne. Lieben es, stundenlang Gemüse zu schnippeln. Seidentofu in selbst gemachter Marinade einzulegen. Einen Apfel statt zwei Tafeln Schokolade als Dessert zu nehmen. SIE rühren die Salatsauce immer selber an, mit Bio-Mayo und Bio-Senf.
Ich nicht.
Ich kann nicht kochen und habe keine Geduld. Ich bin kein Feinschmecker, meine Geschmacksknospen spüren leider keinen Unterschied zwischen Bio und Gift. Ich liebe alles, was aus Dosen kommt. Was kein Verfallsdatum hat. Was sich easy mit Wasser in eine geniessbare Mahlzeit verwandelt. Und alles mit ganz viel Zucker und E-Nummern.
Früchte? Wääähh!! Die verfaulen bei mir regelmässig auf dem Küchentisch. Und sie liegen auch nur da, weil mich beim Einkaufen wieder mal kurz das schlechte Gewissen packte.
Du bist, was du isst.
Also, eigentlich bin ich tot.
Ok, nicht ganz, aber sicher ein Alien. Vom Planeten Knorr.
Denn so fühl ich mich im Coop jeweils zwischen IHNEN, diesen gesundheitsbewussten, schönen, hippen Zürcher Superköchen - ich, mit meinem Körbli voll Tiefkühllasagne, Instant-Nudelsuppe, Stocki und vier Tafeln Schokolade (sorry, die mit Marzipan gibt's nicht in Bio).
Lebensmittel shoppen in Zürich.
Es ist immer dasselbe Bild.
SIE stehen verdächtig lange vor der Auslage mit dem Frischgemüse. Mit den saisonalen Früchten. SIE, Frauen und Männer in dem Altersrange, indem man sich noch gehörig Mühe gibt, um äusserlich was herzumachen. SIE in skinny Jeans und gertenschlank. ER mit Hipsterbart und Nerd-Brille. Aufmerksam begutachten sie den Bio-Stangensellerie von allen Seiten, der schönste wandert ins Körbli, neben die Granny Smith und den Bund Basilikum. Dazu noch ein paar frische Bio-Tomaten, die passen so gut zum exquisiten italienischen Büffelmozzarella und dem sauteuren Bio-Olivenöl aus der Feinkostabteilung. Weiter zum Kühlregal und dort gezielt nach dem Bio-Nature-Joghurt (der grosse Becher), der Bio-Vollmilch und dem MSC-Seelachsfilet gegriffen. Auch ein Würfel Seidentofu muss mit. Und als Belohnung dann noch die Schoggiguetzli mit der Knospe drauf, aber nur EIN Päckli.
Zürcherinnen und Zürcher ernähren sich offensichtlich gerne gesund, exquisit und nachhaltig. Das sieht man ihnen auch an. Ein Freund von mir hat mal gesagt, es gäbe nirgends so viele (zu) schlanke Frauen wie in Zürich. Er steht auf molligere, er musste deshalb eine Auswärtige heiraten.
Gesundes, frisches, qualitativ hochwertiges Essen ist hip - klar, warum auch nicht? Wir können es uns hier schliesslich auch leisten und die Auswahl ist riesig.
Ja, das ist toll.
Denn SIE kochen offenbar auch gerne. Lieben es, stundenlang Gemüse zu schnippeln. Seidentofu in selbst gemachter Marinade einzulegen. Einen Apfel statt zwei Tafeln Schokolade als Dessert zu nehmen. SIE rühren die Salatsauce immer selber an, mit Bio-Mayo und Bio-Senf.
Ich nicht.
Ich kann nicht kochen und habe keine Geduld. Ich bin kein Feinschmecker, meine Geschmacksknospen spüren leider keinen Unterschied zwischen Bio und Gift. Ich liebe alles, was aus Dosen kommt. Was kein Verfallsdatum hat. Was sich easy mit Wasser in eine geniessbare Mahlzeit verwandelt. Und alles mit ganz viel Zucker und E-Nummern.
Früchte? Wääähh!! Die verfaulen bei mir regelmässig auf dem Küchentisch. Und sie liegen auch nur da, weil mich beim Einkaufen wieder mal kurz das schlechte Gewissen packte.
Du bist, was du isst.
Also, eigentlich bin ich tot.
Ok, nicht ganz, aber sicher ein Alien. Vom Planeten Knorr.
Denn so fühl ich mich im Coop jeweils zwischen IHNEN, diesen gesundheitsbewussten, schönen, hippen Zürcher Superköchen - ich, mit meinem Körbli voll Tiefkühllasagne, Instant-Nudelsuppe, Stocki und vier Tafeln Schokolade (sorry, die mit Marzipan gibt's nicht in Bio).
Reclaim your brains!: Frau Bitterbös 17 - Die Welt ist schlecht oder eine Zürcherin Mitte 30 geht mit dem Leben um.
"Liebe" Initianten der Krawalle vom 12. Dezember im Langstrassenquartier und in der Europaallee. Ich gehöre zu den "Auserwählten", die kurz vor dem Jahresende noch euer anonymes Pamphlet im Briefkasten vorgefunden haben. Ein Schreiben, mit welchem ihr eure jüngste Aktion von "Reclaim the Streets" rechtfertigt.
Ich lese also: "Gegen die Stadt der Reichen", so der Titel, ein "Vorschlag für einen Kampf gegen die städtischen Umstrukturierungsprozesse in Zürich". Es folgt die ausführliche Erklärung: all die Luxuswohnungen und Schickimicki-Geschäfte in Zürich würden die ärmere Bevölkerung zunehmend in "die für sie zugerichteten Schlafghettos am Rande der Stadt" verdrängen. So werde ein sozialer Konflikt angeheizt, eine Trennung in Besitzende und Ausgebeutete, Privilegierte und Ausgeschlossene. Die Politik und die Reichen wollten den sozialen Raum verwalten, um zu vermeiden, dass die einen zurückholten, was ihnen entrissen oder vorenthalten würde. Dagegen müsse man sich wehren, und zwar jeder so, wie er es am besten könne, denn "die physische Dimension von solchen selbstverwalteten Kampfstrukturen ist verschieden denkbar".
Daneben folgt eine detaillierte Beschreibung der Krawalle vom 12. Dezember: nein nein, man habe nicht "ziel- und wahllos" Scheiben eingeschlagen und Fassaden zerstört, wie immer von den Medien vorgeworfen. Man habe sich GEZIELT auf die Europaallee konzentriert, mit ihren edlen Restaurants und Läden. So nebenbei seien dann noch zwei Weihnachtsbäume verbrannt worden, "ein Fest, das die zerstörerische Kreativität von so einigen inspirierte und das hundertmal mehr Lebendigkeit und Schönheit ausstrahlt als das geschmacklose 'Fest der Liebe'". Die Krawalle seien nur ein "Beispiel davon, was möglich ist - und noch wäre!" Und natürlich "nimmt man damit bewusst Körperverletzungen in Kauf", die Polizei mache das mit ihrem Tränengas und Gummischrot ja genauso.
Dazu gibt es ein paar Fotos aus jener Nacht, von zerstörten Schaufenstern, versprayten Wänden und herausgerissenen Stromkästen.
Aha.
Also, ich lerne aus euren acht Seiten: in der Stadt Zürich ist Krieg. Und Gewalt ist ok.
Ich habe noch selten so einen Schrott gelesen!
Erstmals möchte ich festhalten: ja, auch mir macht die Stadtentwicklung Sorge. In Zürich kann man den Mietpreisen beim Steigen zuschauen. Die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung dauert hier oft Monate, unzählige Male darf man sich bei der Besichtigung mit 100 anderen in die Schlange vor dem Haus einreihen und geht dann ja doch leer aus.
Als Familie in der Stadt Zürich wohnen? Wohl kaum. Sind Kinder unterwegs, müssen viele in die Agglo ausweichen.
Ja, das ist ein Fakt und es ist nicht lustig und schon gar nicht Ordnung. Da muss etwas geschehen, zweifellos. Und das erfordert Engagement.
Aber Gewalt? I doubt it!!
Es geht hier doch nicht darum, einen Despoten zu stürzen oder Geiseln zu befreien! Ihr wollt Krieg spielen? Geht nach Syrien, dort haben die Leute aber auch wirklich allen Grund, sich mit Gewalt zu wehren!!
Herrgott, macht doch mal die Augen auf, zieht euch eure scheiss Masken vom Gesicht! Wir sind verdammt verwöhnt hier und können uns auch anders wehren! Aber das erfordert halt ein bisschen Hirn und Ausdauer und Strategie, etwas, worüber ihr Idioten (ja, das seid ihr, auch wenn ihr es nicht gerne hört, aber wie wollt ihr denn lieber genannt werden? "Helden"? "Lebensretter"?? Nicht im Ernst, oder??) offensichtlich nicht verfügen.
Was genau hat die Gewalt vom 12. Dezember gebracht? Ausser, dass der Kreis 4, in dem ich zufälligerweise wohne, jetzt zum Kotzen aussieht? Auf Schritt und Tritt verkritzelte Fassaden, mit so total geistreichen Sprüchen wie "Sommaruga? Knieschuss!", "Fuck Cops!" und "FCZ" (ich habe nicht genau verstanden, wie ein Fussballclub uns "Raum und Zeit, die uns entrissen wurden, zurückerobern" sollen, erklärt mir das doch bitte mal). Danke auch für das, es ist immer uuh schön, nach Hause zu kommen. Ich schwanke bei diesem Anblick stets zwischen dem Drang, den Putzlappen hervorzuholen oder bei euch als Rechtschreibe-Lehrerin anzuheuern.
Was glaubt ihr denn? Dass sich eure verhassten Banken, Politiker und Reichen nun sagen: "Ooooohhh, die haben alles kaputt gemacht! Ja, gut, easy, dann richten wir jetzt halt ganz viele billige Wohnungen ein und schaffen das kommerzielle Weihnachtsgeschäft ab, no problem"?
Und wieso motzt ihr über all die Luxuswaren in den Schaufenstern, wenn ihr dann die Scheiben einschlagt und selber "die Hände nach dem, was dahinter ist, ausstreckt"? Echt, Perlenketten gehören also zu den Dingen, die euch "entrissen und vorenthalten" werden? Euch geht es aber gut!
Ausserdem: euch ist schon klar, wer den Schaden, die ihr in jener Nacht angerichtet habt, bezahlen wird, oder? Ja, wir alle nämlich. Obwohl ich bei euch bezweifle, dass ihr arbeitet und Steuern bezahlt, weil ihr wohl glaubt, die Stadt muss euch einfach ALLES gratis geben. Aber so einfach funktioniert das Leben halt leider auch nicht, es ist ein Geben und Nehmen.
Das mag vielleicht nicht immer ganz gerecht und ausgewogen sein in dieser Stadt und wohl überall auf der Welt, da geb ich euch Recht. Aber vermummt, brandschatzend und Steine werfend durch die Stadt zu ziehen ("keine Forderung ist sichtbar" und "keine Täter identifizierbar"), ist es ganz bestimmt auch nicht. Es ist feig und sinnlos.
Und ehrlich gesagt, macht es mich auch verdammt traurig. Ich liebe Zürich trotz allem, ich denke, diese Stadt bietet unheimlich viele Möglichkeiten - und ihr tretet das mit Füssen! Wir sind hier nicht im Krieg - aber ihr zettelt gerade einen an! Ihr seid einfach zu faul, euch anzustrengen und den demokratischen Weg zu wählen (in wie vielen Städten und Ländern sonst steht euch diese Möglichkeit zur Verfügung, schon mal darüber nachgedacht??) Euch ist doch einfach nur langweilig und ihr lasst euren Frust raus, wie verzogene Kinder im Sandkasten: Einfach mal schnell alles das kaputt machen, was man selber gern hätte, die Sandburg des anderen zertreten und sein Dreirad demolieren. Sehr reif, wirklich! Und ihr wollt in dieser Stadt das Zepter übernehmen und "unsere Interessen repräsentieren"? Nee, du, da sind mir die Banken und Parteien aber lieber!
Also, bitte: Reclaim you BRAINS!! Und verschont mich das nächste Mal bitte mit so dämlicher Post, ja?
Danke und guets Neus!
"Liebe" Initianten der Krawalle vom 12. Dezember im Langstrassenquartier und in der Europaallee. Ich gehöre zu den "Auserwählten", die kurz vor dem Jahresende noch euer anonymes Pamphlet im Briefkasten vorgefunden haben. Ein Schreiben, mit welchem ihr eure jüngste Aktion von "Reclaim the Streets" rechtfertigt.
Ich lese also: "Gegen die Stadt der Reichen", so der Titel, ein "Vorschlag für einen Kampf gegen die städtischen Umstrukturierungsprozesse in Zürich". Es folgt die ausführliche Erklärung: all die Luxuswohnungen und Schickimicki-Geschäfte in Zürich würden die ärmere Bevölkerung zunehmend in "die für sie zugerichteten Schlafghettos am Rande der Stadt" verdrängen. So werde ein sozialer Konflikt angeheizt, eine Trennung in Besitzende und Ausgebeutete, Privilegierte und Ausgeschlossene. Die Politik und die Reichen wollten den sozialen Raum verwalten, um zu vermeiden, dass die einen zurückholten, was ihnen entrissen oder vorenthalten würde. Dagegen müsse man sich wehren, und zwar jeder so, wie er es am besten könne, denn "die physische Dimension von solchen selbstverwalteten Kampfstrukturen ist verschieden denkbar".
Daneben folgt eine detaillierte Beschreibung der Krawalle vom 12. Dezember: nein nein, man habe nicht "ziel- und wahllos" Scheiben eingeschlagen und Fassaden zerstört, wie immer von den Medien vorgeworfen. Man habe sich GEZIELT auf die Europaallee konzentriert, mit ihren edlen Restaurants und Läden. So nebenbei seien dann noch zwei Weihnachtsbäume verbrannt worden, "ein Fest, das die zerstörerische Kreativität von so einigen inspirierte und das hundertmal mehr Lebendigkeit und Schönheit ausstrahlt als das geschmacklose 'Fest der Liebe'". Die Krawalle seien nur ein "Beispiel davon, was möglich ist - und noch wäre!" Und natürlich "nimmt man damit bewusst Körperverletzungen in Kauf", die Polizei mache das mit ihrem Tränengas und Gummischrot ja genauso.
Dazu gibt es ein paar Fotos aus jener Nacht, von zerstörten Schaufenstern, versprayten Wänden und herausgerissenen Stromkästen.
Aha.
Also, ich lerne aus euren acht Seiten: in der Stadt Zürich ist Krieg. Und Gewalt ist ok.
Ich habe noch selten so einen Schrott gelesen!
Erstmals möchte ich festhalten: ja, auch mir macht die Stadtentwicklung Sorge. In Zürich kann man den Mietpreisen beim Steigen zuschauen. Die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung dauert hier oft Monate, unzählige Male darf man sich bei der Besichtigung mit 100 anderen in die Schlange vor dem Haus einreihen und geht dann ja doch leer aus.
Als Familie in der Stadt Zürich wohnen? Wohl kaum. Sind Kinder unterwegs, müssen viele in die Agglo ausweichen.
Ja, das ist ein Fakt und es ist nicht lustig und schon gar nicht Ordnung. Da muss etwas geschehen, zweifellos. Und das erfordert Engagement.
Aber Gewalt? I doubt it!!
Es geht hier doch nicht darum, einen Despoten zu stürzen oder Geiseln zu befreien! Ihr wollt Krieg spielen? Geht nach Syrien, dort haben die Leute aber auch wirklich allen Grund, sich mit Gewalt zu wehren!!
Herrgott, macht doch mal die Augen auf, zieht euch eure scheiss Masken vom Gesicht! Wir sind verdammt verwöhnt hier und können uns auch anders wehren! Aber das erfordert halt ein bisschen Hirn und Ausdauer und Strategie, etwas, worüber ihr Idioten (ja, das seid ihr, auch wenn ihr es nicht gerne hört, aber wie wollt ihr denn lieber genannt werden? "Helden"? "Lebensretter"?? Nicht im Ernst, oder??) offensichtlich nicht verfügen.
Was genau hat die Gewalt vom 12. Dezember gebracht? Ausser, dass der Kreis 4, in dem ich zufälligerweise wohne, jetzt zum Kotzen aussieht? Auf Schritt und Tritt verkritzelte Fassaden, mit so total geistreichen Sprüchen wie "Sommaruga? Knieschuss!", "Fuck Cops!" und "FCZ" (ich habe nicht genau verstanden, wie ein Fussballclub uns "Raum und Zeit, die uns entrissen wurden, zurückerobern" sollen, erklärt mir das doch bitte mal). Danke auch für das, es ist immer uuh schön, nach Hause zu kommen. Ich schwanke bei diesem Anblick stets zwischen dem Drang, den Putzlappen hervorzuholen oder bei euch als Rechtschreibe-Lehrerin anzuheuern.
Was glaubt ihr denn? Dass sich eure verhassten Banken, Politiker und Reichen nun sagen: "Ooooohhh, die haben alles kaputt gemacht! Ja, gut, easy, dann richten wir jetzt halt ganz viele billige Wohnungen ein und schaffen das kommerzielle Weihnachtsgeschäft ab, no problem"?
Und wieso motzt ihr über all die Luxuswaren in den Schaufenstern, wenn ihr dann die Scheiben einschlagt und selber "die Hände nach dem, was dahinter ist, ausstreckt"? Echt, Perlenketten gehören also zu den Dingen, die euch "entrissen und vorenthalten" werden? Euch geht es aber gut!
Ausserdem: euch ist schon klar, wer den Schaden, die ihr in jener Nacht angerichtet habt, bezahlen wird, oder? Ja, wir alle nämlich. Obwohl ich bei euch bezweifle, dass ihr arbeitet und Steuern bezahlt, weil ihr wohl glaubt, die Stadt muss euch einfach ALLES gratis geben. Aber so einfach funktioniert das Leben halt leider auch nicht, es ist ein Geben und Nehmen.
Das mag vielleicht nicht immer ganz gerecht und ausgewogen sein in dieser Stadt und wohl überall auf der Welt, da geb ich euch Recht. Aber vermummt, brandschatzend und Steine werfend durch die Stadt zu ziehen ("keine Forderung ist sichtbar" und "keine Täter identifizierbar"), ist es ganz bestimmt auch nicht. Es ist feig und sinnlos.
Und ehrlich gesagt, macht es mich auch verdammt traurig. Ich liebe Zürich trotz allem, ich denke, diese Stadt bietet unheimlich viele Möglichkeiten - und ihr tretet das mit Füssen! Wir sind hier nicht im Krieg - aber ihr zettelt gerade einen an! Ihr seid einfach zu faul, euch anzustrengen und den demokratischen Weg zu wählen (in wie vielen Städten und Ländern sonst steht euch diese Möglichkeit zur Verfügung, schon mal darüber nachgedacht??) Euch ist doch einfach nur langweilig und ihr lasst euren Frust raus, wie verzogene Kinder im Sandkasten: Einfach mal schnell alles das kaputt machen, was man selber gern hätte, die Sandburg des anderen zertreten und sein Dreirad demolieren. Sehr reif, wirklich! Und ihr wollt in dieser Stadt das Zepter übernehmen und "unsere Interessen repräsentieren"? Nee, du, da sind mir die Banken und Parteien aber lieber!
Also, bitte: Reclaim you BRAINS!! Und verschont mich das nächste Mal bitte mit so dämlicher Post, ja?
Danke und guets Neus!
Ich bin alt: Frau Bitterbös 16 - Die Welt ist schlecht oder eine Zürcherin Mitte 30 geht mit dem Leben um.
Ich sitze beim Coiffeur. Die sehr nette, sehr hippe und sehr redegewandte Coiffeuse fragt, ob sie mich duzen darf. Klaro, bin ja nicht von vorgestern! Und ausserdem sind wir so ziemlich auf einer Wellenlänge, sprechen über unsere Pläne für Sylvester, unsere Lieblings-Bars in Zürich, die neusten Pop-Hits am Radio. Zwei junge Frauen halt. Dann wäscht sie mir die Haare und schaut mir dabei bewundernd ins Gesicht.
"Hey, dis Nasepiercing isch meeeeegaa cool, wo häsch das mache lah?"
Ich so: "Weiss gar nicht mehr, ist schon 20 Jahre her."
Schweigen.
Dann die Coiffeuse so: "Hihi, echt? Da war ich noch gar nicht auf der Welt!"
Cool. You made my day, merci! Nun bin ich also offiziell ALT!! Eine gepiercte OMA!!!
Darf man in meinem Alter eigentlich überhaupt noch ein Loch in der Nase haben?? Und das im Bauchnabel?? Muss das auch weg??
Keine engen Jeans mehr?? Keine Turnschuhe?? Wird's jetzt langsam Zeit für Krause-Senn und C&A?? Badeanzug statt Bikini??
In die Ferien mit dem Rollkoffer statt mit dem Rucksack?? Familienhotel statt Airbnb??
Nur noch Kino und gemeinsam Kochen mit Freunden statt feuchtfröhliche Gelage im Club??
Oh Gott, bin ich etwa langsam peinlich, so wie diese Mütter, die sich mit Mitte 50 endlich scheiden lassen und dann wieder mit der Teenie-Tochter in die Disco wollen, so mit Hotpants und Bauchfrei-Top???!!!
NICHT. LUSTIG!!!!!!!!
Das muss ich die Coiffeuse das nächste Mal fragen, wenn ich wieder zu ihr gehe, damit sie mir die grauen Haare überfärbt.
Ich sitze beim Coiffeur. Die sehr nette, sehr hippe und sehr redegewandte Coiffeuse fragt, ob sie mich duzen darf. Klaro, bin ja nicht von vorgestern! Und ausserdem sind wir so ziemlich auf einer Wellenlänge, sprechen über unsere Pläne für Sylvester, unsere Lieblings-Bars in Zürich, die neusten Pop-Hits am Radio. Zwei junge Frauen halt. Dann wäscht sie mir die Haare und schaut mir dabei bewundernd ins Gesicht.
"Hey, dis Nasepiercing isch meeeeegaa cool, wo häsch das mache lah?"
Ich so: "Weiss gar nicht mehr, ist schon 20 Jahre her."
Schweigen.
Dann die Coiffeuse so: "Hihi, echt? Da war ich noch gar nicht auf der Welt!"
Cool. You made my day, merci! Nun bin ich also offiziell ALT!! Eine gepiercte OMA!!!
Darf man in meinem Alter eigentlich überhaupt noch ein Loch in der Nase haben?? Und das im Bauchnabel?? Muss das auch weg??
Keine engen Jeans mehr?? Keine Turnschuhe?? Wird's jetzt langsam Zeit für Krause-Senn und C&A?? Badeanzug statt Bikini??
In die Ferien mit dem Rollkoffer statt mit dem Rucksack?? Familienhotel statt Airbnb??
Nur noch Kino und gemeinsam Kochen mit Freunden statt feuchtfröhliche Gelage im Club??
Oh Gott, bin ich etwa langsam peinlich, so wie diese Mütter, die sich mit Mitte 50 endlich scheiden lassen und dann wieder mit der Teenie-Tochter in die Disco wollen, so mit Hotpants und Bauchfrei-Top???!!!
NICHT. LUSTIG!!!!!!!!
Das muss ich die Coiffeuse das nächste Mal fragen, wenn ich wieder zu ihr gehe, damit sie mir die grauen Haare überfärbt.
Fuck you, biologische Uhr!: Frau Bitterbös 15 - Die Welt ist schlecht oder eine Zürcherin Mitte 30 geht mit dem Leben um.
Alle Jahre wieder.
Ich geh zu meiner Frauenärztin zur Kontrolle, und dann am Schluss, kurz bevor ich aufstehen und gehen will, kommt dieser ernste Blick über den Brillenrand und die Frage:
"Frau Bitterbös, wie gseht's dänn jetzt uus mit Chind bi Ihne?"
Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie hat mit dieser alljährlichen Frage begonnen, als ich so knapp über 30 war. Und seither wird sie jedes Jahr drängender. Also, die Frage, mein ich. Gut, die Frauenärztin eigentlich auch.
Sie weist mich sanft aber bestimmt darauf hin, dass meine biologische Uhr langsam abläuft.
Nun, glücklich die Frauen, die auf diese Frage ohne zu Zögern mit "Ui, Chind? Neeeeiiii, danke, ganz sicher nöd ich!!" beantworten können, denn sie müssen keinen weiteren müden Gedanken mehr daran verschwenden.
Glücklich auch diejenigen, die voll überzeugt "Ja, klar, unbedingt!" sagen können, denn sie haben wohl eh schon ein paar Kids zu Hause und nehmen jetzt vielleicht noch ihre letzte Chance wahr.
Unglücklich aber die Frauen, zu denen auch ich mich zähle. Denn sie antworten auf diese Frage mit: "Jeeiiiiinnn, aso, villicht, aso, ich weiss nöd... glaub scho. Aber nöd unbedingt. Glaub's."
So bis 30 war Mutter werden für mich ein absolutes No-Go. So ein Klotz ein Bein, gaht's no?? Ich will frei sein!
Ich arbeite viel und zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten des Tages. Ich tingle jedes Jahr durch die Weltgeschichte, flieg mal hier hin, mal da hin, mal kurz, mal lang. Ich habe aufwändige Hobbies, ich investiere mein Geld gerne in neue Kleider und Schuhe und Möbel, ich geh aus, wenn ich grad Lust hab, ich probiere dauernd irgendwas Neues aus, ein Sprachkurs hier, ein Tanzkurs da, und wenn ich frei hab, lieg ich auch einfach mal den ganzen Tag nur im Bett - kurz: ich führe ein egoistisches Leben ohne grosse Rücksicht auf andere und mache meistens, was mir grad passt. Das aufzugeben oder zumindest für eine gewisse Zeit hintenan zu stellen, fiele mir wohl nicht ganz so leicht.
Aber heute, wo ich unweigerlich auf diese magische Grenze von 40 zugehe, wo mir in Punkto Kinderkriegen schon bis zum Hals steht, ist mir klar: das ist alles vergänglich. Und proportional zu meinem Alter wächst auch das Verlangen nach etwas, das bleibt. Nach einem Abenteuer, das etwas länger anhält als gewohnt. Nach dem Weitergeben. Es muss nicht mehr alles ständig neu und ungewohnt und unverbindlich sein. Mit Mitte 30 und ein bisschen mehr schwindet bei mir langsam diese Panik vor der Biederkeit, der Langeweile und dem Stillstand. Ich hab Freude an meinem Gottemeitli, ich wüsste einen Namen für meine Tochter. Ok, Haus auf dem Land, Familienhotel und Aneinanderkleben gehen wirklich immer noch nicht, aber ich bin überzeugt, dass man Kinder auch anders grossziehen und sich einen Teil seiner Freiheit und Unabhängigkeit bewahren kann. Ja, vielleicht wär ich also bereit. Glaub's.
Kommen wir also zum eigentlichen Problem in dieser ganzen Sache und damit zum alljährlichen Standard-Anschlusssatz meiner Frauenärztin, der jeweils gleich auf die obige Frage folgt: "Wänn Sie jetzt dä richtig Partner händ, Frau Bitterbös, dänn warted Sie nöd länger!"
Tja, der "richtige" Partner war in all den Jahren der Hinweise auf meine schwindende Fruchtbarkeit halt eben noch nicht dabei.
Ansonsten gab es aber schon sämtliche Variationen: Männer, die Kinder wollten, aber nicht mit mir. Männer, die Kinder wollten, aber ich nicht mit ihnen. Männer, die keine Kinder wollten, aber mich auch nicht. Männer, die keine Kinder wollten, aber ich sie auch nicht. Und das häufigste Exemplar: Männer, die eigentlich schon vielleicht ganz gerne Beziehung und Kinder wollten glaub's, aber halt irgendwann mal und bloss nicht jetzt und bloss nicht so und überhaupt am liebsten gar nichts dafür ändern wollen im Leben und irgendwann kommt eh noch was Besseres.
Das heisst, diese Exemplare befinden sich immer noch in diesem Zustand wie ich damals mit 30, sind aber gut und gerne schon 10 Jahre drüber.
In dieser verfahrenen Situation steh ich nun also zwei möglichen Lösungsansätzen gegenüber:
Lösungsansatz 1: Ich entscheide mich ALLEIN für ein Kind und lass den Mann nach der Zeugung einfach weg.
Ja, bestimmt, so stell ich mir das Muttersein auch vor: alleinerziehend von Beginn weg! Die ganze Arbeit lastet auf mir! Ausserdem finde ich, ich bin meinem Kind einen anständigen, anwesenden Vater schuldig. Oder was soll ich dem Youngster dann später mal sagen? "Sorry, Schatz, häsch du kein richtige Papi. Aber er hät dich halt gar nie welle."
Ähä.
Lösungsansatz 1 fällt weg.
Lösungsansatz 2: Ich entscheide mich halt definitiv GEGEN ein Kind.
Fällt auch weg. Wenn ich das könnte, hätte ich es ja schon längst getan.
Scheisse.
Mann, die biologische Uhr ist aber auch so ein UNFAIRES ARSCHLOCH, echt!!!!!!!
Ich will verdammt nochmal auch so sein wie diese "Ich will ja schon aber nicht jetzt wääähhh Verantwortung"-Männer! Mich nicht entscheiden müssen!! Mir schön Zeit lassen mit dem Reifen, mit dem Hörner abstossen und so, denn ich kann mir ja dann mit 55 noch eine 25-jährige schnappen und mit der Kinder zeugen! Easy peasy, bloss keine Eile!!!
Das ist einfach voll fies!! Männer müssen sich nicht jedes Jahr beim Urologen wieder diese nervige Frage nach der Familienplanung anhören, ihnen wird nicht dauernd der Rückgang ihrer Fruchtbarkeit statistisch vorgerechnet! Und sie gehen dann auch nicht nach Hause und zerbrechen sich den Kopf darüber, was man im Leben wohl mal mehr bereut: Ein Kind zu kriegen oder kein Kind zu kriegen?
Fuck you, biologische Uhr, FUCK YOU VERY MUCH!!!!!!
Alle Jahre wieder.
Ich geh zu meiner Frauenärztin zur Kontrolle, und dann am Schluss, kurz bevor ich aufstehen und gehen will, kommt dieser ernste Blick über den Brillenrand und die Frage:
"Frau Bitterbös, wie gseht's dänn jetzt uus mit Chind bi Ihne?"
Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie hat mit dieser alljährlichen Frage begonnen, als ich so knapp über 30 war. Und seither wird sie jedes Jahr drängender. Also, die Frage, mein ich. Gut, die Frauenärztin eigentlich auch.
Sie weist mich sanft aber bestimmt darauf hin, dass meine biologische Uhr langsam abläuft.
Nun, glücklich die Frauen, die auf diese Frage ohne zu Zögern mit "Ui, Chind? Neeeeiiii, danke, ganz sicher nöd ich!!" beantworten können, denn sie müssen keinen weiteren müden Gedanken mehr daran verschwenden.
Glücklich auch diejenigen, die voll überzeugt "Ja, klar, unbedingt!" sagen können, denn sie haben wohl eh schon ein paar Kids zu Hause und nehmen jetzt vielleicht noch ihre letzte Chance wahr.
Unglücklich aber die Frauen, zu denen auch ich mich zähle. Denn sie antworten auf diese Frage mit: "Jeeiiiiinnn, aso, villicht, aso, ich weiss nöd... glaub scho. Aber nöd unbedingt. Glaub's."
So bis 30 war Mutter werden für mich ein absolutes No-Go. So ein Klotz ein Bein, gaht's no?? Ich will frei sein!
Ich arbeite viel und zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten des Tages. Ich tingle jedes Jahr durch die Weltgeschichte, flieg mal hier hin, mal da hin, mal kurz, mal lang. Ich habe aufwändige Hobbies, ich investiere mein Geld gerne in neue Kleider und Schuhe und Möbel, ich geh aus, wenn ich grad Lust hab, ich probiere dauernd irgendwas Neues aus, ein Sprachkurs hier, ein Tanzkurs da, und wenn ich frei hab, lieg ich auch einfach mal den ganzen Tag nur im Bett - kurz: ich führe ein egoistisches Leben ohne grosse Rücksicht auf andere und mache meistens, was mir grad passt. Das aufzugeben oder zumindest für eine gewisse Zeit hintenan zu stellen, fiele mir wohl nicht ganz so leicht.
Aber heute, wo ich unweigerlich auf diese magische Grenze von 40 zugehe, wo mir in Punkto Kinderkriegen schon bis zum Hals steht, ist mir klar: das ist alles vergänglich. Und proportional zu meinem Alter wächst auch das Verlangen nach etwas, das bleibt. Nach einem Abenteuer, das etwas länger anhält als gewohnt. Nach dem Weitergeben. Es muss nicht mehr alles ständig neu und ungewohnt und unverbindlich sein. Mit Mitte 30 und ein bisschen mehr schwindet bei mir langsam diese Panik vor der Biederkeit, der Langeweile und dem Stillstand. Ich hab Freude an meinem Gottemeitli, ich wüsste einen Namen für meine Tochter. Ok, Haus auf dem Land, Familienhotel und Aneinanderkleben gehen wirklich immer noch nicht, aber ich bin überzeugt, dass man Kinder auch anders grossziehen und sich einen Teil seiner Freiheit und Unabhängigkeit bewahren kann. Ja, vielleicht wär ich also bereit. Glaub's.
Kommen wir also zum eigentlichen Problem in dieser ganzen Sache und damit zum alljährlichen Standard-Anschlusssatz meiner Frauenärztin, der jeweils gleich auf die obige Frage folgt: "Wänn Sie jetzt dä richtig Partner händ, Frau Bitterbös, dänn warted Sie nöd länger!"
Tja, der "richtige" Partner war in all den Jahren der Hinweise auf meine schwindende Fruchtbarkeit halt eben noch nicht dabei.
Ansonsten gab es aber schon sämtliche Variationen: Männer, die Kinder wollten, aber nicht mit mir. Männer, die Kinder wollten, aber ich nicht mit ihnen. Männer, die keine Kinder wollten, aber mich auch nicht. Männer, die keine Kinder wollten, aber ich sie auch nicht. Und das häufigste Exemplar: Männer, die eigentlich schon vielleicht ganz gerne Beziehung und Kinder wollten glaub's, aber halt irgendwann mal und bloss nicht jetzt und bloss nicht so und überhaupt am liebsten gar nichts dafür ändern wollen im Leben und irgendwann kommt eh noch was Besseres.
Das heisst, diese Exemplare befinden sich immer noch in diesem Zustand wie ich damals mit 30, sind aber gut und gerne schon 10 Jahre drüber.
In dieser verfahrenen Situation steh ich nun also zwei möglichen Lösungsansätzen gegenüber:
Lösungsansatz 1: Ich entscheide mich ALLEIN für ein Kind und lass den Mann nach der Zeugung einfach weg.
Ja, bestimmt, so stell ich mir das Muttersein auch vor: alleinerziehend von Beginn weg! Die ganze Arbeit lastet auf mir! Ausserdem finde ich, ich bin meinem Kind einen anständigen, anwesenden Vater schuldig. Oder was soll ich dem Youngster dann später mal sagen? "Sorry, Schatz, häsch du kein richtige Papi. Aber er hät dich halt gar nie welle."
Ähä.
Lösungsansatz 1 fällt weg.
Lösungsansatz 2: Ich entscheide mich halt definitiv GEGEN ein Kind.
Fällt auch weg. Wenn ich das könnte, hätte ich es ja schon längst getan.
Scheisse.
Mann, die biologische Uhr ist aber auch so ein UNFAIRES ARSCHLOCH, echt!!!!!!!
Ich will verdammt nochmal auch so sein wie diese "Ich will ja schon aber nicht jetzt wääähhh Verantwortung"-Männer! Mich nicht entscheiden müssen!! Mir schön Zeit lassen mit dem Reifen, mit dem Hörner abstossen und so, denn ich kann mir ja dann mit 55 noch eine 25-jährige schnappen und mit der Kinder zeugen! Easy peasy, bloss keine Eile!!!
Das ist einfach voll fies!! Männer müssen sich nicht jedes Jahr beim Urologen wieder diese nervige Frage nach der Familienplanung anhören, ihnen wird nicht dauernd der Rückgang ihrer Fruchtbarkeit statistisch vorgerechnet! Und sie gehen dann auch nicht nach Hause und zerbrechen sich den Kopf darüber, was man im Leben wohl mal mehr bereut: Ein Kind zu kriegen oder kein Kind zu kriegen?
Fuck you, biologische Uhr, FUCK YOU VERY MUCH!!!!!!
You're so arty!: Frau Bitterbös 14 - Die Welt ist schlecht oder eine Zürcherin Mitte 30 geht mit dem Leben um.
Ein ganz normaler Smalltalk in einer Bar oder an einer Party in Zürich:
"Und was machst du so?"
"Oh, ich arbeite im Büro einer Anwaltskanzlei, aber eigentlich bin ich Künstlerin, weisch. Ich male und schreibe Gedichte."
"Und du?"
"Ich bin DJ. Ich lege in verschiedenen Clubs auf. Aber ich jobbe zur Zeit auch noch in einer Bar."
"Ich arbeite an der Rezeption eines Hotels. Also, eigentlich bin ich Schauspielerin. Eigentlich."
"Ah, ich auch! Aber grad arbeitslos. Morgen geh ich an ein Casting, drückt mir die Daumen! Ist für einen Werbespot, gutes Geld!"
"Vielleicht engagier ich euch mal, haha! Ich bin Regisseur."
"So cool, Regisseur! Ich kenn ja den Michael Steiner persönlich, weisch, ist ein Freund von mir. Voll easy, der Typ."
"Glaub ich. Ich hab grad einen Kurzfilm abgedreht, aber jetzt brauch ich noch einen Cutter, der mir alles zusammenschneidet. Kennt ihr zufällig jemanden?"
"Hey, das könnte ICH machen! Ich bin nebenbei noch so ein bisschen Videokünstler, ich kenn mich aus!"
"Cool, gib mir doch mal deine Telefonnummer! Und du übrigens kommst mir irgendwie bekannt vor... Schauspielerin?"
"Ich? Nein, nein! Marketingplanerin. Aber vielleicht hast du ja meinen Mode-Blog gelesen...?"
"Wow, du musst unbedingt mal über mich schreiben, ich bin Designerin! Ich bau mir grad mein eigenes Label auf, weisch...!"
"Hey, kommt doch alle nächste Woche ins Dynamo! Ich stell dort meine Bilder aus!"
"Du malst auch?"
"Nein, ich fotografiere. Ich hab ein gutes Auge, ich bin Optiker, haha!"
"Cool, also, ich komme bestimmt! Ich liebe Vernissagen! Kostet es Eintritt?"
"15 Franken."
"Ou, das ist aber recht teuer! Ich hab eben grad keinen Job, weisch. Ich will mich voll auf das Singen und Songs schreiben konzentrieren. Nächstes Jahr nehme ich mein Debut-Album auf."
"Ich kann dich sonst gern mal anhören, wenn du willst."
"Du bist Musikproduzent?"
"Grafiker. Aber ja, ich mach ein bisschen meine eigenen Mixes und so. Und ich kenn Roman Camenzind, weisch, den Produzenten von Baschi..."
Ich bin ja immer wieder überwältigt, wieviele Künstlerinnen und Künstler wir in dieser Stadt haben. Alle singen, tanzen, schreiben, malen, fotografieren und schauspielern. Also, nicht nur, denn man muss sich sein Leben ja auch noch irgendwie finanzieren, und das geht halt meist nur mit einem normalen, total unglamourösen Job. Aber egal, alle sind nebenbei noch auf irgendeine Art kreativ, weil es sie glücklich macht und erfüllt - oder weil sie beim Smalltalk im Ausgang in Zürich mithalten wollen.
Mir kommt bei solchen Gesprächen mit dem Wein- und/oder Bierglas in der Hand ja immer dieses Lied von Franz Ferdinand in den Sinn: "Here we are at the transmission party. I love your friends, they're all so arty..." Ja, Künstler-Freunde sind ja wirklich soooo cool! Mit einem Buchhalter oder einer Kassiererin kann man sich ja schliesslich nicht unterhalten! Nein, wer nicht noch in irgend einer Art kreativ ist in seinem Leben, keinen Drang hat, sein wahres Ich in irgendeinem schöpferischen Prozess auszudrücken, wer keine bedeutungsschwangeren, emotionsgeladenen Outputs, materiell oder virtuell, vorweisen oder solche wenigstens unglaublich klug und in schwurbligen, völlig unverständlichen Sätzen, gespickt mit hochintellektuellen Fachausdrücken kommentieren kann, der gilt gleich als Banause. Als Loser. "Iiiiiihhh, hast du gesehen, der kreiert nichts, wääähhh, voll asi!!!"
Als ob Nicht-Künstler die schlechteren Menschen wären!
Ich würde an so einem typischen Zürcher Arty-Party-Smalltalk ja gerne einfach mal ein "Ich finde Kunst SCHEISSE!!!" in die Runde werfen. Einfach so aus Prinzip, um mal gegen den Strom zu schwimmen und mich diesem ganzen Kreativzwang zu widersetzen. "Ins Theater? Geht's noch?! Ich verstehe dieses hochgestochene Goethe-Geschwafel sowieso nicht, und dass die sich auf der Bühne immer ausziehen und rumschreien müssen, geht mir sowas von auf den Sack! Eine Vernissage? Also bitte, so ein paar bunte Striche in einem Bilderrahmen kriegt mein 4-jähriges Gottimeitli auch noch hin, was bitte ist daran die grosse Kunst? Und diese DJs sind ja auch alle himmelhochjauchzend überbezahlt, das ist ja gar keine richtige Musik, die können ja noch nicht mal ein richtiges Instrument spielen! Und bleibt mir bloss vom Leib mit Gedichten! Ich versteh KEIN WORT!! Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium... ?! BITTE??!! Nein, ich mag auch keine Arthouse-Filme schauen, in denen stundenlang einfach gar nichts passiert, vorüberziehende Landschaften kann ich mir auch beim Autofahren ansehen! Und wer bitte soll diese Kleider tragen, WER??!!"
Ja, ich würde mich einfach gerne mal dieser ewigen Künstlerei verweigern, meinem stinklangweiligen Bünzli-Bürojob nachgehen, beim Smalltalk an der Party genau nur über diesen sprechen, und in meiner Freizeit faul rumliegen oder, wenn's hoch kommt, passiv Fernsehen. Fertig.
Aber nein, ich mache es dann ja eben doch nicht. Ich schreib nur davon in meinem total kreativen Blog.
Arty.
Ein ganz normaler Smalltalk in einer Bar oder an einer Party in Zürich:
"Und was machst du so?"
"Oh, ich arbeite im Büro einer Anwaltskanzlei, aber eigentlich bin ich Künstlerin, weisch. Ich male und schreibe Gedichte."
"Und du?"
"Ich bin DJ. Ich lege in verschiedenen Clubs auf. Aber ich jobbe zur Zeit auch noch in einer Bar."
"Ich arbeite an der Rezeption eines Hotels. Also, eigentlich bin ich Schauspielerin. Eigentlich."
"Ah, ich auch! Aber grad arbeitslos. Morgen geh ich an ein Casting, drückt mir die Daumen! Ist für einen Werbespot, gutes Geld!"
"Vielleicht engagier ich euch mal, haha! Ich bin Regisseur."
"So cool, Regisseur! Ich kenn ja den Michael Steiner persönlich, weisch, ist ein Freund von mir. Voll easy, der Typ."
"Glaub ich. Ich hab grad einen Kurzfilm abgedreht, aber jetzt brauch ich noch einen Cutter, der mir alles zusammenschneidet. Kennt ihr zufällig jemanden?"
"Hey, das könnte ICH machen! Ich bin nebenbei noch so ein bisschen Videokünstler, ich kenn mich aus!"
"Cool, gib mir doch mal deine Telefonnummer! Und du übrigens kommst mir irgendwie bekannt vor... Schauspielerin?"
"Ich? Nein, nein! Marketingplanerin. Aber vielleicht hast du ja meinen Mode-Blog gelesen...?"
"Wow, du musst unbedingt mal über mich schreiben, ich bin Designerin! Ich bau mir grad mein eigenes Label auf, weisch...!"
"Hey, kommt doch alle nächste Woche ins Dynamo! Ich stell dort meine Bilder aus!"
"Du malst auch?"
"Nein, ich fotografiere. Ich hab ein gutes Auge, ich bin Optiker, haha!"
"Cool, also, ich komme bestimmt! Ich liebe Vernissagen! Kostet es Eintritt?"
"15 Franken."
"Ou, das ist aber recht teuer! Ich hab eben grad keinen Job, weisch. Ich will mich voll auf das Singen und Songs schreiben konzentrieren. Nächstes Jahr nehme ich mein Debut-Album auf."
"Ich kann dich sonst gern mal anhören, wenn du willst."
"Du bist Musikproduzent?"
"Grafiker. Aber ja, ich mach ein bisschen meine eigenen Mixes und so. Und ich kenn Roman Camenzind, weisch, den Produzenten von Baschi..."
Ich bin ja immer wieder überwältigt, wieviele Künstlerinnen und Künstler wir in dieser Stadt haben. Alle singen, tanzen, schreiben, malen, fotografieren und schauspielern. Also, nicht nur, denn man muss sich sein Leben ja auch noch irgendwie finanzieren, und das geht halt meist nur mit einem normalen, total unglamourösen Job. Aber egal, alle sind nebenbei noch auf irgendeine Art kreativ, weil es sie glücklich macht und erfüllt - oder weil sie beim Smalltalk im Ausgang in Zürich mithalten wollen.
Mir kommt bei solchen Gesprächen mit dem Wein- und/oder Bierglas in der Hand ja immer dieses Lied von Franz Ferdinand in den Sinn: "Here we are at the transmission party. I love your friends, they're all so arty..." Ja, Künstler-Freunde sind ja wirklich soooo cool! Mit einem Buchhalter oder einer Kassiererin kann man sich ja schliesslich nicht unterhalten! Nein, wer nicht noch in irgend einer Art kreativ ist in seinem Leben, keinen Drang hat, sein wahres Ich in irgendeinem schöpferischen Prozess auszudrücken, wer keine bedeutungsschwangeren, emotionsgeladenen Outputs, materiell oder virtuell, vorweisen oder solche wenigstens unglaublich klug und in schwurbligen, völlig unverständlichen Sätzen, gespickt mit hochintellektuellen Fachausdrücken kommentieren kann, der gilt gleich als Banause. Als Loser. "Iiiiiihhh, hast du gesehen, der kreiert nichts, wääähhh, voll asi!!!"
Als ob Nicht-Künstler die schlechteren Menschen wären!
Ich würde an so einem typischen Zürcher Arty-Party-Smalltalk ja gerne einfach mal ein "Ich finde Kunst SCHEISSE!!!" in die Runde werfen. Einfach so aus Prinzip, um mal gegen den Strom zu schwimmen und mich diesem ganzen Kreativzwang zu widersetzen. "Ins Theater? Geht's noch?! Ich verstehe dieses hochgestochene Goethe-Geschwafel sowieso nicht, und dass die sich auf der Bühne immer ausziehen und rumschreien müssen, geht mir sowas von auf den Sack! Eine Vernissage? Also bitte, so ein paar bunte Striche in einem Bilderrahmen kriegt mein 4-jähriges Gottimeitli auch noch hin, was bitte ist daran die grosse Kunst? Und diese DJs sind ja auch alle himmelhochjauchzend überbezahlt, das ist ja gar keine richtige Musik, die können ja noch nicht mal ein richtiges Instrument spielen! Und bleibt mir bloss vom Leib mit Gedichten! Ich versteh KEIN WORT!! Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium...?! BITTE??!! Nein, ich mag auch keine Arthouse-Filme schauen, in denen stundenlang einfach gar nichts passiert, vorüberziehende Landschaften kann ich mir auch beim Autofahren ansehen! Und wer bitte soll diese Kleider tragen, WER??!!"
Ja, ich würde mich einfach gerne mal dieser ewigen Künstlerei verweigern, meinem stinklangweiligen Bünzli-Bürojob nachgehen, beim Smalltalk an der Party genau nur über diesen sprechen, und in meiner Freizeit faul rumliegen oder, wenn's hoch kommt, passiv Fernsehen. Fertig.
Aber nein, ich mache es dann ja eben doch nicht. Ich schreib nur davon in meinem total kreativen Blog.
Arty.
Denn wer den Ärger rauslässt, verändert die Welt. Oder?