Irascible Music
Irascible Music
FreeMusikliebhaber und Musikliebhaberin.
Ort
Lausanne & Zürich
Gegründet
2001
Follower
49
Die perfekte (neue) Welle: Walter Frosch – New Dawn
Let’s talk about Synthwave. (Oder Coldwave, oder New New Wave – ist immer so ein Ding mit diesen Genre-Begriffen.) Der Musikstil mit den minimalistischen, industriellen Beats, meist aus analogen Drumcomputern einer anderen, besseren Zeit stammend, mit Synthesizer-Schallwänden, die manchmal etwas beängstigend und bedrohlich wirken. Und viel, viel Reverb.Der Sound ist wieder in aller Munde. Die Achtziger, sagt mensch ja, sind sowieso zurück: Vokuhilas, Kalter Krieg, Traineranzüge.Klar, es ist schwierig, die Einflüsse von Depeche Mode, Joy Division oder Siouxsie & The Banshees aus der modernen Synthwave-Wave wegzuhören. Aber die Inspiration muss ja irgendwoher kommen. Zudem ist die ästhetische Erfolgsformel mehr als nur ein oberflächlicher «Vibe», auf ihr gedeihen nämlich eine Menge diverser, toller Projekte. Vor allem im deutschsprachigen Raum scheint sich eine regelrechte Szene gebildet zu haben. Künstler*Innen wie Edwin Rosen oder Saiya Tiaw bringen die verstaubten Drumcomputer ihrer Eltern in jugendlichem Glanz und Gen-Z-Ästhetik zurück, und schaffen eine Brücke zum zugedröhnten Minimal-Pessimismus, der auch im Trap mitspielt, aber zugleich absolut mitsing- und tanzbar.Auch die Schweiz mischt für einmal zuvorderst mit: oder hat jemand hier noch nie von Lebanon Hanover gehört? Aber eine Freundin erzählte mir eben, dass sie vor zehn Jahren am Konzert nur ein paar gealterte Goths vorfand. Heute sieht das wohl ganz anders aus. Aus der jüngeren Generation gibts in Zürich etwa Thymian, der mit tiefer Stimme eingängige Melodien über wuchtige Industrial-Beats liefert, oder Blanche Biau, die besonders feinfühligen und atmosphärischen Coldwave spielt und dazu ein ansehnliches Repertoire an Ohrwürmern bietet.Und dann gibts eben noch Walter Frosch. Benannt nach der verruchten, beschnauzten Fussballlegende der Achtziger, spielen die Schaffhauser*Innen Rune Hansen und Mixe Saxer lauten, wummernden Synthpop, der gleichzeitig ein breites Spektrum an subtilen Einflüssen vom Disco bis zum Shoegaze beheimatet.In der Schaffhauser DIY-Szene zuhause, wurden Walter Frosch zum Lieblings-Support eben jenes Edwin Rosen, und gingen letzten Winter sogar auf US-Tournee, was sie im Video zu «Forever», der ersten Single zur neuen EP, mit punkig-ästhetischem Camcorder festhielten.Darauf folgte letzten Freitag «New Dawn», ein nur knapp über zwei Minuten langer Banger mit punkiger Bassline, stampfende Rhythmen, viel Gitarrengedröhne. Melancholisch, wütend, aber gleichzeitig kraftvoll und herzlich. Ein Muss für alle Reiter*innen der neuen Welle.Am 16. Juni erscheint die neue EP von Walter Frosch, «A Sea Of Broken Light», bei Irascible Records.
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Die perfekte (neue) Welle: Walter Frosch – New Dawn
Let’s talk about Synthwave. (Oder Coldwave, oder New New Wave – ist immer so ein Ding mit diesen Genre-Begriffen.) Der Musikstil mit den minimalistischen, industriellen Beats, meist aus analogen Drumcomputern einer anderen, besseren Zeit stammend, mit Synthesizer-Schallwänden, die manchmal etwas beängstigend und bedrohlich wirken. Und viel, viel Reverb. Der Sound ist wieder in aller Munde. Die Achtziger, sagt mensch ja, sind sowieso zurück: Vokuhilas, Kalter Krieg, Traineranzüge. Klar, es ist schwierig, die Einflüsse von Depeche Mode, Joy Division oder Siouxsie & The Banshees aus der modernen Synthwave-Wave wegzuhören. Aber die Inspiration muss ja irgendwoher kommen. Zudem ist die ästhetische Erfolgsformel mehr als nur ein oberflächlicher «Vibe», auf ihr gedeihen nämlich eine Menge diverser, toller Projekte. Vor allem im deutschsprachigen Raum scheint sich eine regelrechte Szene gebildet zu haben. Künstler*Innen wie Edwin Rosen oder Saiya Tiaw bringen die verstaubten Drumcomputer ihrer Eltern in jugendlichem Glanz und Gen-Z-Ästhetik zurück, und schaffen eine Brücke zum zugedröhnten Minimal-Pessimismus, der auch im Trap mitspielt, aber zugleich absolut mitsing- und tanzbar. Auch die Schweiz mischt für einmal zuvorderst mit: oder hat jemand hier noch nie von Lebanon Hanover gehört? Aber eine Freundin erzählte mir eben, dass sie vor zehn Jahren am Konzert nur ein paar gealterte Goths vorfand. Heute sieht das wohl ganz anders aus. Aus der jüngeren Generation gibts in Zürich etwa Thymian, der mit tiefer Stimme eingängige Melodien über wuchtige Industrial-Beats liefert, oder Blanche Biau , die besonders feinfühligen und atmosphärischen Coldwave spielt und dazu ein ansehnliches Repertoire an Ohrwürmern bietet.
Und dann gibts eben noch Walter Frosch . Benannt nach der verruchten, beschnauzten Fussballlegende der Achtziger, spielen die Schaffhauser*Innen Rune Hansen und Mixe Saxer lauten, wummernden Synthpop, der gleichzeitig ein breites Spektrum an subtilen Einflüssen vom Disco bis zum Shoegaze beheimatet. In der Schaffhauser DIY-Szene zuhause, wurden Walter Frosch zum Lieblings-Support eben jenes Edwin Rosen, und gingen letzten Winter sogar auf US-Tournee, was sie im Video zu «Forever» , der ersten Single zur neuen EP, mit punkig-ästhetischem Camcorder festhielten. Darauf folgte letzten Freitag «New Dawn» , ein nur knapp über zwei Minuten langer Banger mit punkiger Bassline, stampfende Rhythmen, viel Gitarrengedröhne. Melancholisch, wütend, aber gleichzeitig kraftvoll und herzlich. Ein Muss für alle Reiter*innen der neuen Welle.
Am 16. Juni erscheint die neue EP von Walter Frosch, «A Sea Of Broken Light», bei Irascible Records.
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R’n’B meets concept art: Elfrid The Third & Ivan Eyes – «A Case Of Paranoia»
Im Visualizer zu «Eulogy », der ersten Single von Elfrid The Third & Ivan Eyes, die im letzten März erschien, kurvt die Kamera eine dunkle und menschenleere Waldstrasse herunter, die nur von den Scheinwerfern des Autos beleuchtet wird. Dunkle, atmosphärische Synthesizer schwellen an, darauf folgt Norwin Tharayils pathetisch angehauchte Stimme, die etwas an Nick Cave erinnert: I don’t want to be praised for the growth I’ve made / my narcissistic practice turned mistress to the gaze. Der Song wandelt sich zu einem Dialog modifizierter und gepitchter Stimmen, die eine Art Brainstorming zum Wort “breaking” vortragen: break rules, breaking the law, breaking down, breaking into tears.
Mit ihrem ersten Track scheint das Künstler*innenduo also bereits mit dem Pop-Format zu brechen, es als Vorlage für ihre medien- und stilübergreifende Performance zu verwenden.
Norwin Tharayil (Elfrid The Third) ist bewusste_r Performer_in, scheint niemals nur eine kohärente stilistische Position einzunehmen, sondern sich zu wandeln und zu verspiegeln. Das ist vorallem in Tharayils Stimme zu erkennen: Mal autotuned, mal im Falsetto, mal tief oder hoch gepitcht präsentiert sich Tharayil eher als ein Kollektiv aus verschiedenen Stimmen und Stilmitteln. Dies erwägt they auch im Schlusstrack, der in einigen prägnanten Zeilen ein fragmentiertes Selbst offenbart, das Gender und Identitäten übersteigt: I’m not he, she but we, and we tend to exchange blows.
Diese bewusste Fragmentierung findet auch im Umgang mit musikalischen Genres statt: So erkennt man etwa auf der zweiten Single «The Fences», klare Hommagen an zeitgenössischen R’n’B. Sogar Tharayils Stimmlage scheint bewusst an R’n’B- Grössen wie Tyler, The Creator oder Childish Gambino angelehnt. Trotzdem wirkt das Resultat, mit den hallenden Falsettos und dem nervösen Beat, schlussendlich so desorientierend und abstrakt, als hätte künstliche Intelligenz den Song programmiert. (Sidenote: Ich weiss, das Thema AI und kreatives Eigentum ist eigentlich nicht so lustig. Hier dafür ein informatives Video dazu von meinem Lieblings-Musikblogger.)
«The Fences», wie der Visualizer andeutet, präsentiert ein düsteres Bild einer urbanen Landschaft, die lebensleer und doch einengend scheint, was durch die digitale männliche Stimme, die fast emotionslos spricht, noch verstärkt wird: The tunnels, factories, buildings emptied and filled, TV stations and all domains for sale. Suddenly street names up for debate. Cinematische, dystopische Eindrücke, so gespenstisch und tiefgründig wie aus einem Don DeLillo-Roman.
Ein wiederkehrendes Thema auf «A Case Of Paranoia» ist die Krise der Identität in einer ebenso fragmentierten wie immerzu kontrollierten, durchdesignten Welt: «Low Lower Son» befasst sich mit der körperlichen Identität in der heutigen Zeit, in jener der Körper zur Schnittstelle zwischen Macht, Unterdrückung, Kollektiv und Individuum geworden ist. Klingt kompliziert? Ist es auch. Aber spannend und hochrelevant.
Auch musikalisch sträubt sich «A Case Of Paranoia» der Schubladisierung. Sanfte Neo-Soul-Passagen werden von wuchtigen Beats direkt aus düsteren Berliner Rave-Kellern abgelöst. Synthesizer in verschiedenen Schattierungen verschmieren sich der Gefühlspalette, stets etwas unsettling . Auf diesem Album herrscht die Ambiguität, selten sind Momente der Auflösung oder Gewissheit, wohin der Song führen wird. So kreieren Elfrid The Third & Ivan Eyes das Hörerlebnis der postmodernen Paranoia: der einzige Weg zur Selbstfindung ist die Performance selbst. Für Fans von Earl Sweatshirt, Blood Orange, Burial, Shabazz Palaces, die etwas zusätzlichen Aufwand nicht scheuen.
Für Perlensuchende: Auf irascible.ch gibt es weitere musikalische (Neu-)Entdeckungen für deinen guten Geschmack.
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Bodenständiger Hochflieger: Sen Morimoto, «If The Answer Isn’t Love»
Es gibt sie noch, die Künstler*innen, die das Label „Indie“ nicht einfach tragen, weil ihr Sound etwas an Mac DeMarco oder Stereolab erinnert, sondern weil sie von klein auf genau das machen, was ihnen passt – und sich damit schrittweise in die Herzen der Musikfans arbeiten. (PS: wir bei Irascible wissen, es gibt eigentlich schon immer ganz viele. Aber manchmal etwas ranten muss halt sein.) Anyway: genau so einer ist Sen Morimoto.
In Kyoto geboren, machte Morimoto – laut seiner Spotify-Bio – schon Musik, seit er in der Wiege lag (If you say so). Er wuchs an der US-Ostküste auf und zog nach der Highschool nach Chicago, wo er die DIY-Musikszene kennenlernte und sich darin einlebte. Mit Hang zur Stilüberbrückung, Liebe zum Widerspruch, und Gespür für Eingängigem fand sich Sen schnell in der Szene zurecht, wurde sogar zur geheimen Zutat vieler Projekte. Trotz relativ bescheidener Hörer*innenanzahl – um die 40‘000 auf Spotify – ist Morimoto kein unbeschriebenes Blatt in der Musiklandschaft. So wurde er mit seinen bisherigen zwei Alben schon von Pitchfork und FADER ausgezeichnet, und einen KEXP-Auftritt – in dem er das Social Distancing mit der Band sehr kreativ meisterte (schauen!) – hatte er auch schon. Sein souliger Lo-Fi-Hiphop ist untermalt von Saxophon- und Keys-Passagen, die er selber einspielt, und Beats, die er selber bastelt. Fürs neue Album besuchte Sen zum ersten Mal ein professionelles Studio, was ihm die Türen zu neuen musikalischen Experimenten und Tüfteleien öffnete.
Mit 30 hat ihn nun City Slang, das Berliner Label von Anna B Savage, Calexico oder Los Bitchos, unter die Fittiche genommen – prompt kommt die erste Single zum Album, «If The Answer Isn’t Love» . Ein getriebener, funkiger und wilder Track mit etwas furchteinflössenden Saxophontönen, schönen Harmonien und ausgelassenem Gitarrensolo. Sens Antwort zur sich immer verdüsternden Weltlage, Klimawandel und autoritärer Faktenverzerrung ist – wie könnte es auch anders kommen – love , aber zugleich mit skeptischem Unterton: was, wenn nicht? If the answer isn’t love, then I don’t want to know. Subtil politisierend und persönlich zugleich ist das schwindelerregende Musikvideo , dass an das berühmte Foto der «Mittagspause auf einem Wolkenkratzer» angelehnt ist. Damit identifiziert sich der Musiker, der seine Karriere bis hierhin als Tellerwäscher unterhielt, mit der arbeitenden Schicht und bezieht sich auf die Tagträume vom Leben als Vollzeitmusiker, die ihn durch die mühseligen Schichten brachten.
Mit seinem Charme, Witz und überbordender Experimentierlust verspricht Morimoto, sich schon bald einen Namen in der breiteren Landschaft des alternativen R’n’B zu machen. Ein (noch) Geheimtipp für Fans von Steve Lacy, BADBADNOTGOOD oder Loyle Carner, die bereit sind, sich auf Neues einzulassen.
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In der Wut vereint: Asbest, Lord Kesseli & The Drums, «Together In Hell»
Noch 364 Tage bis zum nächsten 1.Mai, am Helvetiaplatz hängt immernoch ein Nachgeschmack von Tränengas in der Luft, und angesichts der immer beklemmenderen Weltlage fragen sich die politisch bewussten unter uns: wohin mit der Wut? Zum Glück gibt es noch tolle Musiker*innen, die diesen Frust gekonnt in Worte fassen. Damit wir uns in der Hölle immerhin ein bisschen weniger einsam fühlen.
Als pandemiebedingt Livekonzerte auf Eis gelegt wurden, tat der St. Galler Musikclub Palace, was alle Musikklubs hätten machen sollen – er öffnete seine Pforten und offerierte Künstler*innen Residenzen. Dadurch trafen die Basler Musikerinnen Robyn Trachsel und Judith Breitinger von Asbest auf die St. Galler Dominik Kesseli und Michael Gallusser alias Lord Kesseli & The Drums . Aus dieser glücklich-finsteren Zusammenkunft entstanden fünf wuchtige Kompositionen, die nun mit viel Getöse aus dem Untergrund in das kalte, blendende Licht der Welt treten. Das Resultat ist die EP «Altari», die im Sommer bei A Tree In A Field und Irascible Records erscheint. Als Vorgeschmack zu EP kam diesen Freitag eine Single vom Super-Doppel-Duo heraus, «Together In Hell».
Der Song beginnt mit einer minimalistischen, gar harmlos erscheinenden Drum-Machine, die sogleich einem wuchtigen Gitarrenriff überzogen wird. Kurz darauf folgt Trachsels kompromisslos brutaler Gesang: Ich hab das, was du nicht hast, und du hast das, was ich nicht will – ausgelaugt, falsches Gebiss, Lebensweisheit ungewiss . Eine bestärkende Tirade über den konsumgetriebenen, anpassungsliebenden, konkurrenzgeilen Finance-Bro etwa, den wir jeden Morgen in der S-Bahn leider nur heimlich hassen dürfen, als er lautstark sein erstes Bisnessmeeting des Tages abhält und sich dabei de geilscht Siech auf Erden fühlt. Die Punk-, Doom- und Metal-Einflüsse der beiden Bands fliessen in zeitgemässer und doch unkonventioneller Lo-Fi-Ästhetik passend zusammen und erinnern in ihrer brachialen Direktheit etwas an IDLES.
Auch thematisch scheinen die beiden Bands wie füreinander gemacht: Auf der letzten Single «Cyanide for Breakfast» etwa singen Asbest tiefgründig misanthropisch und hasserfüllt gegen ein System, das in unsere gesamten Lebensbereiche eindringt – we don’t lead the lives we need, we lead the lives we must . Dagegen scheinen sich Herr Kesseli und sein Schlagzeug in der Dunkelheit und der Untergangsstimmung pudelwohl zu fühlen, sie vereinzunehmen und zu ästhetisieren. So kontrastiert auch auf «Together In Hell» Dominik Kesselis Refrain Trachsels Frustration mit besonnener, resignierter Versöhnung: All we need is what we are, playing games, watching stars – together in the sun, together in love, together in hell. Ein Muss für eure Hässig- und 1312-Playlists.
Am 30. Juni erscheint die EP «Altari» von Asbest, Lord Kesseli & The Drums.
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Noch einmal abtanzen, dann ab ins Bett: Amixs, «No Fomo»
Sicherlich erinnert ihr euch noch daran. Vor etwas über einem Jahr schmolzen mit dem Schnee auch die letzten Corona-Massnahmen dahin, zum Jubel nicht nur kuhglocken-schwingender Schwurbler, sondern auch dem breiten Partyvolk. Denn nach zwei Jahren Öde und deprimierender Homepartys zu fünft in der WG galten – zumindest den weniger Vorsichtigen unter uns – keine Ausreden mehr, um sich dem nächsten Fest zu entziehen. Prompt schwebte ein neues, doch altbekanntes Virus durch die Lüfte – die Fomo-Seuche. Fomo, also fear of missing out , die Angst, etwas zu verpassen. Bis ihr ein kühnes Synthpop-Trio aus Basel ihr die Stirn bot.
Amixs , das sind Patrick Salz (Bass, Synths), Simon Baumann (Synths, Gesang) und Drummer Thomas Seitz, allesamt aktive Freigeister der Basler Subkultur. Mit ihren ersten Veröffentlichungen, etwa der EP «kauf» 2018, demonstrierten Amixs Eigensinnigkeit und schafften sich unverkrampft ihren Platz in den Reihen des neuen Schweizer Pop. Ihr Album «Bahnhof Buffet Olten», auf dem sie mit Leichtigkeit die Welle zwischen Schalk, Ernst und Trash ritten, zementierte ihren Legendenstatus in der sozusagen Neuen Schweizer Welle. Passenderweise schaffte ihr Sound sogar den Sprung nach Hollywood: Die (gar nicht mal so gute) Peacock-Serie Bumper In Berlin lizenzierte «Bushaltestell Kannefeldplatz» ab dem letzten Album, um ihre Geschichte mit – Zitat – „Berliner Vibes“ auszustatten.
Ihre neue Single «No Fomo» stellt sich gegen die Post-Lockdown-Aufholjagd, plädiert stattdessen fürs Frühheimgehen und unverblümt sagen zu können: «Nei ich ha kei Bock uf dis Liveset.» Paradoxerweise stellt die Hook «chum ich gang lieber hei» auch den Moment, an dem man am meisten abtanzen will. Damit liefern Amixs ein wunderbar ambivalentes Erlebnis zwischen Ekstase und Resignation. Das Musikvideo schneidet zwischen einem Sauf- und Rauchgelage in einer abgehalfterten Bar und einer klassischen Bühnenperformance in überzeichneter Eighties-Glitzerpop-Façon, komplett mit weichgezeichneten Nahaufnahmen von Baumann, wie er dramatisch hüftschwingend der Fomo entgegensingt (Natürlich darf auch der Vocoder nicht fehlen). Eine eingängige Hymne für all jene, die keinen Bock auf Party haben, aber sich trotzdem cool fühlen wollen.
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Broke, chic, magnifique! Bandit Voyage, «Love Nowhere»
Bandit Voyage, das sind Robin Girod ( Komet City ) und Anissa Caldelli ( Barrio Colette ). Mit ihrem als rythme lofi amour bizarre selbstbeschriebenen Disco-Punk-Pop haben sie bereits mit Lee Scratch Perry zusammengearbeitet, und mit «Ma mère» schafften sie es sogar in den Soundtrack der Netflixserie Emily in Paris , über die momentan alle gern ablästern und dann doch heimlich schauen.
Nun liefert das Banditenduo mit « Love Nowhere » zusammen mit Léon Phal ein aufgedrehtes Fünfminuten-Stück, getragen von einem minimalistischen Beat mit rhythmischer Gitarre à la Talking Heads, schwindelerregenden Saxophonsolos und Vocoder-Harmonien. Dazu ein passend ästhetisches Musikvideo , das an einen trashigen französischen Neo-Noir-Streifen aus den Siebzigern erinnert, oder an die Blues Brothers, hätten sie cooleren Sound gemacht («everybody needs somebody to love»? really?). Glänzende Messerklingen, gezückte Revolver, Ledermäntel, Sonnenbrillen und alles in Schwarzweiss, dazu noch nonchalant-weirde Tanzeinlagen in den Strassen von Génève. «Money money everywhere, love nowhere» lautet das tragikomisch aufgeladene Statement des Songs, das sich hin und wieder in fast perfekte Nachahmungen David Byrnes in «Psycho Killer» verliert: «You start a conversation, you can’t even finish it / you’re talking a lot, but you’re not saying anything». Dazu fallen witzige Phrasen wie «give me some cash – I have no bank account – cause I’m a bandit».
Das Ganze kommt cool zusammengewürfelt und etwas desorientierend hinüber, und bringt doch grosses Wiedererkennungspotenzial. J’adore!
Für Perlensuchende: Auf irascible.ch gibt es weitere musikalische (Neu-)Entdeckungen für deinen guten Geschmack. von Lorenzo Contin / Irascible
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