Zurück
Marco Büsch
Marco Büsch
Free
Meine Stadt
Zürich
Follower
0
Darf ich darüber lachen?
Meine Erlebnisse aus dem Zivildiensteinsatz in einem Altersheim: Klappe, die Zweite. Von lustigen Alten und Witzen über wenig erfreuliche Dinge. Oder: Darf man über alles lachen?Nun arbeite ich schon seit ein paar Wochen meinen Zivildienst in einem Altersheim ab und wie das so ist, man mag die einen besser als andere. Zum Beispiel die eine ältere Dame, welche immer einen kessen Spruch auf Lager hat und mich öfters mal „Burscht“ oder „Schatz“ nennt und mit mir versucht zu flirten. Gut, unsere Beziehung hat ein bisschen gelitten, seit sie mir gebeichtet hat, dass sie der abgelehnten Schwarzenbach-Initiative immer noch nachtrauere. Oder als sie mir riet, ich solle ja keine Ausländerfreundin aus den Ferien mit nach Hause mitnehmen, von denen hätte es hier schon genug. Aber sonst ist sie ganz okay, wirklich!Manchmal ist aber auch einfach rührend, wie die eine Dame, welche intern in den Speisesaal anrufen wollte, aber leider die Ziffern vertauscht hat und so die Notfallnummer wählte, sich dort aber ganz normal für das Mittagessen abmeldete. Es wurde ihr dann nahegelegt, die eingegebene Telefonnummer nochmals zu überprüfen, es könnte ein Missverständnis vorliegen. Wobei manche ältere Personen einen solchen Stress um solche Dinge machen, dass man manchmal wirklich das Gefühl haben könnte, es handle sich um einen Notfall. Mit was ich aber tatsächlich immer noch nicht richtig umgehen kann, ist dieser ewige Galgenhumor. Letztens musste ich nach dem Frühstück die Tische putzen und schnappte ein Gespräch zwei meiner Lieblingsalten auf und das ging ungefähr so: Dame: „Du bist ja immer noch hier?!“Herr: „Tja, Unkraut vergeht nicht.“Dame: „Wird es nicht Zeit, dass du gehst, damit es wieder ein bisschen mehr Platz im Speisesaal hat? Dein Rollator versperrt mir immer den Weg!“Herr: „Jaja, wenn ich dann mal tot bin, machen die bei der AHV einen Freudensprung und trinken einen Extrakaffee!“ (Das klingt mit seinem urchigen Berndütsch noch vil besser: „Wäni dänn mal tot bi, mache die bi dä AHV ä freudegump und trinked ä Extrakafi!“)Das ging dann eine Weile so weiter und ich wusste nicht, ob ich mitlachen sollte oder nicht. Denn lustig war es durchaus, aber ich fühlte mich irgendwie nicht berechtigt dazu. Ich meine, ich mag diese Art mit dem Tod umzugehen um einiges mehr, als wenn manche der Alten mir mitteilen, dass sie nicht mehr wissen, warum sie überhaupt noch da sind und am Liebsten nicht mehr weiter leben würden. Was soll man da erwidern, wenn diese Person täglich Schmerzen hat und kaum mehr als ein paar Schritte gehen kann? Da weiss ich dann auch nichts zu erwidern als ein paar Floskeln und Phrasen. Mit den Witzen kann ich schon ein wenig besser umgehen, aber die Grundfrage bleibt: Darf ich darüber lachen? Ist es nicht ein bisschen vermessen so als junger Schnösel bei solchen Witzen mitzulachen, wenn die Angst vor dem nahenden Tod nicht gerade daily business ist? Es ist interessant, dass ich mir diese Fragen stelle, denn sonst gehöre ich eher zur Fraktion von Menschen, welche der Meinung sind, dass man über alles und jeden lachen sollte und darf, solange es nicht bösartig wird und man auch mal über sich selbst lachen kann. Aber bei dieser Art von Humor bin ich mir da gar nicht mehr so sicher: Mit einer Person gemeinsam über ihren nahenden Tod zu lachen scheint dann sogar mir etwas zu krass und pietätlos.Nun, es bleibt anzumerken, dass ich die Art und Weise bewundere, wie diese Personen teilweise mit ihrer Angst vor dem Tod umgehen. Was ich aber in erster Linie von meinem Einsatzmitnehmen werde, ist, dass die ganzen neumodischen Hipster mit ihrem YOLO-Schwachsinn tatsächlich recht haben, denn ich will am Ende des Tages nicht in einem Altersheim hocken mit dem Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich würde dann eigentlich lieber Witze über die AHV reissen. Wenn es die bis dann noch gibt.
Darf ich darüber lachen?
Meine Erlebnisse aus dem Zivildiensteinsatz in einem Altersheim: Klappe, die Zweite. Von lustigen Alten und Witzen über wenig erfreuliche Dinge. Oder: Darf man über alles lachen? Nun arbeite ich schon seit ein paar Wochen meinen Zivildienst in einem Altersheim ab und wie das so ist, man mag die einen besser als andere. Zum Beispiel die eine ältere Dame, welche immer einen kessen Spruch auf Lager hat und mich öfters mal „Burscht“ oder „Schatz“ nennt und mit mir versucht zu flirten. Gut, unsere Beziehung hat ein bisschen gelitten, seit sie mir gebeichtet hat, dass sie der abgelehnten Schwarzenbach-Initiative immer noch nachtrauere. Oder als sie mir riet, ich solle ja keine Ausländerfreundin aus den Ferien mit nach Hause mitnehmen, von denen hätte es hier schon genug. Aber sonst ist sie ganz okay, wirklich! Manchmal ist aber auch einfach rührend, wie die eine Dame, welche intern in den Speisesaal anrufen wollte, aber leider die Ziffern vertauscht hat und so die Notfallnummer wählte, sich dort aber ganz normal für das Mittagessen abmeldete. Es wurde ihr dann nahegelegt, die eingegebene Telefonnummer nochmals zu überprüfen, es könnte ein Missverständnis vorliegen. Wobei manche ältere Personen einen solchen Stress um solche Dinge machen, dass man manchmal wirklich das Gefühl haben könnte, es handle sich um einen Notfall. Mit was ich aber tatsächlich immer noch nicht richtig umgehen kann, ist dieser ewige Galgenhumor. Letztens musste ich nach dem Frühstück die Tische putzen und schnappte ein Gespräch zwei meiner Lieblingsalten auf und das ging ungefähr so: Dame: „Du bist ja immer noch hier?!“ Herr: „Tja, Unkraut vergeht nicht.“ Dame: „Wird es nicht Zeit, dass du gehst, damit es wieder ein bisschen mehr Platz im Speisesaal hat? Dein Rollator versperrt mir immer den Weg!“ Herr: „ Jaja, wenn ich dann mal tot bin, machen die bei der AHV einen Freudensprung und trinken einen Extrakaffee!“ (Das klingt mit seinem urchigen Berndütsch noch vil besser: „Wäni dänn mal tot bi, mache die bi dä AHV ä freudegump und trinked ä Extrakafi!“) Das ging dann eine Weile so weiter und ich wusste nicht, ob ich mitlachen sollte oder nicht. Denn lustig war es durchaus, aber ich fühlte mich irgendwie nicht berechtigt dazu. Ich meine, ich mag diese Art mit dem Tod umzugehen um einiges mehr, als wenn manche der Alten mir mitteilen, dass sie nicht mehr wissen, warum sie überhaupt noch da sind und am Liebsten nicht mehr weiter leben würden. Was soll man da erwidern, wenn diese Person täglich Schmerzen hat und kaum mehr als ein paar Schritte gehen kann? Da weiss ich dann auch nichts zu erwidern als ein paar Floskeln und Phrasen. Mit den Witzen kann ich schon ein wenig besser umgehen, aber die Grundfrage bleibt: Darf ich darüber lachen? Ist es nicht ein bisschen vermessen so als junger Schnösel bei solchen Witzen mitzulachen, wenn die Angst vor dem nahenden Tod nicht gerade daily business ist? Es ist interessant, dass ich mir diese Fragen stelle, denn sonst gehöre ich eher zur Fraktion von Menschen, welche der Meinung sind, dass man über alles und jeden lachen sollte und darf, solange es nicht bösartig wird und man auch mal über sich selbst lachen kann. Aber bei dieser Art von Humor bin ich mir da gar nicht mehr so sicher: Mit einer Person gemeinsam über ihren nahenden Tod zu lachen scheint dann sogar mir etwas zu krass und pietätlos. Nun, es bleibt anzumerken, dass ich die Art und Weise bewundere, wie diese Personen teilweise mit ihrer Angst vor dem Tod umgehen. Was ich aber in erster Linie von meinem Einsatzmitnehmen werde, ist, dass die ganzen neumodischen Hipster mit ihrem YOLO-Schwachsinn tatsächlich recht haben, denn ich will am Ende des Tages nicht in einem Altersheim hocken mit dem Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich würde dann eigentlich lieber Witze über die AHV reissen. Wenn es die bis dann noch gibt.
Weiterlesen
Lisa, bitte komm zurück!
Warum man nicht um vier Uhr Morgens betrunken mit dem Handy herumhantieren sollte. Vor allem nicht unter der Woche. Und nicht direkt vor meinem Haus. Ein Fallbeispiel. Es war Donnerstagnacht und ich schlief seelenruhig vor mich hin, als plötzliche komische Zwischenrufe meine Träume durchkreuzten. Hellwach lag ich im Bett und durfte einem Handygespräch eines jungen Mannes lauschen, der mit ziemlicher Sicherheit schon ein paar Gläschen zu viel intus hatte. Und das um vier Uhr Morgens. Unter der Woche. Jedenfalls bettelte und flehte er eine gewisse Lisa an, sie solle doch bitte bitte wieder zu ihm zurückkommen. Soweit, so typisch Züri und total unspektakulär, aber dann liess er den alles in den Schatten stellenden Satz vom Stapel, der da lautet: „Lisa, bitte chum zrugg! Ich bin nur churz ufem Klo gsi!“ Ich weiss nicht, wo ich anfangen soll. Zuallererst gibt es wahrscheinlich eine triviale wie auch banale Erklärung für diesen Ausspruch, aber es war frühmorgens und da ich nicht mehr schlafen konnte, hatte ich genug Zeit mir wilde Geschichten zu diesem Satz auszudenken. Deshalb ignoriere ich die naheliegendsten Erklärungen einfach. Nun den: Aus all meinen Stories, die ich mir dazu ausgedacht habe, finde ich die Vorstellung am Besten, dass die Lisa ihren Typen verlassen hat, weil er kurz die Toilette aufsuchen musste. Vielleicht verwechselte sie es mit dem berühmten „Ich gehe kurz mal Zigaretten holen“. Oder sie ist so anhänglich, dass gleich die Bindung riss, als der Abstand zwischen den Beiden ein paar Meter zu gross wurde. Es scheint jedenfalls, als dürfe man diese Lisa keinen Moment alleine lassen. Der junge Mann wird dies natürlich gewusst haben, aber irgendwann wurde wahrscheinlich sein Harndrang so stark, dass er das Risiko eingehen musste. Man sieht, ich könnte ganze Bücher in diesen Satz hinein interpretieren. Aber eben, ich tue es nicht, weil mir der Satz eigentlich zuwider ist. Ich mag Sätze nicht, die mit breitester Zürischnurre gesprochen werden, aber dann Wörter wie „Klo“ beinhalten. Das heisst „WC“ oder „Toilette“. Von mir aus auch „AB“. Sogar „ufs Hüsli ga“ würde ich noch gelten lassen, aber bitte nicht „Klo“. „Klo“ ist hochdeutsch und hat in der Schweizerdeutschen Sprache nichts zu suchen. So wie man auch nicht „Bürgersteig“ sagt sondern „Troittoir“. So als echter Schweizer. Soviel zu meinem Sprach-Patriotismus: „Das gat mir nämli ächt uf dä Keks!“ Aber eins muss ich diesem Satz zu gute halten: Am liebsten würde ich aus ihm einen Technoremix machen und damit Millionen verdienen. Er würde so nznznz gehen und dann würde ich darüber den legendären Satz schreien. Und dann noch ein paar mal so abgehackt wiederholen, vielleicht noch mit Autotune und allem drum und dran. Leider bin ich in solchen Belangen gänzlich unbegabt, deshalb dürfen sich für die professionelle Verwirklichung gerne gestandene Produzenten bei mir melden! Oder besser noch der junge Mann meldet sich, um seinen Satz selbst einzujammern. Aber wahrscheinlich weiss er gar nichts mehr davon. Nur die Lisa weiss es mit ziemlicher Sicherheit noch, denn die wird nicht betrunken gewesen sein. Die Arme. Was haben wir nun aus dieser Geschichte gelernt: Tätige keine übereiligen Anrufe, wenn du betrunken bist. Und versuche den Toilettengang möglichst lange hinaus zu zögern, im Falle, dass deine Freundin eine ausgeprägte Bindungsangst ihr eigen nennt. Das klingt jetzt ein bisschen nach einem Rat des Dr. Sommer-Teams. Gefällt mir irgendwie: „Das isch ja voll knorke!“ PS: Das Bild ist aus dem Film "(500) Days of Summer": Eine ähnliche Thematik, nur ohne Klo. Sehr sehenswert!
Weiterlesen
Ist mein Zürich noch mein Zürich?
Was passiert, wenn ein Stadtzürcher einen Blick in den „Zurich Guide“ wirft, der ausschliesslich für Touristen konzipiert ist? – Erstaunen, Faszination, Entsetzen, Entrüstung. Ungefähr in dieser Reihenfolge. Vor einiger Zeit war ich in der Silberkugel und während ich dort auf meinen Silberbeefy mit Käse wartete, sah ich den neusten «Zürich Guide» aufliegen. Ich meine, dass die Kirche des St. Peter die grösste Turmuhr Europas hat, wusste ich schon nach einer unendlich langen Treppensteigerei in der vierten Klasse. Aber wussten Sie zum Beispiel, dass wir in Zürich neben dem umgangssprachlichen Schweizerdeutsch auch französisch, italienisch und englisch sprechen? In diesem Fall bin ich wahrscheinlich eher kein Vorzeigezürcher. Der Paradeplatz betrieb übrigens in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem «Zentralhof» eines der grössten Postkutschenzentren Europas. Und der Bürkliplatz wurde vom Stadtingenieur Arnold Bürkli angelegt. Dabei habe ich als Kind immer gemeint, er heisse Gürkliplatz. Einige Seiten weiter sind massenweise Kultur- und Ausflugstipps aufgelistet und ich bin überrascht, dass ich von einigen noch nie etwas gehört habe, wie zum Beispiel vom «Money Museum». Oder dem «Kulturama». Oder das «Mühlerama». Es gibt sogar ein «Zivilschutz»-Museum. Ist das überhaupt noch mein Zürich? Aber dann finde ich glücklicherweise einen Schreibfehler, welcher mein eigenes Unwissen übertüncht: «Wildnispark Zürich, Silhwald». Ja, die Silh ist ein ganz eigenes Gewässer. Beim Umblättern wird mir dann schon wieder dieses «Mühlerama» unter die Nase gerieben. Haben die doppelt bezahlt? Und dann sogar noch mit «Geisterstunde»! Und ich weiss nichts davon! In der zweiten Hälfte des Heftes findet sich nur noch Werbung für Uhren, Kleider, Hotels und Restaurants. Das einzig Interessante ist vielleicht, welche Bandbreite an Clubs es in Zürich gibt. Und wie viele Escort-Services. «Nehmen Sie aus Zürich eine unvergessliche erotische Erinnerung mit nach Hause». Gaht’s no! Aus meinem Zürich! Aber nachdem ich erfahren habe, wie manche Seite und Orte ich von Zürich eigentlich noch nicht kenne, muss ich mich ernsthaft fragen, ob ich meinen Besitzanspruch überhaupt noch geltend machen kann. So nahm ich meinen Silberbeefy aus der Silberkugel entgegen und wusste wieder, wo mein Zürich ist. Dort, wo man sich eben nicht teure Werbung in einem «Zürich Guide» erkaufen muss. (Bildquelle: flickr.com)
Weiterlesen
Das ist ein Konzert und kein Fotokurs!
Eins vorweg: Manchmal fühle ich mich wie einer dieser alten Männer im Tram, die über alles und jeden motzen, wenn ich solche Kolumnen schreibe. Es ist also schon so, dass es auch Dinge gibt, die ich mag, wie zum Beispiel eisgekühlte Dosencola oder den Geruch von Benzin. Aber genug von mir, lasst uns über das eigentliche Thema sprechen: Das ist ein Konzert und kein Fotokurs! Ich besuche nun schon seit längerer Zeit Konzerte, grosse, kleine, indoor, outdoor, Punk, Hip-Hop, Indie, Electro, junge Leute, ältere Leute, viele Männer, viele Frauen, und in all diesen Konzerten hat sich in den letzten Jahren eine Konstante gebildet: Irgendwann steht irgendwie immer jemand genau vor mir und fotografiert oder filmt das ganze Konzert mit seinem iPhone/Handy oder Digicam. Früher freute ich mich immer, dass ich mit meinen 190cm über alle hinweg sehen konnte und ärgerte mich dann, wenn der einzige 200cm-Riese am ganzen Konzert genau vor mich hin stand. Aber heute ist es anders: Heute sind es nicht mehr die Riesen, die mich nerven, heute sind es die Leute, welche dauernd irgendeine Kamera vor mein Gesicht halten, um ein Teil des Konzerts für die Nachwelt festzuhalten. So ein Video oder so ein Foto bringt doch nichts. Ich sehe andauernd irgendwelche verwackelten Aufnahmen auf Youtube und frage mich, was die Ersteller damit bezwecken wollten. Mich packt es ja schon nicht bei Live-DVD‘s, mögen sie noch so professionell und gut produziert sein, deswegen besuche ich ja Live-Konzerte. Um den Moment zu erleben, nicht um ihn danach nach Hause zu nehmen und so lange zu betrachten, bis auch der letzte Glanz verschwunden ist. Aber jedem das seine. Mich stört eigentlich nur, wenn ich eine Wand von Kameras/iPhones vor meinem Gesicht habe und mich kaum mehr das Konzert geniessen kann. Aber mir scheint es ohnehin, dass für viele die Konzerte keine Konzerte mehr sind, sondern Events. Und ein Event muss fotografiert/gefilmt werden, ich muss lange vorher auf Facebook ankündigen, dass ich dort hin gehe, vor Ort muss ich nochmals eine Statusnachricht schreiben, am Besten mit einem Foto als Beweis und danach stelle ich noch meine Videos und meine hundertfünfzig Fotos online, damit jeder begriffen hat, dass ich dort war und dass ich wirklich ein Fan bin, aber so richtig. Aber mit Verlaub, dass ist doch keine Fankultur mehr, das ist einfach kindlich. Und es ist nicht mal nur so ein Hipster-Ding, diese Art ein Konzert zu besuchen ist mittlerweile im Mainstream angekommen und absolut salonfähig geworden, grauenhaft! Und wenn mir jetzt jemand sagen will, es gehe hier darum, Erinnerungen zu konservieren: Welche Erinnerungen?! Die, bei denen du die Kamera hochgehalten hast, während du versucht hast ein möglich gutes Bild hinzubekommen. Und dann war dein Lieblingssong auch schon um. Ohne dass du ein einziges Mal hineingetaucht bist, um es etwas pathetisch zu formulieren. Aber wahrscheinlich hat der geneigte Kamerahochhalter gar keinen Lieblingssong, weil er nur am Konzert ist, weil er Tickets gewonnen hat/alle an dieses Konzert wollten/im 20min davon berichtet wurde. Vielleicht bin ich ja der Letzte, den so etwas aufregt, sozusagen der letzte Mohikaner. Und nicht, dass man mich falsch versteht, ich habe im Allgemeinen nichts gegen das Filmen und Fotografieren, auf dem Tahrir-Platz zum Beispiel hat sowas sicher seine Berechtigung. Ich habe noch nicht einmal etwas gegen drei, vier gelegentliche Fotos. Ich habe nur etwas gegen die Leute, die meinen sind müssten mir 90 Minuten ihre Kamera vor das Gesicht halten. Bei denen muss ich es leider ganz nach Schweizer Mentalität erledigen: Ich sage nichts, ich drücke nur ganz sanft, aber bestimmt meinen Ellbogen in ihren Rücken, solange bis sie den Platz wechseln. Konfliktlösung auf höchstem Niveau.
Weiterlesen
Feiere mittlerweile jeden Künstler ab der bei einem Lied auch mal sagt dass er es nur sing wenn keine Handys/Kamera in der Höh sind.
Und was mir auch aufgefallen ist, in der Westschweiz herrscht noch eine andere Kultur, keine Handys nix in der Höh und wenn mal bei einem ruhigen Künstler geplaudert wird "schhht" das ganze Publikum bis Ruhe ist. Warum nicht auch in Zürich?
Früher hat man über die Japaner gelacht, die mit ihren Kameras in 10 Tagen durch ganz Europa düsten und dann erst zu Hause anschauten, wo sie überall waren...
In dem Sinne - lebe für den Moment und trage die Bilder im Herzen.
Hauptsache „Aktuell“!
Seit ich vor ein paar Wochen im 1-Franken-Shop um meine 1-Franken-Einkäufe gebracht wurde, habe ich ein bisschen darauf geachtet, wie die grossen Ladenketten versuchen, dem Kunden Produkte zu verkaufen, welche er im Grunde genommen gar nicht braucht. Gemäss Wikipedia nennt sich das Konsumgütermarketing. Ich bin nun wahrlich kein Marketing-Experte und von Werbung verstehe ich auch nur soviel, wie man als Laie halt davon versteht. Ich bin mehr so auf der anderen Seite, mir wird das Geld aus der Tasche gezogen. Meistens jedenfalls. Manchmal wird es aber selbst mir zu blöd. Eigentlich ist es eine ziemlich logische Sache, dieses Konsumgütermarketing: Es gibt ein „3 für 2“-Angebot, ich schlage zu, weil ich eins geschenkt bekomme und fühle mich super. Der Verkäufer fühlt sich auch super, weil ich wahrscheinlich das Produkt sonst gar nicht gekauft hätte. Man könnte fast schon von einer win-win-Situation sprechen. Natürlich funktioniert das nicht mit allen Produkten: Brot zum Beispiel würde ich nicht „3 für 2“ kaufen, denn ich esse nicht plötzlich mehr Brot als sonst, nur weil es gerade Aktion ist. Soweit die wirtschaftlichen Basics, aber meine Frage ist vielmehr: Funktioniert dieses Konsumgütermarketing überhaupt? Da gehe nun ich in die Migros und sehe eine Packung Shampoo, daneben dasselbe Shampoo im Dreierpack. Die Shampoos im Dreierpack sind zusammen 30 Rappen teurer als drei einzeln gekaufte Shampoos. Funktioniert das wirklich? Sind wir schon so sehr gehirngewaschen, dass wir immer das Gefühl haben, dass Mehrfachpackungen automatisch billiger sind als das gleiche Produkt in Einzelpackungen? Oder ich werde im Lidl bombardiert mit unmöglichen Preisen wie 0.99 Franken oder 6.69 Franken, nur damit ich an der Kasse darauf hingewiesen werde, dass Lidl mir den einen Rappen als Wechselgeld nicht zurückgibt, sondern mir stattdessen vier Rappen schenkt. Wie denn auch, das Einrappenstück wurde im Jahre 2007 offiziell abgeschafft. Aber trotzdem danke für das grosszügige Geschenk! Aber kaufe ich jetzt mehr im Lidl ein? Wirken diese gebrochenen Preise oder Schwellenpreise überhaupt noch? Weiss mittlerweile nicht jeder, dass 9.95 Franken ganz einfach 10 Franken sind und es hier nur um den psychologischen Effekt geht? Mein Liebling aller Konsumgütermarketingtricks (was für ein Wort!) ist aber nach wie vor die Denner-Masche: Bei nahezu allen Regalen (ausser eben beim Brot zum Beispiel) werden Produkte angepriesen, welche zur Zeit Aktion sind. Das geschieht mit diesen farbigen Schildern, auf denen GROSS der neue Preis steht, während der alte durchgestrichen ist. Soweit so alltäglich, nun gibt es aber im Denner auch farbige Tafeln, auf denen in derselben Schrift nicht „Aktion“ geschrieben steht, sondern „Aktuell“. Und „Aktuell“ ist keineswegs billiger. Im Gegenteil: Mit „Aktuell“ wird zum Beispiel auf die neuen (teureren) Chips aufmerksam gemacht. Aber ich wollte sowieso Chips kaufen, warum nicht gleich die neuen testen. Sie sind zwar nicht Aktion, wie ich gemerkt habe, aber nun habe ich sie schon in der Hand und sie sind zumindest „Aktuell“. Touché, Denner, du hast gewonnen! Man könnte sich natürlich stundenlang über diese bösen Kapitalisten aufregen, die dem hart arbeitenden Bürger das letzte Geld aus der Tasche ziehen und diesen dabei noch im Glauben lassen, sie hätten ihm etwas Gutes getan. Aber so ist es meine Art nicht und so sehe ich es mehr als eine Art Spiel zwischen mir und der Werbeindustrie, wobei manchmal ich gewinne, meistens aber die andere Seite. Hauptsache, ich habe jetzt „cheese & onions“-Chips zu Hause, welche ich nie zu Ende essen werde, da sie mir nicht schmecken. Dafür waren sie „Aktuell“.
(Bildquelle: meine Wenigkeit selbst)
Weiterlesen
www.nzzfolio.ch
P.S. "Aktuell" gibt es auch im Coop...
Morgens um 7.15
Letzten Freitag musste ich um 7.15 auf mein Tram, was für meine Verhältnisse ziemlich früh ist. Obwohl das eigentlich für jedermanns Verhältnisse ziemlich früh sein sollte. Jedenfalls bin ich extra ganz hinten eingestiegen, weil ich später auch wieder hinten aussteigen musste – ziemlich clever also fand ich, zumindest beim Einsteigen. Ungefähr fünf Minuten später hatte sich allerdings meine Meinung diesbezüglich um 180 Grad gedreht und ich wäre lieber einen Waggon weiter vorne eingestiegen. Aber unwissend wie ich war, setzte ich mich auf einen dieser Einzelsitze und wollte gerade ein bisschen vor mich hindösen, als ganz hinten im Tram jemand zu singen anfing. Eigentlich war es mehr ein Geschrei und Gebrüll: Abwechslungsweise wurden die Wörter «FCZ», «Züri», «Olé», «Schiri Hueresohn» willkürlich aneinandergereiht und laut hinausposaunt. Manchmal wurde auch eines der Worte bis zu zwanzigmal hintereinander geschrien. Und das um 7.15 in der Früh. Aber natürlich habe ich da kein Büro aufgemacht, ich meine, das ist Zürich, lil big city, da ist es normal, wenn schon frühmorgens irgendwelche Leute im Tram umherbrüllen. Das macht ja auch dieses Städtische aus, es gibt einem dieses Grossstadt-Gefühl. Überdies bin ich ein Anhänger des FC Zürich und dies selbstredend auch um 7.15 Uhr morgens. Ich fühlte mich also nicht bemüssigt, mich mühselig umzudrehen, um zu schauen, von wem denn genau diese Ruhestörung kam. Als der junge Mann (er hörte sich wie ein junger Mann an) dann aber im Eifer des Gefechts plötzlich «FCZ Hueresohn» oder «Züri Hueresohn» schrie, musste ich mich dann trotzdem leicht verärgert nach ihm umdrehen. So geht das ja nun wirklich nicht! Alles hat seine Grenzen. Besonders frühmorgens um 7.15 Uhr, wobei es mittlerweile schon 7.25 Uhr war. So wollte ich also dieser Person mindestens ein paar böse Blicke zuwerfen und wendete mich deshalb um. Ich weiss nicht mehr genau, welchen Terminus ich zum genaueren Beschrieb der Person verwenden darf und welchen nicht, das ändert ja ständig. Jedenfalls war der junge Mann geistig zurückgeblieben. Er hatte das Down Syndrom. Trisomie-21. (Wikipedia sei Dank!) Nun kam mir mein Verhalten natürlich peinlich vor. Ich packte also meinen bösen Blick wieder ein, setzte mich wieder gerade hin und genoss für die letzten zehn Minuten der Fahrt das frühmorgendliche Südkurven-Feeling. Und auch niemand sonst machte einen Pieps und alle taten so, als wäre alles wie immer. Und wir wanderten stumm auf dem schmalen Grad zwischen Toleranz und Ignoranz. Bis ich dann aussteigen musste. Doch genau für solch bizarre Momente liebe ich Zürich über alles. Auch um 7.15 morgens im Tram.
Weiterlesen