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Marco Büsch
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Zürich
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Und täglich grüsst der Zivildienst
Zurzeit arbeite ich wieder einmal meinen Zivildienst ab, genauer: Ich tische in einem Altersheim Essen auf und ab und bediene die Cafeteria. Das ist monoton, langweilig, aber kann auch überaus lustig sein. Es ist halb drei Uhr nachmittags. Zwei Stunden bis Feierabend und 45 Minuten bis zur nächsten Pause. Ich stehe in der Cafeteria hinter der Theke und schaue auf die leeren Tische und Stühle. Es ist Freitag, es ist heiss und niemand will der Cafeteria einen Besuch abstatten. Aber jemand muss dastehen, es könnte ja tatsächlich jemand kommen. Warum also diesen Job nicht dem Zivi überlassen? Ich meine, das kann sogar der Zivi. Und wirklich: Dem ewigen Herumstehen und Nichtstun bin sogar ich gewachsen. Nicht, dass das Nichtstun freiwillig wäre: Ich habe aber eben schon alles geputzt, was es zu putzen gibt. Die Vitrinen, die Tische, die Stühle und die Theke. Zweimal. Ich habe die Bedienungsanleitung der Tiefkühlschublade gelesen und weiss nun, welches ihre ideale Temperatur ist (-10 Grad). Meine Beine schmerzen vom ungewohnten, langen Herumstehen und ich würde mich gerne hinsetzen. Aber jedes Mal, wenn ich mich hinsetze, kommt die Leiterin der Hotellerie, welcher ich angehöre, um die Ecke und das macht dann gar keine gute Falle. Der Zivi, der immer nur herumsitzt. Dabei ist sie eine sehr nette Person, mit modernem Führungsstil; so mit Duzen und dem „wie gehts?“ und so, aber trotzdem sehr bestimmt, wenn es drauf ankommt. Da stehe ich nun, ich armer Tor. Und es läuft seit einer Stunde dieselbe Schlagerhits-CD, die immer läuft, weil wir sie nicht mehr aus dem Abspielgerät herausbekommen. Sie singen davon, dass ich nicht immer 17 sein kann oder dass nur der Bossa Nova Schuld sei... Ich beginne im Rhythmus auf meine Oberschenkel zu klopfen, bis dann endlich zwei alte Frauen die Cafeteria betreten und zwei Kaffee Crèmes bestellen. Zum Glück nicht Wiener Kaffee, den wüsste ich nämlich nicht wie machen. Ich bediene sie und die beiden sitzen dort, trinken ihren Kaffee und schweigen vor sich hin. Ein Mann aus dem CD-Gerät singt von einem weissen Brautkleid. Plötzlich meint die eine, sie habe heute zwei Zehner auf der Strasse gefunden. Die andere Frau macht ein anerkennendes Geräusch. Dann herrscht wieder Stille. Ich überlege mir, ob sie Rappen oder Franken meint und klopfe dabei leicht im Takt auf meine Oberschenkel.Nach weiteren endlosen Minuten bricht dieselbe alte Frau abermals das Schweigen und erzählt, sie habe heute zwei Zehner auf der Strasse gefunden. Die andere nickt anerkennend. Ich überlege mir, ob es sich um Rappen oder Franken handelt. Es kommt mir vor, als hätte diese Situation heute schon einmal stattgefunden. Vielleicht sitze ich in einer Zeitschleife fest. Das wäre aber eine ziemlich miese Zeitschleife. Und ich weiss nicht, wie ich ihr entwischen kann. Aus den Boxen dröhnt weinerlich die Stimme eines Schlagersängers: „Nein, nein, nein, das darf doch nicht wahr sein, nicht schon wieder, immer wieder...“ Wie wahr, wie wahr. Es ist mittlerweile drei Uhr und ich raffe mich auf, um ein weiteres Mal alle Tische zu putzen. Mein Handeln wird lautstark von der alten Frau mit der Zehner-Geschichte kommentiert: „Lueg, jetzt putzt ES dä Tisch!“, „Lueg, jetzt isch ES scho bim nöchschte!“. Ich überlege, etwas zu erwidern, weiss aber nicht genau was – vielleicht, dass ich kein „ES“ bin. Ich lasse es bleiben. Dann ist endlich Pause. Danach klopfe ich wieder längere Zeit auf meine Oberschenkel und als kurz vor Feierabend eine Mitarbeiterin die Kassen-Abrechnung machen kommt und versucht, das Münz im Kopf zusammenzurechnen, ruft die alte Frau wieder lachend: „Lueg, ES macht d’Abrechnig. Es isch bald Fiirabig für ES. ES gheit immer drus!“ Ich schmunzle vor mich hin und verschwinde nach Hause. Bis Morgen. Denn täglich grüsst der Zivildienst.
Und täglich grüsst der Zivildienst
Zurzeit arbeite ich wieder einmal meinen Zivildienst ab, genauer: Ich tische in einem Altersheim Essen auf und ab und bediene die Cafeteria. Das ist monoton, langweilig, aber kann auch überaus lustig sein.
Es ist halb drei Uhr nachmittags. Zwei Stunden bis Feierabend und 45 Minuten bis zur nächsten Pause. Ich stehe in der Cafeteria hinter der Theke und schaue auf die leeren Tische und Stühle. Es ist Freitag, es ist heiss und niemand will der Cafeteria einen Besuch abstatten. Aber jemand muss dastehen, es könnte ja tatsächlich jemand kommen. Warum also diesen Job nicht dem Zivi überlassen? Ich meine, das kann sogar der Zivi. Und wirklich: Dem ewigen Herumstehen und Nichtstun bin sogar ich gewachsen. Nicht, dass das Nichtstun freiwillig wäre: Ich habe aber eben schon alles geputzt, was es zu putzen gibt. Die Vitrinen, die Tische, die Stühle und die Theke. Zweimal. Ich habe die Bedienungsanleitung der Tiefkühlschublade gelesen und weiss nun, welches ihre ideale Temperatur ist (-10 Grad). Meine Beine schmerzen vom ungewohnten, langen Herumstehen und ich würde mich gerne hinsetzen. Aber jedes Mal, wenn ich mich hinsetze, kommt die Leiterin der Hotellerie, welcher ich angehöre, um die Ecke und das macht dann gar keine gute Falle. Der Zivi, der immer nur herumsitzt. Dabei ist sie eine sehr nette Person, mit modernem Führungsstil; so mit Duzen und dem „wie gehts?“ und so, aber trotzdem sehr bestimmt, wenn es drauf ankommt. Da stehe ich nun, ich armer Tor. Und es läuft seit einer Stunde dieselbe Schlagerhits-CD, die immer läuft, weil wir sie nicht mehr aus dem Abspielgerät herausbekommen. Sie singen davon, dass ich nicht immer 17 sein kann oder dass nur der Bossa Nova Schuld sei... Ich beginne im Rhythmus auf meine Oberschenkel zu klopfen, bis dann endlich zwei alte Frauen die Cafeteria betreten und zwei Kaffee Crèmes bestellen. Zum Glück nicht Wiener Kaffee, den wüsste ich nämlich nicht wie machen. Ich bediene sie und die beiden sitzen dort, trinken ihren Kaffee und schweigen vor sich hin. Ein Mann aus dem CD-Gerät singt von einem weissen Brautkleid. Plötzlich meint die eine, sie habe heute zwei Zehner auf der Strasse gefunden. Die andere Frau macht ein anerkennendes Geräusch. Dann herrscht wieder Stille. Ich überlege mir, ob sie Rappen oder Franken meint und klopfe dabei leicht im Takt auf meine Oberschenkel. Nach weiteren endlosen Minuten bricht dieselbe alte Frau abermals das Schweigen und erzählt, sie habe heute zwei Zehner auf der Strasse gefunden. Die andere nickt anerkennend. Ich überlege mir, ob es sich um Rappen oder Franken handelt. Es kommt mir vor, als hätte diese Situation heute schon einmal stattgefunden. Vielleicht sitze ich in einer Zeitschleife fest. Das wäre aber eine ziemlich miese Zeitschleife. Und ich weiss nicht, wie ich ihr entwischen kann. Aus den Boxen dröhnt weinerlich die Stimme eines Schlagersängers: „Nein, nein, nein, das darf doch nicht wahr sein, nicht schon wieder, immer wieder...“ Wie wahr, wie wahr. Es ist mittlerweile drei Uhr und ich raffe mich auf, um ein weiteres Mal alle Tische zu putzen. Mein Handeln wird lautstark von der alten Frau mit der Zehner-Geschichte kommentiert: „Lueg, jetzt putzt ES dä Tisch!“, „Lueg, jetzt isch ES scho bim nöchschte!“. Ich überlege, etwas zu erwidern, weiss aber nicht genau was – vielleicht, dass ich kein „ES“ bin. Ich lasse es bleiben. Dann ist endlich Pause. Danach klopfe ich wieder längere Zeit auf meine Oberschenkel und als kurz vor Feierabend eine Mitarbeiterin die Kassen-Abrechnung machen kommt und versucht, das Münz im Kopf zusammenzurechnen, ruft die alte Frau wieder lachend: „Lueg, ES macht d’Abrechnig. Es isch bald Fiirabig für ES. ES gheit immer drus!“ Ich schmunzle vor mich hin und verschwinde nach Hause. Bis Morgen. Denn täglich grüsst der Zivildienst.
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XXX findet dein Profil Hot!
Es ist wieder geschehen. Man hat mir einmal mehr das Prädikat „heiss“ verliehen. Zwar nicht in der realen Welt, aber zumindest auf students.ch. Wenn man dort das Profil eines anderen Benutzers anschaut, dann gibt es diesen Button, auf dem „Hot!“ steht (jawohl, mit Ausrufezeichen!). Wenn man den dann drückt, wird jenem Benutzer sogleich die Nachricht übermittelt: „XXX findet dein Profil Hot!“. Ich habe davon noch nie Gebrauch gemacht, weil ich nicht genau weiss, was das heissen soll. Für längere Zeit gab es da überhaupt keine Probleme: Das „Hot!“ ging seinen Weg und ich ging meinen, aber nun wurde ich in letzter Zeit ein paar mal „gehottet!“ und ich kann damit schlicht und einfach nicht umgehen. Ich meine, schauen wir uns die Möglichkeiten an: Auf students.ch kann man sich öffentlich Kommentare ins Profil schreiben, sich private Nachrichten schicken oder sogar Freunde werden: So weit, so Facebook. Aber dann gibt es diese scheinbar absurden Abstufungen – weg vom einfachen Facebook-“gefällt mir“: Ich kann dem anderen Benutzer einen Semesterstartgruss schicken (besonders lustig nach Ende des Semesters...) oder ich kann auf Hot! klicken. Beides verstehe ich nicht. Was soll mit dem Semesterstartgruss vermittelt werden? Dass ich den Benutzer mag, aber ich mich nicht getraue, ihn anzusprechen? Oder mag ich den Benutzer oder sein Profil, will aber eigentlich gar nicht mehr mit ihm zu tun haben? Mit dem Semesterstartgruss verhält es sich ungefähr so, als würde ich auf der Strasse jemandem, der mir gefällt, zuwinken, mich ihm aber dann nicht nähern, sondern davonlaufen. Aber um einiges unsäglicher finde ich in diesem Zusammenhang diese Hot!-Funktion: Was will mir der andere Benutzer damit vermitteln, wenn er bei mir auf Hot! klickt? Da gibt es auch wieder die These, dass ich zu schüchtern bin, als dass ich dem anderen Benutzer eine Nachricht hinterlasse. Wobei ich persönlich die Hot!-Bekundung eigentlich viel mutiger finde, was mich sogleich zur zweiten These führt: Soll das der Beginn eines wortlosen Flirts sein und meine Wenigkeit hat es nur nicht erkannt? Oder ist es gar ein unmoralisches Angebot? Wird von mir verlangt, dass ich dem Hotter! jetzt eine Nachricht mit Uhrzeit und Ort schicke? Vielleicht findet der Hotter! aber auch nur mein Profil Hot!, meine Blogeinträge oder welche Filme ich gerne anschaue. Diese Unwissenheit bringt mich noch um meinen Verstand! Wieso spricht mich diese Person nicht einfach an? Vielleicht findet sie mein Profilbild toll, aber hat Angst, dass ich mich dann in einem Gespräch als der totale Trottel entpuppen würde. Davor ist man ja allerdings auch im echten Leben nicht gefeit und im Internet schon gar nicht. Hier könnte ich sogar eine Frau sein, die sich einfach ein männliches Profil zurecht geschustert hat. Vielleicht ist es doch besser, einfach nur Hot! zu drücken und abzuwarten. Dementsprechend sind diese meine Worte natürlich nicht gegen die Hot!-Drücker gerichtet, ihr seid Super!, es soll nur mein Unvermögen mit dieser Angelegenheit umzugehen dargestellt werden. Falls also irgendjemand eine Idee hat bezüglich Sinn und Zweck dieser Hot!-Funktion, dann wäre ich froh, man könnte mich aufklären. Und ansonsten werde ich mich einfach meinem Schicksal ergeben. Dies hat damals beim Facebook-“gefällt mir“ funktioniert, als ich nie wusste, was genau der Person denn eigentlich gefiel, und es wird auch bei diesem Hot!-Button funktionieren. Kommt Zeit, kommt vielleicht auch mal eine persönliche Nachricht.
(Bilderquelle: flickr.com, Mac Oase)
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Also ich für meinen Teil finde es interessant, wenn sich Personen in dieser Halbanonymität plötzlich ganz anders benehmen als in der Realität, aber es kann schon sein, dass dies nicht jeden interessiert. Ich danke trotzdem fürs lesen.
Und ja, die Seite kann sicher enttäuschend sein, je nachdem was man so sucht. Aber dasselbe gilt sicherlich auch für ronorp.
ich habe keine persönlichen bilder von mir auf students.ch & wurde auch gehottet, da kann man also davon ausgehen dass mein inhalt sehr positiv angekommen ist oder das erwartet wird den button ebenfalls zu tätigen - was ich bestimmt nicht tun werde.
aber sich soviele gedanken darüber zu machen ist doch reine zeitverschwendung, kannst ja einfach kontakt aufnehemn wenn von deiner seite interesse besteht.
und von der seite bin ich eh absolut enttäuscht...
Der 1-Franken-Shop
Ich gebe es offen zu: Jedesmal wenn ich in Deutschland eine grössere Stadt besuche, muss ich einen Abstecher in einen 1-Euro-Shop machen. Ich weiss nicht genau warum, wahrscheinlich fasziniert es mich einfach zu sehen, welche Welten sich mir eröffnen mit nur einem Euro in der Brieftasche. Aber meist lässt man ja dann mehr als einen Euro in dieses Läden zurück und ist dafür im Besitz sinnentleerter Dinge, die ihren Unterhaltungswert nach geschätzten zwei Tagen wieder verloren haben. Aber das ist nicht von Bedeutung, denn: Die Waren haben alle pro Stück nur einen Euro gekostet! Meistens kaufe ich dann aber doch nur ein Mezzomix, denn was soll ich mit 1-Euro-Klobürsten auf einer Urlaubsreise? Aber ich „könnte“ sie für einen Euro kaufen, wenn ich „wollte“! Nun war ich letztens in einem Einkaufszentrum in Oerlikon und fand dort tatsächlich einen 1-Franken-Shop. Eigentlich hatte ich enormen Hunger und wollte nur im Coop mein Mittagessen kaufen, aber bei diesem Anblick wurde mein Grundbedürfnis nach Nahrung nebensächlich und musste einer unbändigen Neugierde weichen. Was würde es wohl in einem 1-Franken-Shop in der Schweiz für einen Franken zu kaufen geben? Hier, wo sogar eine Packung Kaugummis mehr als einen Franken kostet. So betrat ich denn voller Erwartung das Ladeninnere, schaute auf das erste Preisschild, das mir unter die Augen kam und wurde bitter enttäuscht: Fr. 4.50 für eine Holzkelle! Verzweifelt rannte ich durch den Laden auf der Suche nach Produkten für einen Franken, wurde aber nicht fündig. Ich fühlte mich betrogen. Dass in einem 1-Euro-Shop in Deutschland die Produkte manchmal etwas teurer als ein Euro sind, das ist in Ordnung, solange zumindest die Mehrheit der Produkte nur einen Euro kostet. Aber in einem Laden, der sich „1-Franken-Shop“ nennt und dann kaum einen Artikel für einen Franken verkauft, sondern die meisten für deutlich mehr, bin ich geneigt von Irreführung des Kunden zu sprechen. Ich jedenfalls fühlte mich betrogen. Eine ganze Traumwelt aus unfassbar billigen Artikeln brach um mich herum zusammen. Und mir wurde schlagartig wieder bewusst, weswegen ich eigentlich dieses Einkaufszentrum aufgesucht hatte: Aus Hunger! Ich kann diesen Laden leider in keinster Weise weiterempfehlen, wer ihm aber trotzdem einmal einen Besuch abstatten will, findet unten die Adresse. Okay, ich kann jetzt nicht so sein. Es gab auch gute Momente in den fünf Minuten, die ich dort verbracht habe: So zum Beispiel die Entdeckung einer Tasse mit Hupe. Oder einer Hupe mit Tasse. Vielleicht kann mir jemand den Sinn und Zweck dieses Produkts verraten, ich habe ihn nicht gefunden. Ich weiss nur, dass dieses Gebilde mit seinen Fr. 19.90 eindeutig zu teuer ist für einen 1-Franken-Shop, aber eigentlich auch für jeden anderen Shop dieser Welt.
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Wie eine Schachtel Pralinen
Letztes Wochenende sass ich auf dem Balkon und musste mir zwangsweise ein abendfüllendes Coldplay-Konzert anhören. Das kommt davon, wenn man in der Nähe des Letzigrund-Stadions wohnt. Wobei ich Coldplay jetzt nicht wirklich negativ gegenüberstehe, mehr so neutral. Ehrlich gesagt, habe ich mich nie ernsthaft mit dieser Band auseinander gesetzt. Dabei liegt bei mir seit Monaten eine Coldplay Live-DVD herum aus dem Jahre 2003, welche ich mir aber bis jetzt mangels Zeit noch nicht anschauen konnte. Zu solchen DVD’s kommt man, wenn man auf ricardo.ch ganze Packages ersteigert, obwohl man es eigentlich nur auf zwei der Filme abgesehen hat. Nichtsdestotrotz bin ich nun ja doch in den Genuss eines Coldplay-Livekonzerts gekommen und ich gebe zu: Sie sind ganz okay. Zumindest das, was ich so gehört habe. Aber es soll hier nicht um Chris Martin und seine Truppe gehen, auch Herbert Grönemeyer oder AC/DC haben gute Konzerte abgeliefert, soweit ich es vom Balkon aus beurteilen konnte. Ich freue mich ohnehin immer ungemein über die verschiedenen Darbietungen, meistens nämlich bekomme ich nur die Klavierkünste der Nachbarin unter mir mit. Oder eher ihre Antikünste, denn seit geschätzten fünf Jahren spielt sie immer die gleichen zwei Lieder auf dem Klavier. Und immer macht sie die gleichen Fehler. Immer und immer wieder. Das ist manchmal zum Durchdrehen, wenn man zum Beispiel lernen sollte. Aber das Schlimmste ist gar nicht die musikalische Beschallung an sich, vielmehr stört mich die Wahl der Lieder: Es handelt sich nämlich um die Titelmelodien zu den Filmen „Forrest Gump“ von Alan Silvestri und „Die fabelhafte Welt der Amélie“ von Yann Tiersen. Beide Lieder sowie auch die dazugehörigen Filme gefallen mir sehr, umso schlimmer deshalb, dass mir diese beiden Melodien mittlerweile völlig verleidet sind, dank der Unkünste meiner Nachbarin. Ich verstehe grundsätzlich nicht so viel vom Klavierspiel, aber ich denke mir mal, diese Melodien sind nicht ganz einfach zu spielen, so dass es gut klingt. Aber wenn man seit fünf Jahren mindestens einmal pro Woche diese Lieder auf dem Klavier übt – und ich meine NUR diese Lieder –, dann sollte es doch möglich sein, sie auch mal fehlerfrei zu spielen! Einfach aus Respekt vor den Komponisten. Und vielleicht auch ein bisschen den Nachbarn zuliebe. Naja, wie schon Forrest Gump’s Mutter immer zu sagen pflegte, ist das Leben wie eine Packung Pralinen: Man weiss nie, was man bekommt. Dem kann ich als Stadtmensch durchaus nur zustimmen: Das Wohnen in einem Mietshaus ist wie eine Schachtel Pralinen: Man weiss nie, ob man vielleicht Nachbarn bekommt, welche immer die gleichen zwei Melodien am Klavier üben und dabei regelmässig kläglich scheitern. Aber wie es wiederum in „Amélie“ heisst: "Wenn der Finger zum Himmel zeigt, schaut nur ein Dummkopf den Finger an." – Vielleicht sind die falsch gespielten Melodien ein unerwiderter Hilferuf meiner armen Nachbarin. Vielleicht ist sie aber auch nur total talentfrei im Bezug aufs Klavierspielen. Ich für meinen Teil setze mich nun wieder auf den Balkon und warte den nächsten Stadiongig ab; die haben wenigstens ein bisschen ein grösseres Repertoire, egal, wer uns beehrt. (Bildquelle: flickr.com, serge_bosshard)
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Verschoben oder nicht – das ist hier die Frage
Seit gestern wird in Oerlikon ein 80 Meter langes Backsteinhaus um 60 Meter verschoben. Damit soll neuen Geleisen für den Bahnhof Oerlikon Platz gemacht werden. Es soll sich um die bisher grösste Häuserverschiebung Europas handeln. Über Sinn und Unsinn dieser Aktion lässt sich streiten, mich wundert vielmehr, wie genial diese Verschiebung medial inszeniert wurde. Ich meine, das Ganze wird live im öffentlichen Fernsehen übertragen und vor der Baustelle werden Würste und Getränke verkauft. Und das Beste ist: Die Leute schauen es sich tatsächlich an – im Fernsehen wie auch in der Realität. Da mein Studium grösstenteils im Gebäude neben diesem Backsteinhaus stattfindet und ich nun schon meine halbe Studiumskarriere mit dieser Baustelle leben musste, inklusive Lärmimmissionen, dachte ich mir, ich schaue kurz rein, ob sich der ganze Lärm und die Umstände überhaupt gelohnt haben. Nun stand ich zwischen geschätzten hundert Zuschauern und beobachtete das Haus. Sechs Zentimeter sollte es sich pro Minute bewegen. Auf dem Dach waren ein Haufen rote Ballone angebunden: Vielleicht wurde das Haus ja so transportiert, so quasi per Luftpost. Ha ha. Stimmt natürlich nicht: Das Haus wird per Hydraulikarm vor sich hergeschoben. Fragt bitte nicht, was das ist, ich bin kein Ingenieur. Für mich grenzt das an Magie. Das mit den Ballonen hätte ich jedenfalls eher verstanden. So stand ich nun dort und starrte gebannt auf die Schienen, auf denen das Haus stand und den Haufen Bauarbeiter, die alle wichtige Dinge taten. Manchmal blinkte ein oranges Licht auf. Alle schauten mit grossen Augen dem Geschehen zu, aber ganz ehrlich: Ich sah nichts. Ich sah es einfach nicht. Ich bemerkte keine Bewegung des Hauses. Für mich stand es immer noch am gleichen Ort wie vor fünf Minuten und nicht 30 Zentimeter weiter vorne. Ich tat meinen Unmut kund, indem ich leise vor mich hin murmelte, dass man doch gar nichts sehe. Ein älterer Mann neben mir nahm dies sogleich als Chance wahr, mir den genauen Verlauf der Verschiebung zu erklären und wies darauf hin, dass das Haus nur verschoben werde, wenn irgendein Bauarbeiter unten irgendetwas mache, so genau habe ich das nicht verstanden. Ich nickte aber artig und sagte ab und zu „aha, so isch das“. Ab diesem Moment schüttelte er beinahe jede Minute meinen Arm und teilte mir mit, dass es nun wieder ein paar Zentimeter vorwärts gehe. Ich nickte nur immer und schaute angestrengt, aber ich sah es immer noch nicht. Ich wollte aber nicht als totaler Depp dastehen, wo doch alle anderen scheinbar die sanften Bewegungen des Hauses mitbekamen und so teilte ich mit erhobener Stimme den rundum stehenden Leuten mit, dass ich es jetzt also auch sehe, es sei der Wahnsinn. Der ältere Herr schaute mich zuerst irritiert an und meinte dann nur ganz trocken, dass es sich nun im Moment gerade nicht bewege, weil der Bauarbeiter dort unten dies und jenes zuerst machen müsse. Er stupste mich danach nicht mehr an und verschwand nach wenigen Minuten in der Menge. Manchmal kann das Leben so peinlich sein. So muss der Kaiser sich also gefühlt haben im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Und das alles nur, weil ich vor dem älteren Mann nicht zugeben wollte, dass mir die Bewegungen des Hauses gar nicht auffielen. Ich meine, er hatte sich eine solche Mühe gemacht, mir alles voller Enthusiasmus zu erklären, da wollte ich ihm doch wenigstens ein bisschen Begeisterung und Verblüffung zurückgeben. Vielleicht wäre ein bisschen Ehrlichkeit angemessener gewesen. Es ist allgemein interessant zu sehen, wie schwer es einem fällt, sich vor wildfremden Leuten eine Blösse zu geben, Dinge nicht zu verstehen oder sie eben nicht zu sehen. Heute werde ich mir das Spektakel jedenfalls am Fernsehen anschauen, wenn überhaupt. Aber eigentlich ist diese Hausverschiebung überhaupt ein wenig überbewertet, also ich habe nichts gesehen und ich war dabei.
(Bildquelle: flickr.com, dhmann)
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Das Imperium schlägt zurück
Wenn man in der Nähe einer Tramhaltestelle wohnt, welche zwischen der Drogenabgabestelle und dem Arbeitsamt liegt, hat man als Kolumnist ausgesorgt. Da wird getrunken, geschimpft, beleidigt und diskutiert über Gott und die Welt. Ausser, wenn jemand mitten im Gespräch einen Anruf entgegen nimmt. So geschehen letzte Woche. Ich wartete auf mein Tram neben einer Bank, auf der zwei Alk... ich meine natürlich, auf der zwei Personen sassen, mit denen es das Leben nicht allzu gut gemeint hat. Sie hatten Migros-Säcke voller Kleider vor sich hingestellt und diskutierten darüber, dass irgendjemand ein „ganz Guter“ sei. Das Tram rollte heran und machte schrille Geräusche, weil der eine Alk.., ich meine die eine Person vor lauter Freude fast vor’s Tram getorkelt wäre. Wir stiegen alle ein und das Gespräch über diesen „wirklich ausserordentlich guten Menschen“ wurde fortgesetzt. Bis das Handy des einen klingelte und er den Anruf – ohne Vorwarnung! – entgegennahm. Der andere schaute ihn fassungslos an darob, dass jemand die Diskussion mit IHM einfach unterbrechen konnte, um mit einer Person zu sprechen, die physisch nicht einmal anwesend war. Demonstrativ schrie er durch das ganze Tram: „Also Ciao! Dänn gang ich halt!“ An der nächsten Haltestelle packte er seine Migros-Säcke und stampfte ohne den anderen eines Blickes zu würdigen aus dem Tram mit den Worten „Jetzt hol ich mir en Kebab und zwei Bier!“ Ich war hell begeistert: Dieser Mann hat getan, was ich immer schon einmal tun wollte! Es gibt doch nichts Unhöflicheres als mitten in einem spannenden Gespräch einen Anruf entgegen zu nehmen und dann minutenlang mit der Person am anderen Ende der Leitung über unwichtige Dinge zu plaudern, während jemand gegenüber sitzt, der sich dadurch saumässig blöd vorkommt. Wie bestellt und nicht abgeholt. Vor allem wenn man nicht raucht. Was soll man in so einer Situation tun? Man läuft eben leider nicht davon, man sagt nicht einmal etwas. Denn man ist ja verständnisvoll. Man steht da drüber. Man muss es ja nicht gleich persönlich nehmen. So ist halt unser Handy-Smartphone-Facebook-Twitter-Zeitalter. Wer nimmt sich schon Zeit für sein Gegenüber, wenn man auch jederzeit mit jemand anderem reden könnte. Und dann macht diese Person, was wir alle schon immer mal machen wollten, aber uns nie getrauten, weil es gegen jede Konvention verstösst: Er läuft einfach davon. Was für ein Befreiungsschlag! Ich war begeistert! Ich habe mir fest vorgenommen, dies bei der nächsten Gelegenheit auch zu tun: Egal ob im Hörsaal, bei der Arbeit, im Restaurant oder im Krankenhaus: Einfach davonlaufen. Das Imperium schlägt zurück!
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