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Marco Büsch

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Meine Stadt Zürich
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Und täglich grüsst der Zivildienst

Und täglich grüsst der Zivildienst

Zurzeit arbeite ich wieder einmal meinen Zivildienst ab, genauer: Ich tische in einem Altersheim Essen auf und ab und bediene die Cafeteria. Das ist monoton, langweilig, aber kann auch überaus lustig sein. Es ist halb drei Uhr nachmittags. Zwei Stunden bis Feierabend und 45 Minuten bis zur nächsten Pause. Ich stehe in der Cafeteria hinter der Theke und schaue auf die leeren Tische und Stühle. Es ist Freitag, es ist heiss und niemand will der Cafeteria einen Besuch abstatten. Aber jemand muss dastehen, es könnte ja tatsächlich jemand kommen. Warum also diesen Job nicht dem Zivi überlassen? Ich meine, das kann sogar der Zivi. Und wirklich: Dem ewigen Herumstehen und Nichtstun bin sogar ich gewachsen. Nicht, dass das Nichtstun freiwillig wäre: Ich habe aber eben schon alles geputzt, was es zu putzen gibt. Die Vitrinen, die Tische, die Stühle und die Theke. Zweimal. Ich habe die Bedienungsanleitung der Tiefkühlschublade gelesen und weiss nun, welches ihre ideale Temperatur ist (-10 Grad). Meine Beine schmerzen vom ungewohnten, langen Herumstehen und ich würde mich gerne hinsetzen. Aber jedes Mal, wenn ich mich hinsetze, kommt die Leiterin der Hotellerie, welcher ich angehöre, um die Ecke und das macht dann gar keine gute Falle. Der Zivi, der immer nur herumsitzt. Dabei ist sie eine sehr nette Person, mit modernem Führungsstil; so mit Duzen und dem „wie gehts?“ und so, aber trotzdem sehr bestimmt, wenn es drauf ankommt. Da stehe ich nun, ich armer Tor. Und es läuft seit einer Stunde dieselbe Schlagerhits-CD, die immer läuft, weil wir sie nicht mehr aus dem Abspielgerät herausbekommen. Sie singen davon, dass ich nicht immer 17 sein kann oder dass nur der Bossa Nova Schuld sei... Ich beginne im Rhythmus auf meine Oberschenkel zu klopfen, bis dann endlich zwei alte Frauen die Cafeteria betreten und zwei Kaffee Crèmes bestellen. Zum Glück nicht Wiener Kaffee, den wüsste ich nämlich nicht wie machen. Ich bediene sie und die beiden sitzen dort, trinken ihren Kaffee und schweigen vor sich hin. Ein Mann aus dem CD-Gerät singt von einem weissen Brautkleid. Plötzlich meint die eine, sie habe heute zwei Zehner auf der Strasse gefunden. Die andere Frau macht ein anerkennendes Geräusch. Dann herrscht wieder Stille. Ich überlege mir, ob sie Rappen oder Franken meint und klopfe dabei leicht im Takt auf meine Oberschenkel.Nach weiteren endlosen Minuten bricht dieselbe alte Frau abermals das Schweigen und erzählt, sie habe heute zwei Zehner auf der Strasse gefunden. Die andere nickt anerkennend. Ich überlege mir, ob es sich um Rappen oder Franken handelt. Es kommt mir vor, als hätte diese Situation heute schon einmal stattgefunden. Vielleicht sitze ich in einer Zeitschleife fest. Das wäre aber eine ziemlich miese Zeitschleife. Und ich weiss nicht, wie ich ihr entwischen kann. Aus den Boxen dröhnt weinerlich die Stimme eines Schlagersängers: „Nein, nein, nein, das darf doch nicht wahr sein, nicht schon wieder, immer wieder...“ Wie wahr, wie wahr. Es ist mittlerweile drei Uhr und ich raffe mich auf, um ein weiteres Mal alle Tische zu putzen. Mein Handeln wird lautstark von der alten Frau mit der Zehner-Geschichte kommentiert: „Lueg, jetzt putzt ES dä Tisch!“, „Lueg, jetzt isch ES scho bim nöchschte!“. Ich überlege, etwas zu erwidern, weiss aber nicht genau was – vielleicht, dass ich kein „ES“ bin. Ich lasse es bleiben. Dann ist endlich Pause. Danach klopfe ich wieder längere Zeit auf meine Oberschenkel und als kurz vor Feierabend eine Mitarbeiterin die Kassen-Abrechnung machen kommt und versucht, das Münz im Kopf zusammenzurechnen, ruft die alte Frau wieder lachend: „Lueg, ES macht d’Abrechnig. Es isch bald Fiirabig für ES. ES gheit immer drus!“ Ich schmunzle vor mich hin und verschwinde nach Hause. Bis Morgen. Denn täglich grüsst der Zivildienst.