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Marco Büsch
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Zürich
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Aus Alfredos Heimat
Ein lehrreiches Mittagessen neben Nella Martinetti und Tante Martha aus „Fascht ä Familie“: Das gibt es nur in der Silberkugel. Gutes Essen aber auch bei Alfredos.Letztens ging ich wieder einmal über Mittag in die Silberkugel essen und setzte mich auf einen der letzten freien Plätze. Wie das so kommt, wenn man ein bisschen länger auf sein Silberbeefy mit Käse warten muss, lauschte ich ein bisschen den Gesprächen um mich herum. Linkerhand sassen zwei ältere Damen, von denen eine aussah wie Nella Martinetti (Gott habe sie selig) und die andere wie Tante Martha aus „Fascht ä Familie“ (Gott habe Martin Schenkel selig). Sie waren anscheinend Arbeitskolleginnen, denn es wurde viel über die Arbeit gemotzt, aber eigentlich mehr über eine ihrer Arbeitskolleginnen, eine gewisse Henriette. Die rede immer so viel. Nella meinte dann, Henriettes Mann, der Heiri, sei viel angenehmer, der lege sich – wenn er bei ihnen zu Besuch sei – immer nach einer Stunde kurz auf’s Sofa und schlafe dann ein. So einer ist der Heiri, ein ganz Feiner. Nicht so eine Quasselstrippe wie die Henriette. Die wollte sie, die Nella und ihren Mann, doch tatsächlich in ein Restaurant einladen, zu einem Mexikaner. Oder zu einem Thailänder. Nella schnaubte, sie esse doch nicht so einen ausländischen „Saugrümpel“! Lieber esse sie im „Leuen“, ihrer Dorfbeiz. Und das wisse die Henriette ganz genau. Ich dachte so ganz leise bei mir, dass der Silberbeefy mit Käse jetzt auch nicht gerade das Allerschweizerischste ist.Aber an der währschaften Schweizer Küche ist wirklich nicht viel auszusetzen. Als Geheimtipp sei hier das Restaurant „Utoburg“ bei der S-Bahnstation Binz zu nennen: Eine nette Bedienung, faire Preise und feines Essen. Und jeden Abend ungefähr die gleichen fünf Nasen, die um einen Tisch sitzen und ein Bier nach dem anderen in sich hineinkippen. Eine richtige Dorfbeiz halt und das mitten in der Stadt; wunderbar. Der Nella könnte ich die Beiz aber wahrscheinlich trotzdem nicht schmackhaft machen, denn seit Alfredo der neue Koch in der „Utoburg“ ist, wurde auch die Speisekarte entsprechend angereichert. Es gibt zwar immer noch die gleichen Speisen, aber nun auch noch Gerichte „aus Alfredos Heimat“. Und das sind nicht etwa Spaghetti, Pizza und Gnocchi, sondern Lammcurry, Gemüsecurry und Pouletcurry. Ich bin wirklich kein Ethnologe (oder welchen Studiengang man dazu auch immer belegt haben muss), um das zu wissen, aber ich denke, es handelt sich bei Alfredo um einen Inder. Oder zumindest ist er ungefähr von diesem Teil der Erde. Und Nella hätte da wohl ernsthafte Probleme damit. Aber ausser der Nella würde ich die „Utoburg“ also jedem wärmstens weiterempfehlen, sie haben sogar einen Jassteppich auf einem der Tische, falls jemandem danach ist.Abschliessend möchte ich noch erwähnt haben, dass ich es durchaus auch gerne mal ein bisschen schweizerischer mag, es muss ja nicht immer alles so international sein. Als ich nämlich in der Silberkugel vor der Kasse anstand, redeten zwei Anzugmenschen vor mir nonstop über den Yen-Wechselkurs und wie viele Wochen denn der letzte Japanbesuch schon wieder zurückliege. Weisst du, wegen dem Globalmiddleupperhedgefundleerverkaufzinsguthabendefizit. Um das zu regeln. Nein, weiss ich nicht. Hört bitte auf, sonst werde ich noch zum Globalisierungsgegner wie die Nella. Da halte ich es eher ein bisschen wie die Occupy-irgendwas-Leute: Mit so einem „Saugrümpel“ mag ich mich nicht auseinandersetzen. Ich esse lieber Lammcurry bei Alfredo.
Aus Alfredos Heimat
Ein lehrreiches Mittagessen neben Nella Martinetti und Tante Martha aus „Fascht ä Familie“: Das gibt es nur in der Silberkugel. Gutes Essen aber auch bei Alfredos.
Letztens ging ich wieder einmal über Mittag in die Silberkugel essen und setzte mich auf einen der letzten freien Plätze. Wie das so kommt, wenn man ein bisschen länger auf sein Silberbeefy mit Käse warten muss, lauschte ich ein bisschen den Gesprächen um mich herum. Linkerhand sassen zwei ältere Damen, von denen eine aussah wie Nella Martinetti (Gott habe sie selig) und die andere wie Tante Martha aus „Fascht ä Familie“ (Gott habe Martin Schenkel selig). Sie waren anscheinend Arbeitskolleginnen, denn es wurde viel über die Arbeit gemotzt, aber eigentlich mehr über eine ihrer Arbeitskolleginnen, eine gewisse Henriette. Die rede immer so viel. Nella meinte dann, Henriettes Mann, der Heiri, sei viel angenehmer, der lege sich – wenn er bei ihnen zu Besuch sei – immer nach einer Stunde kurz auf’s Sofa und schlafe dann ein. So einer ist der Heiri, ein ganz Feiner. Nicht so eine Quasselstrippe wie die Henriette. Die wollte sie, die Nella und ihren Mann, doch tatsächlich in ein Restaurant einladen, zu einem Mexikaner. Oder zu einem Thailänder. Nella schnaubte, sie esse doch nicht so einen ausländischen „Saugrümpel“! Lieber esse sie im „Leuen“, ihrer Dorfbeiz. Und das wisse die Henriette ganz genau. Ich dachte so ganz leise bei mir, dass der Silberbeefy mit Käse jetzt auch nicht gerade das Allerschweizerischste ist.
Aber an der währschaften Schweizer Küche ist wirklich nicht viel auszusetzen. Als Geheimtipp sei hier das Restaurant „Utoburg“ bei der S-Bahnstation Binz zu nennen: Eine nette Bedienung, faire Preise und feines Essen. Und jeden Abend ungefähr die gleichen fünf Nasen, die um einen Tisch sitzen und ein Bier nach dem anderen in sich hineinkippen. Eine richtige Dorfbeiz halt und das mitten in der Stadt; wunderbar. Der Nella könnte ich die Beiz aber wahrscheinlich trotzdem nicht schmackhaft machen, denn seit Alfredo der neue Koch in der „Utoburg“ ist, wurde auch die Speisekarte entsprechend angereichert. Es gibt zwar immer noch die gleichen Speisen, aber nun auch noch Gerichte „aus Alfredos Heimat“. Und das sind nicht etwa Spaghetti, Pizza und Gnocchi, sondern Lammcurry, Gemüsecurry und Pouletcurry. Ich bin wirklich kein Ethnologe (oder welchen Studiengang man dazu auch immer belegt haben muss), um das zu wissen, aber ich denke, es handelt sich bei Alfredo um einen Inder. Oder zumindest ist er ungefähr von diesem Teil der Erde. Und Nella hätte da wohl ernsthafte Probleme damit. Aber ausser der Nella würde ich die „Utoburg“ also jedem wärmstens weiterempfehlen, sie haben sogar einen Jassteppich auf einem der Tische, falls jemandem danach ist.
Abschliessend möchte ich noch erwähnt haben, dass ich es durchaus auch gerne mal ein bisschen schweizerischer mag, es muss ja nicht immer alles so international sein. Als ich nämlich in der Silberkugel vor der Kasse anstand, redeten zwei Anzugmenschen vor mir nonstop über den Yen-Wechselkurs und wie viele Wochen denn der letzte Japanbesuch schon wieder zurückliege. Weisst du, wegen dem Globalmiddleupperhedgefundleerverkaufzinsguthabendefizit. Um das zu regeln. Nein, weiss ich nicht. Hört bitte auf, sonst werde ich noch zum Globalisierungsgegner wie die Nella. Da halte ich es eher ein bisschen wie die Occupy-irgendwas-Leute: Mit so einem „Saugrümpel“ mag ich mich nicht auseinandersetzen. Ich esse lieber Lammcurry bei Alfredo.
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Keine Apokalypse, aber tausend kleine Tode
Bald haben wir den angekündigten Weltuntergang schon um eine Woche überlebt. Wir haben sogar Weihnachten überlebt und insbesondere das Geschenke-Shoppen vorher. Ich denke, wir können uns nun schon ein bisschen auf die Schulter klopfen. Wobei ich am 21. gar nicht sicher war, ob es nicht doch zur Apokalypse kommen könnte. Der Morgen verlief eigentlich ganz ruhig. Zu ruhig. Aber dann stieg in ein Tram und setzte mich in ein leeres Viererabteil. Eine Station weiter setzte sich ein Ju..., ich meine ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund neben mich. Er hatte einen Tyson-Schnitt und trug eine glänzende Jacke mit Fell an der Kapuze. Das ist ja an sich kein Problem, aber der junge Mann trank einen stinkenden Energydrink und roch selbst nach einer Parfumfabrik. Und er setzte sich so unangenehm nahe an mich heran. Nicht so leger mit einem Bein im Gang, wie man dies normalerweise tut in einem Viererabteil. Nein, wir sassen Knie an Knie und seine Jacke knisterte immer ganz laut, wenn er versuchte mühselig sein iPhone aus der Hosentasche zu grapschen. Aber es war okay. Ich musste eh nicht mehr weit fahren. Es setzte sich an der nächsten Station eine hübsche Frau vor uns zwei jungen Spunde ins Viererabteil. Der Junge neben mir hatte sogar extra seinen Energydrink vom Boden hochgehoben und war mit seinen Beine etwas zur Seite gerückt. Sie setzte sich also hin, wir schauten verstohlen. Und dann nahm sie „50 shades of grey“ hervor. Ich schaute wieder aus dem Fenster. Wieso liest man so etwas im Tram? Was will man damit andeuten? Ich wollte und will es gar nicht wissen. Was für eine schräge Tramfahrt, komisch geht die Welt zugrunde, dachte ich so vor mich hin. Und dann ertönte plötzlich ganz laut Ricky Martin durch das Tram. Das war es jetzt also: Das war der Weltuntergang. Ich sitze neben einem stinkenden Jugendlichen, welcher mir kaum Platz lässt, in einem Viererabteil, vis à vis sitzt eine schöne Frau, welche „50 shades of grey“ liest und es ertönt laut Ricky Martin. Wie schon Sartre konstatierte: Die Hölle, das sind die anderen. Ich gab ihm Recht. Was ich zudem bedenklich fand, dass ich wusste, dass es die Musik von Ricky Martin war. Wobei Lieder wie „Living la vida loca“ vergisst man leider sein Leben lang nicht mehr. War das nicht der Song für die WM98 oder EM2000, ich weiss es nicht mehr. Ich und auch alle anderen Tramgäste schauten verstohlen umher, wer denn der Übeltäter sein könnte und da sass er. Ganz nahe. Im Viererabteil nebenan: Ein heruntergekommener Randständiger, ein Alki, ich weiss es nicht genau. Jedenfalls waren seine Kleider zerrissen und er hielt ein Prix-Garantie-Bier in der einen Hand. In der anderen hielt er ein iPhone und liess ganz laut Ricky Martin laufen. Ich will ja jetzt keine Diskussion vom Zaun brechen, ob dieser Mann sein Geld richtig einsetzt, wenn er sich ein iPhone leisten kann, aber keine sauberen Kleider, meine Frage wäre nur: Darf der das? – Und natürlich darf er, denn in der Schweiz sagt niemand auch nur ein Wort, man straft hier mit bösen Blicken, die waren dem Mann aber egal. Nun ja, zum Glück hatte ich Kopfhörer montiert und musste/durfte bei der nächsten Station aussteigen. Ich glaube nicht, dass wir den Weltuntergang überstanden haben. Meines Erachtens zeigt er sich in all diesen kleinen Begebenheiten, welche das Leben ein bisschen unangenehmer machen. Er schleicht sich quasi ganz langsam heran und bevor wir es merken: Peng, ist er da! Mit Pauken und Ricky Martin! Und wir fassen uns an den Kopf und denken: Wie blöde muss man sein, die Zeichen waren ja klar ersichtlich. Aber ich begegne dem schleichenden Weltuntergang mit stoischer Ruhe und warte einfach geduldig, bis er vollzogen ist. Vielleicht gucke noch einmal richtig böse oder verdrehe die Augen dabei. Ich bin Stadtzürcher, ich kann das.
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Ein grosses Danke an die Lölis vom Abart!
Am 31.12.12 schliesst der Zürcher Club Abart nun endgültig seine Pforten und hinterlässt sicher eine Lücke im einen oder anderen Herz der Besucher. Ein paar Abschiedsgedanken über diesen grossartigen Club.
Ich bin im Abart eigentlich weitgehend unbekannt. Ich war nie ein Stammgast und auch nicht von Anfang an dabei. Ich war nur öfters mal dort an Partys und Konzerten. Und trotzdem hat mich das Abart in seinen Bann gezogen. Es war schon immer eine andere Welt, das Abart. Besonders seit das riesige leuchtende Sihlcity daneben steht und einen krassen Gegensatz bildet zum kleinen unscheinbaren Abart. Hier nun ein paar wenige Abschiedsgedanken für einen der besten Clubs der Stadt.
Wenn ich an das Abart denke, dann kommt mir immer als erstes die Treppe in den Sinn. Diese lange, steile Treppe. Ich bin sie noch nie hinunter gefallen, aber ich dachte immer: „was nicht ist, kann ja noch werden“. Und nun wird es wahrscheinlich nie geschehen. Nicht, dass ich unfroh darüber wäre, durch das ständige Pogen an Konzerten habe ich aus dem Abart auch sonst schon genügend blaue Flecken davongetragen. Aber ich mag diese Treppe. Wirklich. Sie war für mich immer mein persönliches Alkoholmessgerät: Musste ich mich am Geländer festklammern, um hinunter zu kommen, so war ich schon eher gut dabei. Wenn ich die Treppe hinaufsteigen konnte, ohne auf meine Füsse schauen zu müssen, so war ich einigermassen nüchtern und konnte mir selbst auf die Schulter klopfen. Es war eine gute Treppe. Und sie passte zum Abart. Sie war steil, schlecht beleuchtet und eng und überhaupt nicht ausgerichtet für hohe Absätze oder Ansprüche an ein risikofreies Etablissement.
Oder die Bühne. Sie war tief und man konnte sie leicht erklimmen. An Konzerten gab es trotzdem keine Abschrankungen zwischen dem Publikum und der Band. So etwas hatten die eingeladenen Bands nicht nötig. So etwas hatte das Abart nicht nötig. Aber eigentlich hatte es auch schlicht zu wenig Platz dafür. Es war oft eng und stickig an Konzerten, stand man etwas weiter vorne, so stand man manchmal gleichzeitig kurz vor dem Kreislaufkollaps, aber schnell war man hinten bei der Bar und auch schnell wieder vorne vor der Bühne. Das Publikum war zu einem grossen Teil ein sehr friedliches, freundliches Völkchen, welches man in einer solchen Durchmischung selten in anderen Clubs antrifft. Von Punk, Goth, Metal, Indie, Hipster, Hip-Hopper (doch, doch, die gab es auch!) und was noch nicht alles, gab es eigentlich nichts, was nicht in den Abart-Kosmos passte und dort herum fleuchte. Das Abart war ein Biotop der verschieden Geschmäcker, welche sich aber alle auf den Geschmack des Abarts einigen konnten, einem freien, ehrlichen Geschmack. Was sie nicht wollten, wurde auch nicht gemacht. Auf youtube nannte ein User das Abart den „ehrlichsten Club in Zürich“. Das würde ich so ohne weiteres unterschreiben.
Das Abart hatte auch immer faire Preise: Was den Eintritt, aber auch die Getränke anbelangt. Von der Garderobe mit den zwei Stutz ganz zu schweigen. Aber das scheint ja auch das einzige zu sein, wo es in der Zürcher Clubszene einen flächendeckenden Konsens zu geben scheint. Wie dem auch sei: Normale Partys kosteten am Freitag 15 und am Samstag 18 Franken. Im letzten Jahr war der Eintritt freitags in der ersten Stunde (ab 22.00 Uhr) sogar gratis. Habe ich mir jedenfalls sagen lassen, denn ich habe es nie um diese Zeit zum Abart geschafft, so sehr ich es auch versucht habe.
Nun schliesst das Abart am 31.12.12 seine Pforten und ein wunderbares Kapitel Zürcher Clubgeschichte geht zu Ende. Ich war nicht von Anfang an dabei, war nie Stammgast und trotzdem wird mir etwas fehlen. Und ich glaube, es wird nicht nur mir so gehen. Wer das Abart also noch ein letztes Mal besuchen will, der soll unbedingt am Abart Schluss-Countdown teilnehmen. In diesem Sinne ein riesengrosses Dankeschön an die „Lölis mit ihren Konzerten“, wie sie in der bewegenden Abart-Dokumentation (http://www.youtube.com/watch?v=nDPqVxx25YI) scherzhaft betitelt werden, ich hatte eine gute Zeit bei euch und ich hoffe ihr werdet weiterhin so grossartige Musik nach Zürich bringen. Ihr seid eine Bereicherung für diese Stadt.
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Warum nur trage ich Turnschuhe?
Draussen ist es kalt und Schnee verstopft die städtischen Strassen. Ich muss mit Holz heizen und meine Turnschuhe werden immer nass. Und trotzdem bin ich glücklich, dass es endlich wieder einmal geschneit hat. Der Autor dankt Frau Holle herzlich dafür! Es ist zurzeit wirklich sehr kalt. Ich muss es wissen, denn ich wohne in einer der letzten Wohnungen in Zürich mit Holzheizung und Kachelofen. Also nicht diese dekorativen Cheminées, vor denen ein Bärenfell liegt, sondern diese richtigen, echten, zurzeit überlebensnotwendigen Wärmespender. Zudem sind die Fenster in meinem Zimmer schlecht isoliert. Wenn ich morgens aufstehe, herrschen zwölf Grad in meinem Zimmer. Ich bewege mich dann ins Badezimmer und dusche zwei Minuten, bis der Boiler halbleer ist und das Wasser danach – langsam nur – wieder aufgewärmt wird. Danach schleppe ich ein, zwei mit Holz gefüllte Migrossäcke aus dem Keller in die Wohnung. Leider wohne ich im obersten Stock.
Später fahre ich zum Irchel und kämpfe mir dort übers Glatteis einen Weg in die Uni. Ich verfluche meine schicken Turnschuhe, derweil Geografiestudenten in superfunktionalen Wanderschuhen ohne Probleme an mir vorbeiziehen. Auf Momente wie diese haben sie wahrscheinlich lange gewartet: Endlich machen die Wanderschuhe mit Profil Sinn! Warum musste ich mich auch für die Politologie entscheiden, das habe ich nun davon. Aber wahrscheinlich waren es gar keine Geografiestudenten, nur erprobte Irchelgänger, welche frühmorgens einen Blick aufs Thermometer geworfen haben. Der Philosoph Montesquieu hat mal eine Theorie aufgestellt, wonach das Klima einen starken Einfluss auf unser Wesen hat. Er sprach allen Menschen in wärmeren Regionen wie Indien oder Afrika höhere geistige Fähigkeiten ab, weil das warme Klima solche verunmögliche. In unseren kalten Gefilden hingegen seien wir willensstark und viel intelligenter, weil uns die Sonne nicht so stark auf den Kopf brenne. Er hat ja wirklich viel geleistet, dieser Montesquieu, aber diese Klimatheorie gehört eindeutig in die Kiste der Absurditäten. Mich hätte aber trotzdem interessiert, was der Herr Montesquieu für eine Theorie zu Temperaturen von minus fünf Grad aufgestellt hätte. Gemäss seiner Theorie müssten wir alle bereits hochintelligent und fitter im Kopf sein als je zuvor. Ich aber habe nur kalt. Was mache ich nur falsch? Ausser, dass ich Turnschuhe trage.
Über ein Jahr habe ich nun gewartet, um diese Kolumne zu veröffentlichen: Denn kaum hatte ich sie fertig geschrieben, kam die Sonne hervor und der Schnee schmolz in Windeseile nur so dahin und damit auch die Aktualität meiner Kolumne. Aber zum Glück wohne ich immer noch am selben Ort und studiere auch immer noch dasselbe Fach und so musste ich nur den Moment abpassen, bis es wieder einmal schneit. Et voilà und fertig ist die Kolumne. Brandaktuell und extrem nahe am Puls der Zeit! Ehrlich!
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Bart aber herzlich: Mein Haircember
Der Movember ist vorüber und ich habe meinen Bart abrasiert. Wobei ich gar nicht mitgemacht habe. Viel schlimmer ist aber, dass ich in einem äusserst schwierigen Coiffeur-Dilemma stecke und mitten in einem ungewollten „Haircember“.
Der November ist leider schon seit mehreren Tagen vorüber und somit auch der grandiose Movember (http://ch.movember.com/). Lange wusste ich gar nichts vom Movember, wurde dann aber ein paar Mal gefragt, ob ich auch mitmachen würde, wegen meinem Bart und so. Das habe ich natürlich immer bejaht, vor allem, als ich mich dann kundig gemacht hatte bezüglich des Movembers. Ich erzählte immer, dass mein Bart sogar noch fast ein bisschen „movembriger“ sei als ein Schnurrbart, weil... naja, einfach so. Nun das Geständnis: Ich habe gar nicht mitgemacht. Schande auf mein Haupt: Man könnte mich also diesbezüglich einen Trittbrettfahrer schimpfen, aber das wird dem Bart nicht gerecht. Mein Bart hat nämlich auch Symbolcharakter! Ich lasse ihn mir immer gegen Ende Semester wachsen, wenn die Lernphase beginnt, so wie die Eishockeyaner sich den Play-Off-Bart wachsen lassen. Wobei ich eigentlich kein Eishockey-Fan bin. In diesem Sinne bin ich sogar ein doppelter Trittbrettfahrer, wie eklig. Aber darauf will ich eigentlich gar nicht hinaus.
Das Bartproblem habe ich behoben, er ist mittlerweile abrasiert, nicht um der Bartkontroverse zu entgehen, aber die Stoppeln begannen zunehmend zu jucken. Meine Kopfhaare wachsen jedoch nun schon seit beinahe zwei Monaten unkontrolliert und ungebremst aus meinem Schädel heraus und es wäre an der Zeit, wieder einmal meinen Coiffeur aufzusuchen. Ich gebe es offen zu: Es ist ein 25-Franken-Coiffeursalon. Dementsprechend kann man nicht sehr viel erwarten, aber ich verlange eigentlich auch keine Wunder von ihnen: Einmal kürzen bitte! In diesem Coiffeursalon arbeiten zwei Coiffeure, wovon einer ein einigermassen passables Deutsch spricht, der andere aber leider nicht. So hat letzterer mir einmal einen Grossteil meiner Kopfbehaarung abgeschnitten und rasiert, weil er irgendwie meine Längenangabe von „nur ganz wenig“ nicht verstanden hatte. Und ich habe das zu spät realisiert. Jedenfalls bin ich nun ein bisschen sensibilisiert auf die Frage, wie hoch die Chance sein wird, dass dieser schlecht deutsch Sprechende mein Haar schneiden wird. Dabei hat er sich bei mir tausendmal entschuldigt für seinen Fauxpas und es ist bisher auch nie wieder vorgekommen, aber trotzdem blieb in mir eine Restangst haften. Ein gewisses Restrisiko bleibt immer, dass sich dieses Malheur wiederholen könnte.
Nun fahre ich jeden Tag mit dem Tram an diesem Coiffeursalon vorbei und versuche immer im Bruchteil der Sekunde, in welcher wir den Salon passieren, ausfindig zu machen, welcher Coiffeur gerade frei ist. Denn der andere Coiffeur macht seine Sache wirklich gut, also für 25 Franken. Er redet nicht, er schneidet und rasiert und ich kann meinen Gedanken nachhängen, ohne ständig seine Arbeit überwachen zu müssen. So nehme ich sogar diese 50/50 Chance in Kauf, dass ich von jenem anderen Coiffeur bedient werde, mit welchem die Kommunikation kaum möglich ist. Diese Wahrscheinlichkeit probiere ich zu minimieren, indem ich versuche bei meinen Tramdurchfahrten einen kurzen Blick ins Innere des Salons zu erhaschen. Die Quintessenz ist jedenfalls, dass in den letzten zwei Wochen, in denen ich nun schon zum Coiffeur wollte, immer der schlechtere Coiffeur gerade frei war. Warum weiss ich nicht, aber bald muss ich mir einen Rossschwanz binden, wenn das so weiter geht. Und das will ich nicht.
Es liegt also nicht daran, dass ich nach meinem gefakten „Movember“ noch einen sauglatten „Haircember“ hinten nachschieben wollte, ich kann nur nicht zu meinem Coiffeur, so gerne ich auch möchte, weil der nie frei ist. Vielleicht wird es Zeit, Abschied zu nehmen und mir einen anderen 25-Franken-Coiffeur zu suchen, der mein Anliegen versteht. Aber wahrscheinlich würde ich mich dann jedes Mal ein bisschen schämen, wenn ich mit dem Tram am „alten“ Coiffeursalon vorbeifahren würde. Und das geschieht doch immerhin jeden Tag.
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Über was ich mich aufrege, Teil 2
In einem zweiten Teil rege ich mich wieder über Dinge auf, welche die aufgebrachte Energie eigentlich kaum wert wären.
Das Rad wird hier und heute nicht neu erfunden. Es folgt lediglich eine Auflistung von Dingen, über die ich mich letzte Woche hindurch aufregt habe. Es wären mehr Dinge, hätte mich nicht zwischendurch eine Erkältung ans Bett gefesselt. Aber da sind manche Leser vielleicht auch dankbar dafür.
Ich rege mich auf über:
– Menschen, welche einfach stehen bleiben. Sei es direkt vor der Tramtüre beim Ein- oder Aussteigen. Oder am Ende der Rolltreppe. Oder vor dem Lift. Auf der Treppe. Am besten noch mit Freunden, damit man sich mühsam durch den Pulk hindurch kämpfen muss. Es freut mich für euch, dass ihr es nicht eilig habt, aber das gilt leider nicht universell für die ganze Menschheit.
– Diese Krawattenträger, die über Mittag in Scharen über meine Lieblings-Migrosfiliale herfallen und dann je einzeln ihre supergünstigen Aktions-M-Budget-Produkte mit einer Platingolddiamantsupermegawichtigkreditkarte bezahlen. Wir haben es gesehen, ihr habt eine solche Karte. Und damit zahlt ihr euren 2.40-Franken-Snack. Na bravo! Da sind mir die alten Omis doch noch lieber, welche in mühsamer Kleinarbeit jeden Fünfräppler einzeln aus dem Geldbeutel kramen.
– Menschen, die mir zehn SMS schicken für eine Nachricht, die auch in einer SMS Platz gehabt hätte. Ich weiss, auf euren iPhones sieht das aus wie eine grosse SMS, aber es ist nicht eine grosse SMS. Es sind zehn Worte in zehn verschiedenen SMS. Jedenfalls für mich. Es naht die Zeit, mich dem sozialen Druck hinzugeben und mir endlich ein iPhone zuzulegen.
– Über die Brasserie «Louis» im Niederdörfli, welche den Pepito-Laden daneben nun auch übernommen hat und den Pepito dort jetzt dementsprechend «Baguette Louis» nennt. Aber er wird immer noch vom gleichen Menschen hergestellt und schmeckt immer noch genau gleich wie früher. Vielen Dank dafür, haut doch am besten noch zwei Franken drauf, ihr geschmäcklerischen Wichtigtuer!
– Studenten, die in der Mensa/im Vorlesungssaal meinen, sie müssten zehn Plätze reservieren. Und ich, der ich dieses System unterstütze, indem ich mich artig irgendwo anders hinsetze.
Auf ronorp hat ein User die These aufgestellt, dass das Aufregen über Dinge für die Menschen «geistiges Ersatzfutter» ist, welches von der fehlenden Kommunikation der Menschen untereinander ablenken soll, so im Sinne von «Ich rege mich auf, also bin ich». Ich finde dies einen interessanten Ansatz. Also ich für meinen Teil rege mich auch gerne über die kleinen Dinge auf, weil ich nicht die Kraft besitze, mich tagtäglich 24/7 mit den grossen Problemen der Weltgeschichte zu beschäftigen. Aber vielleicht bin ich auch einfach zu simpel gestrickt für eine solche Art der Auseinandersetzung. Man weiss es nicht.
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