Ride2xplore
Ride2xplore
FreeWir, eine Journalistin & ein Abenteurer, leben & arbeiten seit März 2016 in unserem VW-Bus. In der Schweiz & in Europa.
Meine Stadt
Wo unser Bus gerade steht
Follower
15
Meine Skills
#Vanlife: Hohe Berge, böse Menschen?
Als uns Familienmitglieder vom Anschlag auf Touristen schreiben, haben wir gerade das Visum für Tadschikistan beantragt. Sollen wir trotzdem hinfahren? Wir entschieden uns dafür. Die Beamten sitzen in zu Zollbüros umfunktionierten Schiffscontainern, hintern dem wackligen Schreibtisch steht ein Ofen, darauf brodelte ihr Essen, auf den Feldbetten im Nebenraum dösen die, die gerade keinen Dienst haben und wir werden gebeten vor dem Eintreten die Schuhe auszuziehen. Wir sind unterwegs auf dem Pamir Highway, einer der höchsten Strassen der Welt, an der Grenze zwischen Kirgisistan und Tadschikistan. Wir haben zwar ein E-Visa auf dem Smartphone, aber der Strichcode wird nicht gescannt, sondern die Zahlen von Hand in ein dickes Buch übertragen. Als wir den Einfuhrzoll fürs Fahrzeug bezahlt hatten, wäre eigentlich alles erledigt. Einmal mehr relativ schnell und freundlich. Aber, wie im Internet vorgewarnt, versuchen nun weitere Beamte an drei Stellen Geld von uns zu verlangen. Die Männer werden wütend und einschüchternd, als wir uns dagegen wehren, worauf hin sie beginnen unseren Bus und uns mit dem Handy zu filmen. Was tun sie mit den Bildern? Schicken sie es an den nächsten Polizeiposten oder gar an ihre Freunde, die vielleicht irgendwas mit ISIS zu tun haben? Terror macht AngstDie Schlagzeilen der schrecklichen Anschläge auf Velo-Touristen zwei Monate zuvor ziehen durch unsere Gedanken. „Wer jetzt nach Tadschikistan reist ist blöd,“ hatte uns kurz zuvor jemand gesagt. Unsere Antwort damals darauf war: Dann darfst du auch an keinen Weihnachtsmarkt mehr, an kein Konzert, nicht mal an den Strand. Barcelona, Paris, London, Stockholm, Nizza, Berlin. Alle als Reiseziele gestrichen. Wir entschieden dem Land trotzdem eine Chance zu geben. Jetzt bereuen wir es fast. Was erwartete uns hier noch, wenn die offiziellen Stellen so drauf sind? Bis jetzt hatten wir an allen Grenzübergängen, bei jeglichen Polizeikontrollen auf der gesamten Reise nur Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft erlebt. Die Zentralasiatischen Länder, inklusive Russland, haben sich entwickelt: Korruption war uns zuvor nirgends begegnet. Aber Tadschikistan ist mit Abstand das ärmste Land der ehemaligen Sowjetunion. Sehr wahrscheinlich verdienen die Zöllner so wenig, dass sie irgendwas tun müssen, um ihren Lohn aufzubessern. Wir haben aber aus Prinzip keine Lust dieses System zu stützen. Zumal die Beamten extrem unhöflich zu uns sind. Ihr Ziel haben sie nicht erreicht, dafür dasjenige der Terroristen: Sie schüren Angst. Wir verlangen von den Männern die Videos zu löschen, sie weigern sich. Schliesslich wird Dylan so laut, dass auch der zuständige Major aufgeweckt wird und sich einschaltet. Er lässt die Bilder löschen. Dann beschwichtigt er uns, aber die Aktion seiner Männer lässt uns den ganzen Tag missmutig und irgendwie geknickt durch die unglaublich schöne Hochgebirgslandschaft fahren. War es wirklich gut hier zu sein?Wir dürfen nicht generalisierenAls wir Tadschikistan anderthalb Wochen später auf der anderen Seite des Pamir Highways verlassen, fragt der Zollbeamte: „Hat es Ihnen bei uns gefallen?“ Wir müssen nicht überlegen „Ja! Sehr!“ Die Menschen in Tadschikistan sind uns, abgesehen von der Grenze, überall mit einer unglaublichen Gastfreundschaft aufgefallen. Wo die Berge am steilsten und kargsten sind, haben uns die Menschen mit der grössten Wärme und Herzlichkeit empfangen, die wir je erlebt haben. Nicht nur auf dieser Reise, sondern (aus unserer Erfahrung her) global gesehen. In fast jedem Dorf hatte man uns zu Tee eingeladen. Und Tee bedeutet hier nicht ein Glass heisses Wasser mit Kräutern drin, sondern einen Tisch prall gefüllt mit Joghurt, Butter, Kekse, Äpfel, Brot und Fleisch. Wir haben zudem entlang der holprigen Pisten so viele Äpfel, Aprikosen und Tomaten geschenkt erhalten, dass wir daraus Kuchen, Konfitüre und Suppe machen mussten. Die Einladungen waren zahlreich und jeder, der uns begegnete, vom alten Mann bis zum kleinen Mädchen winkte uns zu. Wenn sie uns nicht mit einer Einladung zum Tee stoppten, so legten sie zum Gruss die Hand aufs Herz und nickten freundlich in unsere Richtung. Sogar die Menschen auf der anderen Seite der Grenze, da wo nur ein Fluss Tadschikistan von Afghanistan trennt, winkten fröhlich zu uns hinüber. Wir fühlten uns nach den unschönen Erlebnissen bei der Einreise nie bedroht, sondern überall mehr als willkommen, was die Angst verblassen und die Freude zurückkehren liess. War es eine gute Idee hier gewesen hier zu sein? Ja, definitiv, denn unentschuldbare Aktionen einzelner Individuen dürfen nicht generalisiert werden. Weder in Tadschikistan noch sonst wo. > Wir freuen uns darauf Euch am 25. Oktober in Biel persönlich kennen zu lernen. Wir erzählen aus fast drei Jahren leben im Bus und wie es ist als moderne Nomaden zu arbeiten und unterwegs zu sein. Dazu natürlich auch Geschichten aus Zentralasien. Mehr Infos und Tickets unter www.ride2xplore.com
Unser zwei-sprachiger Vlog über das Leben im Bus.
-
tripodRaysiriFeanaroGerbi16zJackytannenwichtmillysicilianaaloisholdenerFinca Hostal BolivarSaltoMortaleLisa
#Vanlife: Hohe Berge, böse Menschen?
Als uns Familienmitglieder vom Anschlag auf Touristen schreiben, haben wir gerade das Visum für Tadschikistan beantragt. Sollen wir trotzdem hinfahren? Wir entschieden uns dafür.
Die Beamten sitzen in zu Zollbüros umfunktionierten Schiffscontainern, hintern dem wackligen Schreibtisch steht ein Ofen, darauf brodelte ihr Essen, auf den Feldbetten im Nebenraum dösen die, die gerade keinen Dienst haben und wir werden gebeten vor dem Eintreten die Schuhe auszuziehen. Wir sind unterwegs auf dem Pamir Highway, einer der höchsten Strassen der Welt, an der Grenze zwischen Kirgisistan und Tadschikistan. Wir haben zwar ein E-Visa auf dem Smartphone, aber der Strichcode wird nicht gescannt, sondern die Zahlen von Hand in ein dickes Buch übertragen. Als wir den Einfuhrzoll fürs Fahrzeug bezahlt hatten, wäre eigentlich alles erledigt. Einmal mehr relativ schnell und freundlich. Aber, wie im Internet vorgewarnt, versuchen nun weitere Beamte an drei Stellen Geld von uns zu verlangen. Die Männer werden wütend und einschüchternd, als wir uns dagegen wehren, worauf hin sie beginnen unseren Bus und uns mit dem Handy zu filmen. Was tun sie mit den Bildern? Schicken sie es an den nächsten Polizeiposten oder gar an ihre Freunde, die vielleicht irgendwas mit ISIS zu tun haben?
Terror macht Angst Die Schlagzeilen der schrecklichen Anschläge auf Velo-Touristen zwei Monate zuvor ziehen durch unsere Gedanken. „Wer jetzt nach Tadschikistan reist ist blöd,“ hatte uns kurz zuvor jemand gesagt. Unsere Antwort damals darauf war: Dann darfst du auch an keinen Weihnachtsmarkt mehr, an kein Konzert, nicht mal an den Strand. Barcelona, Paris, London, Stockholm, Nizza, Berlin. Alle als Reiseziele gestrichen. Wir entschieden dem Land trotzdem eine Chance zu geben. Jetzt bereuen wir es fast. Was erwartete uns hier noch, wenn die offiziellen Stellen so drauf sind? Bis jetzt hatten wir an allen Grenzübergängen, bei jeglichen Polizeikontrollen auf der gesamten Reise nur Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft erlebt. Die Zentralasiatischen Länder, inklusive Russland, haben sich entwickelt: Korruption war uns zuvor nirgends begegnet. Aber Tadschikistan ist mit Abstand das ärmste Land der ehemaligen Sowjetunion. Sehr wahrscheinlich verdienen die Zöllner so wenig, dass sie irgendwas tun müssen, um ihren Lohn aufzubessern. Wir haben aber aus Prinzip keine Lust dieses System zu stützen. Zumal die Beamten extrem unhöflich zu uns sind. Ihr Ziel haben sie nicht erreicht, dafür dasjenige der Terroristen: Sie schüren Angst. Wir verlangen von den Männern die Videos zu löschen, sie weigern sich. Schliesslich wird Dylan so laut, dass auch der zuständige Major aufgeweckt wird und sich einschaltet. Er lässt die Bilder löschen. Dann beschwichtigt er uns, aber die Aktion seiner Männer lässt uns den ganzen Tag missmutig und irgendwie geknickt durch die unglaublich schöne Hochgebirgslandschaft fahren. War es wirklich gut hier zu sein?
Wir dürfen nicht generalisieren Als wir Tadschikistan anderthalb Wochen später auf der anderen Seite des Pamir Highways verlassen, fragt der Zollbeamte: „Hat es Ihnen bei uns gefallen?“ Wir müssen nicht überlegen „Ja! Sehr!“ Die Menschen in Tadschikistan sind uns, abgesehen von der Grenze, überall mit einer unglaublichen Gastfreundschaft aufgefallen. Wo die Berge am steilsten und kargsten sind, haben uns die Menschen mit der grössten Wärme und Herzlichkeit empfangen, die wir je erlebt haben. Nicht nur auf dieser Reise, sondern (aus unserer Erfahrung her) global gesehen. In fast jedem Dorf hatte man uns zu Tee eingeladen. Und Tee bedeutet hier nicht ein Glass heisses Wasser mit Kräutern drin, sondern einen Tisch prall gefüllt mit Joghurt, Butter, Kekse, Äpfel, Brot und Fleisch. Wir haben zudem entlang der holprigen Pisten so viele Äpfel, Aprikosen und Tomaten geschenkt erhalten, dass wir daraus Kuchen, Konfitüre und Suppe machen mussten. Die Einladungen waren zahlreich und jeder, der uns begegnete, vom alten Mann bis zum kleinen Mädchen winkte uns zu. Wenn sie uns nicht mit einer Einladung zum Tee stoppten, so legten sie zum Gruss die Hand aufs Herz und nickten freundlich in unsere Richtung. Sogar die Menschen auf der anderen Seite der Grenze, da wo nur ein Fluss Tadschikistan von Afghanistan trennt, winkten fröhlich zu uns hinüber. Wir fühlten uns nach den unschönen Erlebnissen bei der Einreise nie bedroht, sondern überall mehr als willkommen, was die Angst verblassen und die Freude zurückkehren liess. War es eine gute Idee hier gewesen hier zu sein? Ja, definitiv, denn unentschuldbare Aktionen einzelner Individuen dürfen nicht generalisiert werden. Weder in Tadschikistan noch sonst wo.
> Wir freuen uns darauf Euch am 25. Oktober in Biel persönlich kennen zu lernen. Wir erzählen aus fast drei Jahren leben im Bus und wie es ist als moderne Nomaden zu arbeiten und unterwegs zu sein. Dazu natürlich auch Geschichten aus Zentralasien.
Mehr Infos und Tickets unter www.ride2xplore.com
Weiterlesen
#VANLIFE: Wo der Kalte Krieg heiss war
Wie fühlt es sich an da zu stehen, wo die Sowjetunion ihre ersten Atombomben gezündet hat? Das ehemalige Testgelände in Kasachstan kann heute unter Begleitung besucht werden. Eine nicht ganz alltägliche Destination.
Wir fahren durch die flache Steppe Nordkasachstans. 630km auf der gleichen Strasse. 630km Langeweile. Das ist die Distanz zwischen der neuen Hauptstadt Astana – eine Stadt wie das Gelände der Expo02, so künstlich, so konstruiert – und Semipalatinks, dem ehemaligen Testgelände für atomare Explosionen der Sowjetunion. Genau dahin sind wir unterwegs. Zum Ground Zero Kasachstans, dem Krater, der die während des Kalten Krieges im Durchschnitt einmal pro Monat gezündeten Atombomben hinterlassen haben. Zwischen 1949 und 1989 waren es insgesamt 456 Versuche. Bis zum Verbot im Jahr 1963 alle oberirdisch gezündet, auf einem Gelände, dass fast zwei Mal so gross ist wie der Kanton Bern.
Ankommen in der geschlossenen Stadt Das pompöse Einfahrtstor der Stadt trägt in der Mitte stolz ein Atom-Symbol. Herzlich willkommen in Kurchatov! Dem Ort, wo keiner mehr leben will. Von den einst 40'000 Einwohner, sind nur noch 10'000 übrig. Die allermeisten davon Wissenschaftler, die fürs kasachischen Institut für Atomenergie tätig sind. Bis vor wenigen Jahren gab es die Stadt offiziell nicht. Sie war weder auf Landkarten noch sonst wo namentlich zu finden. Eine sogenannte geschlossene Stadt, nur eine Postleitzahl, mehr nicht. Keiner, der nicht eine offizielle Erlaubnis der sowjetischen Armee hatte, durfte hier her. Heute braucht es nur noch fürs Testgelände eine Bewilligung. Die zeigen wir am Eingang der Behörde vor und werden von Vladimir, unserem Übersetzer und Guide, in ein kleines Museum geführt. Hier gibt es die Lunge eines Hundes, der wie andere Tieren den Strahlungen der Testbomben unmittelbar ausgesetzt war, in einer Art grossem Einmachglas. Sie ist deformiert, ebenso wie andere Tier-Embryos. „Ich mag keine Gruselfilme, daher mag ich diesen Teil des Museums nicht,“ sagt der 27-jährige, und geht schnell weiter.
Am 29. August 1949 stach die erste erfolgreiche Explosion in den Himmel. Sie sei heller gewesen als die Sonne und die Schockwelle spürbar bis nach Astana. Wir sind die letzten zwei Tage genau diese Strecke in umgekehrter Weise gefahren. Die Distanz ist spürbar, die Kraft der Bombe mögen wir uns gar nicht erst ausdenken. Die lokale Bevölkerung sah die eindrücklichen Feuerbälle und Pilzwolken am Himmel, spürten die Druckwelle und die Erschütterung des Bodens. Aber die wirkliche Gefahr? Die blieb ihnen, die nicht wussten was genau vor sich ging, unsichtbar.
Am Abgrund Als wir zwei Stunden später, nur 60km von der Stadt weg, direkt am Krater stehen, ist die atomare Verschmutzung auch hier weder sicht- noch spürbar. Längst hat die Natur ihre Narben geschlossen. Das hellbraune Gras zieht sich unerschrocken über die Steppe dahin, flirrt im Wind, vor dem dunkel, fast violetten Himmel entsteht ein wunderschöner Kontrast. Der Teich, geformt da wo die Abschussrampe stand, ist mit sattgrünem Gras umwachsen, Entenfamilien tummeln sich im klaren Wasser. Eine Idylle, wäre da nicht der Mann mit dem Geigenzähler, der vor sich hin pieps und die Plastiküberzieher, die wir nun über die Schuhe stülpen. „Wenn ihr etwas fallen lässt, dann müsst ihr es liegenlassen,“ werden wir gewarnt, dann setzt Vladim die Atemschutzmaske auf und steigt aus. Wir tun es ihm gleich und versuchen einmal draussen, möglichst nichts zu berühren. Aber der Ort berührt uns. Hier nahmen die Russen, den von den Amerikanern 1945 lancierte Schattenkampf um die Weltherrschaft auf. Hier wurde getestet, wie man auf einem Schlag am effizientesten so viele Menschen wie möglich umbringen kann. Hier zu stehen, treibt uns die Tränen in die Augen und lässt uns mit mehr Fragezeichen als zuvor zurück. Warum tun wir Menschen sowas? Haben wir seit dem Kalten Krieg irgendwas gelernt? Warum gehören Atomwaffen immer noch in die Waffenarsenale der Grossmächte? Ja, werden teilweise sogar immer noch weiter aufgestockt? „Seht es doch einfach anders rum: Die Russen haben die Bomben hier gezündet, um im Falle eines Falles möglichst viele Menschenleben zu retten,“ versucht es Vladimir mit einer Aufmunterung. Er, der für seine kleine Gestalt einen zu grossen Kopf hat, was sehr wohl eine Nebenwirkung der atomaren Verschmutzung sein könnte. Er hatte uns zuvor erzählt, dass er, als in der Region geborener, als Kompensation eine Woche mehr Urlaub pro Jahr erhalte, sagt aber auch: „Wir sind alle normal. Wir haben zwei Hände und zwei Füsse. Und ich kenne niemanden mit Krebs.“ Danach reagiert er gereizt, als wir weiter nachbohren. Sehr wahrscheinlich, weil wir mit unseren Fragen sein ganz persönliches Schicksal berühren.
Sicherheit hat einen anderen Stellenwert „Was ist mit den Rädern vom Auto, wegen der Atomaren-Verschmutzung?“ fragten wir, bevor wir die Tour buchten via E-Mail. „Geht in die Autowaschanlage und wäscht das Auto nachher,“ kam zurück. Die Antwort passt zu dem, was wir sahen, als wir ins Testgelände gefahren sind: Keine Kontrollen, keine Checkpoints. Nicht einmal ein Zaun oder eine Signaltafel machen darauf aufmerksam, wo man sich befindet. Wir hätten ebenso gut unwissend über diese Anlage voller Ruinen stolpern können. „Der grösste Teil des Geländes ist sauber und bereits wieder freigegeben,“ beruhigt Vladimir, der nur ein Übersetzer und kein Wissenschaftler ist, entsprechend nur weitergibt, was er selbst einmal gehört hat.
Das eigentliche Experimentierfeld, ein Kreis mit einem Durchmesser von vielleicht 30km, war wie ein Kuchen in verschieden Stücke unterteilt. In einem Abschnitt wurden Häuser gebaut, in einem anderen Brücken oder gar U-Bahnstationen, um am Grad der Zerstörung die Effektivität der Bombe zu testen. Von der Brücke stehen nur noch zwei Pfeiler, die U-Bahnstation können wir betreten. „Bis wohin soll ich Euch ein Ticket lösen?“ scherzt Vladimir, bevor wir erneut Plastiküberzieher über unsere Schuhe stülpen, trotzdem, dass der Geigerzähler hier nicht ausschlägt. Sicher ist sicher. Es reicht, dass unser Körper mit einem (vom Hirn produzierten) Juckreiz reagiert. Dieses Gefühl können wir am Abend mit einer heissen Dusche beseitigen. Die Gedanken an die tödliche Kraft der Bomben und das kranke Wettrüsten nicht.
Am 25. Oktober gibt es in Biel-Bienen einen exklusiven Vortrag zur Reise und zum Leben im Bus. Jetzt Ticket sichern.
W ir freuen uns auf Euch!
Weiterlesen
#VANLIFE: Freundschaft statt Gebühren
Im russischen Altai, welches wir auf dem Weg nach Kasachstan ein zweites Mal durchqueren, erwartete uns eine atemberaubende Landschaft und ein Mann mit einer Grundstücksurkunde. Oder die Lektion, dass wir auch Mühsames in Positives wandeln können.
Oh, nein. Jetzt ist dieser mühsame Typ wieder da. Ich verdrehe vor mir selbst die Augen, als ich von draussen die Stimme des Mannes von vorhin höre. Dylan spricht irgendwas mit ihm und er irgendwas mit Dylan. Beide in ihrer eigenen Sprache. Es wäre hier so schön, warum nur muss dieser Mann nun wieder auftauchen? Vor uns türmen sich weiss die Altaiberge auf. Als hätte Frau Holle mit dem Lineal eine Linie gezogen, hört der Schnee überall exakt am gleichen Ort auf und gibt dem Tannenwald den Platz frei. Unterhalb der Tannen sind es Wiesen und Hügel, durchzogen von einem Fluss, die sich bis zu uns, auf der anderen Talseite hochziehen.
Unerwünschter Besuch Wir wollten vor ungefähr einer halben Stunde gerade anfangen unser Abendessen zu kochen, als plötzlich ein fröhlich wirkender Mann daherkam. Irgendwo aus dem nirgendwo war er zu Fuss aufgetaucht. Er wollte wissen wie wir hiessen und wo wir herkommen. Dann sagte er wir müssten 300 Rubel bezahlen, wenn wir hier übernachten wollten. Zuerst taten wir so als würden wir nicht verstehen, was er will. Dann irgendwann war seine Zeichensprache so deutlich, dass wir uns unmöglich weiter dumm stellen konnte. Also probierten wir es mit Gegenfragen. Bis wo denn sein Grundstück reiche? Bis dort drüben, auf die andere Talseite. So gross? Wow! Von ihm folgte ein vielsagender Blick, den wir ihm leider nicht abkauften. Zu ärmlich sind seine Kleider und der mit einer zusammengeknoteten Schlaufe umgehängte alte Lederbeutel. Wo denn Wasser, Toilette und Duschen seien, wenn wir 300 Rubel bezahlen sollen, fragen wir weiter. Und warum kein Schild auf den Preis oder das Campingverbot hinweise? Der Mann deutet an wir sollen ins Dorf hinunter verschwinden, wenn wir Dusche und WC bräuchten. Wir bleiben stur. Wem gehört das Land? Russland ist auch im Altai weit und die Nähe zur Mongolei ist sichtbar. Überall laufen Pferde, Ziegen und Kühe frei herum, Zäune hat es keine und wir gehen davon aus, dass das Land auch hier allen gehört. Für eine Nacht, ein klein wenig auch uns. Zumal wir in den Wochen, die wir zuvor in Russland verbrachten nie ein Problem hatten mit einem Übernachtungsplatz. Niemand hatte uns je irgendwo weggescheucht oder gesagt, dies sei sein Grundstück. Schliesslich wurde der eben noch freundliche Mann etwas ungemütlicher. Er schulterte einen unserer Stühle und meinte, dann nähme er halt diesen mit. Als er merkte, dass unsere Kamera lief, stellte er ihn wieder hin und probierte es anders. Wir würden morgen im Dorf unten verhaftet werden, wenn wir nicht vorweisen, dass wir bezahlt haben, erklärte er uns. Dann bräuchten wir aber eine Quittung und überhaupt ein Beweis, dass das Land ihm gehört, spielten wir sein Spiel weiter mit. Dann zottelte er davon und wir dachten, er hätte aufgegeben. Bis gerade eben.
Aus Mühsam mach Positiv Jetzt steht er mit einer Kopie einer Urkunde vor uns. Wedelt damit herum und sagt dies sei seine Grundstücksurkunde. Wir zücken einmal mehr die Übersetzer App und lesen was auf dem Papier steht. Es hat tatsächlich irgendwas mit einem Grundstück zu tun, aber weder der Name, den er uns zuvor genannt hat, noch das Geburtsdatum können übereinstimmen. Der Mann sieht ziemlich viel älter aus, als 40.
Wir geben ihm seine zerfledderte Urkunde gemeinsam mit einem Glas Konfitüre zurück. Ein Geschenk. Wie viel sie denn gekostet hätte, fragt er kritisch. 350 Rubel, antworten wir. Dann gehe ich rein und koche das Chili con Carne fertig, während Dylan den Mann in ein Gespräch verwickelt und so sein fröhliches Gemüt von vorhin wieder zum Vorschein bringt. Dylan fragt nach seinen Tieren, nach Frau, nach Kindern und dem Leben. Er hat 3 Pferde, 15 Kühe, 35 Schafe, keine Frau und keine Kinder. Nur seine gebrechlichen Eltern, seine noch da. Ich nehme drei Schüsseln aus dem Schrank und fülle alle drei. Mittlerweile hat Dylan ihm nämlich einen Sitzplatz angeboten und die beiden kommen mir fast vor wie alte Freunde, wie sie da vor dem Bus sitzen und in den Sonnenuntergang schauen. Als ich das Essen auf den Tisch stelle, will er die kleinste Portion, bleibt aber gerne sitzen. Wir wollen gerade anfangen zu essen, da hält er inne und deute uns zu warten, faltet seine Hände und betet laut. Wir verstehen nur Martina, Dylan, Mongolei und Amen. Er hat wohl für unsere Reise den guten Segen eingeholt. Wir sind gerührt darüber, wie sich die Situation mit etwas Freundlichkeit zum Positiven verändert hat. Schliesslich singen wir jeder noch ein Lied in seiner Sprache in den Sonnenuntergang – mir kam in den Sinn, dass die Mongolen sehr gerne singen und ich dachte spontan, dass vielleicht die Altai-Russen da ähnlich sind und ja, er sang tatsächlich etwas für uns, mit uns.
Als die ersten Sterne hervorlugen, verabschiedet sich unser Freund und geht die Hügel runter der Dunkelheit entgegen. Dann läuft ihm Dylan noch einmal hinter her, um ihm die Hälfte des Brotes, welches wir am Morgen von einer freundlichen Restaurantbesitzerin geschenkt erhalten hatten, weiter zu schenken. Spontan umarmt er Dylan und zieht glücklich von dannen. Freundschaft ist heute mehr wert als 300 Rubel. Mehr über das Abenteuer gibt es auf I nstagram oder Facebook -> @ride2xplore Am 25.10. erzählen wir in Biel an einem Vortrag mehr über unser Leben im Bus und die Reise nach Zentralasien.
JETZT TICKET RESERVIEREN > [email protected]
https://www.ride2xplore.com/deutsch/termine/vanlife-moderne-nomaden/
Weiterlesen
#VANLIFE: Leben und Tod in der Steppe
In der mongolischen Steppe war der Tod schon immer normal, das Leben schon immer ein Kampf – Dschingis Kahn lässt grüssen – aber muss es heute wirklich immer noch so sein? Eine Frage, die wir uns bei der Fahrt durch die Mongolei immer wieder gestellt haben.
Zwei Vögel fliegen vor uns über die Strasse, einer trifft eine falsche Entscheidung und knallt Sekunden später an unser Solarpanel. Im Seitenspiegel sehen wir ihn einen Salto schlagen und auf den Teer aufprallen. Wir fahren die paar Meter zurück. Das kleine Tier liegt leblos auf dem heissen Teer, die zerbrechlichen Füsschen gegen den Himmel gereckt. Der Tenger , der Himmel, er nimmt und gibt. Heute ist er tiefblau, darüber verstreut hunderte von Wolken, wie die Schafe in der Steppe streunen sie ohne Plan über uns dahin. Wir sind unterwegs auf der Hauptstrasse von Ost nach West, genauer gesagt zwischen Altai und Khovd und die einzigen Schafe, die wir sehen, sind die am Himmel. Die Landschaft auf der rechten Seite der Strasse ist braun, grau, öd und doch wunderschön. Nach wenigen Kilometern zieht sie sich hoch in steile Berge, Ausläufer des Altai Gebirges. Auf der rechten Seite hat der Regen die Landschaft kürzlich auf einem schmalen Streifen grün gefärbt, dahinter zeigt sich das Spektrum der verschiedenen Brauntöne in eindrücklichem Ausmass. Alle Häuser sind verlassen, da wo am Wegesrand Schilder auf Jurten-Restaurants aufmerksam machen, ist alles leer. Was wir aber sehen sind viele tote Tiere. Schafe, Kühe, Pferde. Vor einigen Wochen, als wir im Norden der Mongolei von West nach Ost fuhren, trafen wir einen Fahrradfahrer, der damals genau diese Strecke hier zurückgelegt hatte. Er erzählte uns, dass der Gestank des Todes ihn stundenlang begleitet hätte und er mehr tote als lebende Tiere gesehen hätte. Der 94-jährige Mann, den wir zur gleichen Zeit antrafen, sagte: „Es hat diese Jahr noch nie geregnet“ und als wir bei ihnen eine Tasse Tee trinken, stürzt die ganze Familie vor den TV, um die Wetterprognosen zu sehen. Die Enttäuschung in den Gesichtern lässt uns verstehen: Es gibt immer noch keinen Regen. Dies war Anfang Juni.
Dem Wetter ausgeliefert Als wir damals weiterfuhren, zogen plötzlich doch Wolken auf und es tröpfelte hie und da vom Himmel. Dann gab es ein Hagelsturm und ein Gewitter, der grosse Regen ging aber in der Ferne über den Bergen nieder. Die Steppe blieb trocken. Und wir lernten über Regentage glücklich zu sein. Die Nomaden in der Mongolei sind den Wettergöttern ausgeliefert. Nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer. Das Leben hier draussen, in dieser Weite, in dieser für uns unglaublich eindrücklichen Landschaft, ist ein ständiger Kampf ums Überleben.
Im Winter wird es bis zu – 40 Grad kalt. Und wenn wir von Winter sprechen, dann heisst dies Oktober bis März. Die Winterstallungen, zusammengebastelt aus Steinmauern und krummen Holzlatten, scheinen kaum genügend Schutz für die Tiere zu bieten. Das Wetterphänomen, welches regelmässig tausende von Rinder, Schafen und Ziegen sterben lässt, ist so häufig, dass es einen Namen hat. Dzuud. Der weisse Dzuud kommt mit unverhältnismässig viel Schnee, so dass die Tiere kein Futter mehr frei scharren können und in der Kälte verhungern und erfrieren. Der schwarze Dzuud folgt im Sommer, wenn nicht genügend Regen fällt und die Tiere sich nach den entbehrungsreichen Monaten nicht vollfressen können. Wenn die Steppe schwarz bleibt und das Gefühl gibt die Sonne verbrennt alles. Wenn ein schwarzer auf einen weissen Dzuud folgt, dann ist das Ausmass umso schlimmer und viele Nomaden bleiben danach ohne Lebensgrundlage zurück.
Dieses Jahr scheint es besonders hart zu sein. Während der Westen eine Dürreperiode erlebte, regnete es im Osten so stark, dass die Tiere ertranken. Und in zwei Aimags (Provinzen) ist zusätzlich die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. Das Militär hat eingegriffen und entscheiden, welche Tiere leben und welche sterben müssen, damit sich die hoch ansteckende Seuche nicht im ganzen Land ausbreitet. Nur für die Aasgeier ist es ein gutes Jahr. Wir sahen sie oft, so vollgefressen, dass sie zu schwer waren, um aufzufliegen und nur träge neben den Überresten ihrer Mahlzeit sassen, darauf wartend ihre massiven Schwingen wieder in die Luft zu erheben zu können, um nach ihrem nächsten Festmahl Ausschau zu halten. Der Tod ist in der Steppe so normal, dass Tierkadaver mitten in einem Dorf nicht weggeräumt werden. Die Natur wird sich dann schon darum kümmern. Andererseits wird unter Mongolen über den Tod nicht gesprochen. Über Tote erst recht nicht. Und stirbt jemand in einer Jurte, so wird er nicht zur Türe hinausgetragen, sondern unter dem Scherengitter hindurch geschoben. Man will dem Tod nicht die Türe öffnen, damit er kommen und weitere Leben holen kann. Die Schafe, die Yaks und Pferde, die draussen verdursten oder erfrieren. Sie haben keine Türe, die sie vor dem Tod verschliessen können. Aber gäbe es nicht tiefere Brunnen, bessere Winterställe, Futtervorräte, die ihr Überleben und somit dasjenige ihrer Besitzer sichern könnten? Wir fragen uns immer wieder woran es liegt, dass Innovation in diesem Land so oft aussen vor bleibt?
Es ist sehr mongolisch – ich kenne das Land und die Menschen seit 15 Jahren und wage mich daher an eine Generalisierung heran, der ich leider in der Vergangenheit öfter als nicht begegnet bin – einfach zu tun, was man immer getan hat. Etwas verbessern? Wozu auch? Es hat ja immer irgendwie funktioniert. Dies liegt, so glaube ich, nicht an Faulheit (was im Übrigen von Mongolen, die im Ausland leben, ihren Landsleuten öfters attestiert wird), sondern viel eher am fehlenden Wissen, an der fehlenden Gewohnheit selbständig und „outside the box“zu denken (etwas, was man auch im heutigen immer noch sehr kommunistisch angehauchten Schulsystem der Mongolei nicht lernt), sehr wahrscheinlich auch am fehlenden Zugang zu Information und Geld.
Und an dieser mongolischen Schicksalsergebenheit, die das Vorausplanen unnötig macht und von der wir durchaus lernen können. Warum sich aufregen? Es wird dann schon. Und ja, es ist hier tatsächlich so: Der Tag wird immer anders als erwartet. Irgendwas kommt immer dazwischen. Und am Ende kommt es dann doch meistens gut. Meistens. Aber eben nicht immer. Mehr über das Abenteuer gibt es auf I nstagram oder Facebook -> @ride2xplore Am 25.10. erzählen wir in Biel an einem Vortrag mehr über unser Leben im Bus und die Reise nach Zentralasien.
JETZT TICKET RESERVIEREN > [email protected]
Weiterlesen
#Vanlife: Schlaflos unterdem Sternenhimmel
Nach zweieinhalb Wochen auf der von Martina gegründeten Tagesstätte für Kinder, die aus ärmsten Verhältnissen stammen, geht es mit dem Bus nun wieder gegen Westen. Die Gedanken sind aber noch in Ulaanbaatar.
Es ist 2 Uhr 37. Meine Blase hat mich aus einem unruhigen Schlaf geweckt. Ich ziehe mir was über, öffne die Türe und trete in die Dunkelheit hinaus. Wow! Ich drehe mich nochmals um, taste nach meiner Brille und bleibe regungslos unter dem Sternenhimmel stehen. Wie ein eingefrorenes Feuerwerk schwebt die Milchstrasse glitzernd über unserem Bus. Nachdem wir mehr als zwei Wochen unmittelbar um oder in Ulaanbaatar campiert hatten, bringt mich der funkelnde Sternenhimmel und die tiefe Dunkelheit der Nacht völlig aus der Fassung. Kein Licht ist zu sehen. Nirgends. Wir sind bloss knapp 80 km von der mongolischen Hauptstadt, die mittlerweile 1.5 Millionen Einwohner zählt, entfernt. Aber sobald Ulaanbaatar im Rückspiegel verschwand, machten sich auch die Lichtverschmutzung auf und davon.
Alkohol und Gewalt
Ich sauge die Ruhe auf, während in meinem Kopf die Eindrücke der letzten Wochen durch die Gehirnwindungen flippen. Obwohl ich die problematischen Familiengeschichten der Kinder, die in der Bayasgalant Tagesstätte betreut werden, seit 15 Jahre kenne, reagiere ich immer noch emotional darauf. Da ist der alkoholabhängige Vater, der im Suff seine Tochter mit einem Messer angriff. Wir besuchten Onkel und Grossmutter der Familie und stellten deren Dilemma fest: Der einzige, der eine Arbeit hat, ist eben dieser Mann, der eigentlich in den Knast gehört. Dann erfahren wir von einer Mutter, die mit einem neuen Mann verschwand und ihre drei Kinder vor Jahren ihrer eigenen Mutter überliess. Während wir in der Jurte der Grossmutter sassen, in der es ein Bett, ein Ofen und ein paar wenige andere wacklige Möbel hat, erzählte sie uns unter Tränen, dass sie nicht wisse was mit ihren Grosskindern passiert, falls sie stirbt. Die Frau ist erst knapp über 60, sieht aber aus wie weit über 70. Das harte Leben hat tiefe Furchen in ihr Gesicht gezeichnet. Sie hinkt als sie uns zum Tor des Grundstückes begleitet, auf welchem sie jemand gratis wohnen lässt. Das gelähmte Bein ist die Folge eines Herzinfarktes. Ihre dürre Hand schüttelt meine dennoch kräftig, als sie sich verabschiedet und bedankt. Es sind auch die traurigen Augen von Degi, die mich hier mitten unter dem Sternenhimmel beschäftigen. Ein Jugendlicher, der plötzlich durch aggressives Verhalten auffällt. Später erfuhren wir, dass sein Vater ihn neuerdings verprügelt und die beiden seit Monaten kein Wort mehr miteinander sprechen. Und es ist der schüchterne kleine Junge mit dem schmutzigen Gipsarm, dessen Mutter gestorben ist und der seither vom Vater völlig vernachlässigt wird, der ebenfalls in meinem Kopf herumschwirrt. Oft sind uns als Organisation die Hände gebunden, zum Glück aber nicht immer.
Veränderung ist möglich
Hinter allen 175 Kinder, die unser Team täglich betreut, stehen schwierige Schicksale und ich bin froh nehmen sich unsere Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen und Lehrerinnen diesen Kindern an. Die Bayasgalant Tagestätte, bietet den Kindern, die in Armut aufwachsen nämlich nicht nur Essen und Schulbildung, sondern zieht auch die Familiensituation in Betracht und versuch gemeinsam mit den Eltern etwas zu verändern. So geben mir die Besuche in den Armenvierteln Ulaanbaatars auch immer sehr viel Energie. Weil ich Uanzezeg treffe, die wieder lacht wie ein Sonnenaufgang. Dem zerebral gelähmten Mädchen geht es viel besser, seit die Familie in ein kleines Haus auf unserem Grundstück ziehen konnte und sie im Winter nicht mehr dermassen friert. Da ist Battur, der trotz alkoholabhängiger Eltern erfolgreich studiert und letzte Woche im Jugendrat der UNO an der "Asien Ministerial Conference on Desaster Risk Reduction" teilgenommen hat. Jeden Morgen begrüsste mich Davaachuu lachend, der dreifache Vater, der Dank Gesprächen mit unserer Psychologin aufgehört hat zu trinken und bei uns eine Arbeitsstelle als Hauswart erhalten hat. Oder Otgon Bayar, ein Junge der früher kaum sprach und sich völlig in sich zurückzog, der jetzt an der Hand der Sozialarbeiterin auf einem Bein über das Spielfeld hüpft und laut über sich selbst lacht, wenn seine Füsse nicht das tun, was das Hirn ihnen befielt. Es sind diese Gedanken, und das Wissen, dass sich der Alltag vieler Kinder zum Positiven verändert hat, die mich nach meiner Sterngucker-Pause wieder schlafen lassen. Ein Schlaf, den ich nötig habe, denn vor uns liegt eine ebenso intensive Woche: In vier Tagen müssen wir die 1800km bis zur russischen Grenze zurücklegen. Durch eine Landschaft, die in allen Farbtönen leuchtet und dann wiederum verblasst, wenn wir die Ausläufer der Gobi durchqueren, wo es wie an so vielen anderen Orten auch, keinen Asphalt hat.
Mehr über Bayasgalant, Kinderhilfe Mongolei erfahrt ihr auf der Website: www.bayasgalant.org Der Verein betreibt die Tagesstätte einzig durch Spenden. Uns freut es, wenn Ihr etwas dazu beitragt. Danke.
Mehr über die Reise findet ihr auf I nstagram oder Facebook . -> @ride2xplore
Tickets jetzt reservieren unter [email protected]
Weiterlesen
#Vanlife: Schaf zum Frühstück
Die Mongolei, das eigentliche Ziel der Reise, ist erreicht. Ganz im Westen fuhren wir über die Grenze und erlebten vom ersten Tag an Gastfreundschaft und das wir jetzt wirklich in Asien angekommen sind.
Unter uns auf der Ebene zieht langsam eine Herde Yaks vorbei. Die Sonne wärmt ihre schwarzen Felle, der Wind zerzaust sie. Soweit wir blicken können, breiten sich um uns herum karge Hügel aus. Obwohl der Himmel blau erstrahlt, ist es auf 2300 Meter über Meer noch empfindlich kühl an diesem ersten Morgen in der Mongolei. Wir sind ein paar Kilometer nach der Grenze, ganz im Westen, wo das Altaigebirge sich zwischen China, Russland, Kasachstan und die Mongolei zwängt. Gestern Abend waren wir als letztes Fahrzeug über die Grenze gelassen worden, nachdem uns die Soldatin zuerst mit den Worten ‘Morgen um neun Uhr sind wir wieder da‘, das Tor vor der Nase zu gemacht hatte. Gerade waren wir noch in einer Schlange von fünf Fahrzeugen gestanden, alle andere hatte sie durchgewinkt, dann entschieden uns im Niemandsland zwischen den beiden Grenzen für die Nacht stehen zu lassen. „Das ist die Mongolei, da gibt es immer eine Lösung,“ sagte ich zu Dylan und so war es dann auch diesmal. Die grossgewachsene Frau hatte wenig später Erbarmen mit uns, öffnete das eiserne Gatter nochmals und schickte uns zur Passkontrolle. Das Ganze wirkte chaotischer als es effektiv war. Und ausser uns schenkte der Schlägerei von, wie wir später realisieren, zwei betrunkenen Angestellten der Zollbehörden, niemand Beachtung.
Angekommen in Asien Als wir bereits in der Schlange vor der Passkontrolle standen, kam ein kleingewachsener Mann in schwarzer Uniform daher und wollte unsere Pässe sehen. Er kontrollierte mein Visum und sagte: „Your visa is no good. Already over.“ Unsere Visa seien bereits abgelaufen. Es ist der 4. Juni 2018. Auf unseren Visa steht: Einreise vor dem 3. Juli. 2018 Wir schüttelten energisch die Köpfe und versuchten dem Mann klar zu machen, dass „June“ und „July“ nicht das gleiche ist. Schliesslich kam eine Soldatin, oder zumindest war sie so gekleidet, nahm dem Mann die Pässe weg und bestätigte was wir sagten. „Das Visum ist völlig in Ordnung.“ Der ältere Mann mit den kleinen Augen lachte auf, nahm die Pässe wieder an sich und ehe wir etwas sagen konnten, verschwand er damit in einem langen Flur. Wir warteten 5, 10 Minuten. Dann wurden wir langsam etwas unruhig. Der Mongole, welcher vor uns in der Schlange gestanden und gesehen hatte, wer mit unseren Pässen davon marschiert war, kam mit mir den Flur entlang. Dann gingen wir einen Stock höher und öffneten links und rechts jede Türe. Irgendwann wohl auch die des Chefs. Der guckte irritiert zu uns und wir genauso irritiert zurück. „Wir suchen den Mann mit der schwarzen Uniform.“ „Der ist ein Büro weiter,“ sagte er und zeigte mit dem Kinn die Richtung an. Und tatsächlich, da sass er hinter seinem Schreibtisch und kopierte in einer Seelenruhe unsere Pässe. Einen gab er mir bereits zurück und ich sah, dass er mit einem Kugelschreiber und einem Stempel das späteste Einreisedatum geändert hatte. Nun stand da: Einreise vor dem 2. Juli. 2018. Ich wollte lauthals über den Unsinn protestieren, hielt mich dann aber zurück und wartete geduldig auf den zweiten Pass. So einen Blödsinn habe ich selten gesehen, erzählte ich Dylan verärgert, der mittlerweile auch in der offenen Bürotür erschienen war. Erst im dem Moment realisierte ich: Jetzt sind wir wirklich in Asien angekommen. Der Mann konnte sein Gesicht nicht verlieren und musste nach seinem offensichtlichen Fehler, irgendetwas an unseren Visa herumdoktern, damit er doch irgendwie die Oberhand behält. Was in unseren Augen keinen Sinn macht, macht es in seinen sehr wahrscheinlich schon. Danach ging es zum Glück zügig. Alle wollten nach Hause und so wurden unsere Pässe schliesslich schnell gestempelt und die Einreisepapiere für Foxy den Bus ohne Tamtam ausgefüllt. Und auch ohne dass ein Blick auf, geschweige denn in den Bus geworfen wurde. Einladung zum Frühstück Und so sind wir dann im schönsten Abendlicht, vorbei an den ersten Jurten über die Kieselstrasse geholpert. Ein paar Kurven weiter, hatten wir von der Hauptstrasse weg, im Windschutz einer zerfallenen Hütte einen Standplatz für die Nacht gefunden und herrlich geschlafen. Jetzt fahren wir frisch erholt los, den Hügel runter dann links. Wir folgend der Staubwolke eines Motorrades, welches kurz vor uns vorbeigefahren ist. Dann sehen wir links eine der rechteckigen niedrigen Lehmhäuser, der kasachischen Mongolen und halten spontan an, als ein Mann im Türrahmen erscheint. Der Alte winkt uns sofort zu sich ins Haus und bietet uns ein paar Kekse an, während seine erwachsene Tochter auf dem Holzofen Teewasser zum Kochen bringt. Bevor wir wissen was uns geschieht, steht ein grosser Teller voller Schafsknochen und Borzog, eine Art Mehlgebäck, vor uns und wir werden dazu aufgefordert zuzulangen. „Die Leute sind ja so unglaublich gastfreundlicher hier!,“ entfährt es Dylan strahlend, obwohl er gerade tapfer ein Stück eher streng riechendes Schafes aus der Schüssel klaubt. Nach fast vier Wochen Russland, wo die Menschen reserviert waren und wir uns sehr um ein Gespräch hatten bemühen müssen, sind die Menschen in der Mongolei auffällig offen, fröhlich und sehr viel gastfreundlicher. Offen, fröhlich und herzlich Auch als wir 60km weiter Ülgy, die erste Stadt, erreichen, geht es für uns nur positiv weiter: Zwei Polizisten eskortieren uns kurzerhand samt Polizeiauto zum Geldwechselbüro und der Mann hinter der Theke hat eine solche Freude uns zu sehen, dass er Dylan spontan einen dicken Bündel Geld in die Hand drückt, um mit ihm ein Selfie zu machen, dann seine Telefonnummer und seinen Facebook-Kontakt auf einen Zettel notiert. Als wir etwas später Foxy vor einem Kaffee parkieren, drückt die Strassenverkäuferin, die eben noch ruhig hinter ihrem Stand sass, sofort ihre Nasen an unserem Rückfenster platt, um in unser Haus zu spähen. Ihre Nase hinterlässt einen sauberen Fleck an der staubigen Scheibe und sie eine fröhliche Erinnerung an eine lebedinge Stadt inmitten einer wüstenähnlichen Landschaft. Ich liebe die Mongolei bereits seit 15 Jahren, jetzt weiss ich wieder in aller Deutlichkeit weshalb. Und Dylan? Ich glaub er ist bereits vom ersten Tag an von diesem unbeschreiblichen Mongolei-Gefühl eingenommen, welches versteht wer schon mal hier war. Mehr über das Abenteuer gibt es auf I nstagram oder Facebook -> @ride2xplore Am 25.10. erzählen wir in Biel an einem Vortrag mehr über unser Leben im Bus und die Reise nach Zentralasien.
Weiterlesen