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Wermutwolf

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Urban Pro
Ort Zürich
Gegründet 2023
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Streifzüge durchs Revier - Charlie Chaplin und ein Journalist

Streifzüge durchs Revier - Charlie Chaplin und ein Journalist

In unserer Ausübung als schreibende Wermutwölfe stolpern wir konstant über interessante Geschichten, die mal mehr, mal weniger direkt mit Alkohol zu tun haben. In dieser Rubrik wollen wir uns mit einem feinen Glas auf einem bequemen Sessel zurücklehnen und uns an Booze-infused Stories laben. Heute geht es um einen amerikanischen Journalisten und Charlie Chaplin.Als Cocktail-Liebhaber stöbere ich immer wieder einmal in der Mixologen-Bibel, dem «Savoy Cocktail Book». 1930 herausgegeben, findet man darin 750 Rezepte der beliebtesten Drinks, und hin und wieder steht zu einer Kreation ein kleiner Text zur Erklärung. Beispielsweise beim «Bacardi Special Cocktail». Zutaten: Gin, Rum, Limettensaft und Grenadin-Sirup. Der Text dazu lautet: «*Berühmt gemacht von Karl K. Kitchen, dem sehr bekannten New Yorker Zeitungskolumnisten.»Ich habe mein ganzes bisheriges Berufsleben in der Medienbranche verbracht und von dem her kam es mir ganz natürlich vor, dass ein Cocktail in Verbindung zu einem Journalisten gebracht wird. Selbstverständlich habe ich mir das sogleich zubereitet und ja, ein sehr schmackhafter und süffiger Drink!Die schwedischen Wodka-Produzenten von Absolut preisen hier einen anderen Karl K. Kitchen-Cocktail an:Jedenfalls war ich gespannt, was der Mann mit den politisch belasteten Initialen so geschrieben hat. Und das ist oft recht unterhaltsam. Wer des Englischen mächtig ist, kann sich bspw. hier sein Buch über das Nachtleben in Europa (plus Damaskus und Kairo) zu Gemüte führen. In deutscher Sprache kann man bspw. hier oder hier bei der TAZ Artikel vom Karlchen lesen. Alles von ihm ist plus/minus 100 Jahre alt und genau deshalb auch interessant.Beispielsweise war mir nicht bewusst, dass es in Berlin ein Gartenrestaurant mit einer Kapazität von sage und schreibe 6000 Personen gab. Aber was mich mehr interessierte, war dieser New York Times-Artikel über einen Besuch bei Charlie Chaplin 1935 in Beverly Hills. Charlie hatte dort seinen Geniestreich «Modern Times» fast fertig, allerdings war er sich zu diesem Zeitpunkt, fünf Monate in der Produktion drin, sicher, dass der Film «The Masses» heissen würde. Charlie steckte offenbar eine Million Dollars selbst in den Film rein, was dazumal eine Menge Schotter war. Heutzutage verschlingen nur schon die Werbebudgets von Filmen schnell ein Mehrfaches davon.Diese Kultszene aus dem Film illustriert seinen Inhalt, wie das Individuum der grossen, mächtigen Industrie ausgeliefert ist:Diese grossen Filmsets seien natürlich aus Gummi und Holz gemacht gewesen und so angemalt, dass es nach Stahl ausgesehen hat. Karl K. Kitchen konnte die Entstehung dieser Szene offenbar direkt im Studio bewundern. «Modern Times» war das glamouröse Ende der Stummfilm-Ära.Während der McCarthy-Kommunisten-Hatz verweigerte die Regierung Chaplin die Rückreise in die USA. In besagtem Text von KKK sagte der Brite Chaplin, dass falls er je woanders leben werde als Hollywood, er dann wohl die Staatsbürgerschaft von Andorra ins Auge fassen würde, «das kleinste und unbedeutenste Land der Welt.» Nun, bekannterweise ist er ja dann in einem anderen kleinen, nicht gänzlich unbedeutenden Land gelandet; der Schweiz.Charlie wurde als Betrunkener im Sketch «Mumming Birds» entdeckt und spielte im Lauf seiner Karriere viele weitere Male Trunkenbolde-Rollen und -Szenen. Beispielsweise in diesem lustigen Werk von 1917, namens «Die Kur», wo er als Alki mit einem riesigen Bar-Koffer in das Sanatorium eincheckt:Von einer KI eingefärbte VersionIm echten Leben trank er allerdings nicht viel. Sein Vater, Charlie Chaplin Senior, war im späten 19. Jahrhundert selbst ein berühmter Entertainer. Zu dieser Zeit wurden die Theaterschauspieler dazu animiert, ihren Lohn an der Theaterbar auszugeben, was Chaplin Senior auch tat und mit 37 Jahren den Folgen der Alkoholexzessen erlegen ist.Nichtsdestotrotz existiert ein zumindest früher beliebter «Charlie Chaplin-Cocktail». Seine Zutaten sind Sloe Gin, Aprikosen-Brandy und Limettensaft. Auch Charlie habe ihn gern gehabt. In Massen. Der unvergessliche Charlie wurde 88 Jahre alt und lebte die letzten 25 Jahre davon im hübschen Vevey, wo er mit einer Statue und «Chaplin’s World» verewigt wurde. Eine Reise dorthin kann ich allen Interessierten wärmstens empfehlen.