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Wermutwolf

Wermutwolf

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Urban Pro
Ort Zürich
Gegründet 2023
Follower 2
Kneipentour: Tipsy Tiger / Dry Club

Kneipentour: Tipsy Tiger / Dry Club

Es ist Samstagmorgen, 29. Juni 2024 und ich sitze verkatert am Esstisch. Krampfhaft versuche ich den gestrigen Abend zu rekonstruieren. Es war eine siebenstündige typisch Wermutwolf-mässige Cocktail-Odyssee im Mitte März eröffneten «Tipsy Tiger», inklusive dessen «Dry Club» in der oberen Etage, mitten an der belebten Zürcher Langstrasse.Es ist vermutlich am einfachsten, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Woran kann ich mich als Letztes erinnern? Spätnachts am Wochenende in den Trubel der Langstrasse zu treten, ist immer wieder ein kleiner Kulturschock. Vor allem nachdem wir im geschützten Rahmen des schön schummrigen «Dry Clubs» dem good life frönten. Wenn man durch die Hintertüre gelassen wird und die Treppe hinauf in den «Dry Club» geht, tut man das zum Klang von Tigergebrüll. Hinaus kommt man selbst, hinein nur mithilfe des Personals.Das war soweit ich mich erinnern kann unsere erste Runde im «Dry Club» …Zum Personal gehört auch ein Security-Mann und man kann sich gut vorstellen, dass dieser im Laufe der Nacht zu tun hat. Dieses Gebiet strotzt nur so vor merkwürdigen, suspekten, lautstarken, aggressiven, berauschten Leuten, natürlich nebst liebenswerten, warmherzigen, lebenslustigen Menschen. Es ist ein Schmelztiegel des gesamten humanen Spektrums. Sehr spannend, aber wir fragen uns auch, wie man als Familie mit Kindern hier wohnen kann … zu diesem Thema passt dieser aktuelle Blick-Artikel, wie die Urlaubsdestination Udine zumindest vorübergehend den Alkoholkonsum gesetzlich beschränkt.Oh ja, wir liessen es uns gut gehen!Ich mache mir ein Katerfrühstück mit Ei, Tomate, Oliven, Mozzarella und etwas Hüttenkäse. Und natürlich jede Menge Kaffee … Ich habe keine Kopfschmerzen, fühle mich aber ein wenig shakey … Ich sehe, dass gestern ein neues Album der tollen Jazzmusikerin Madeleine Peyroux veröffentlicht wurde, erstmals ohne Cover-Versionen. Entspannter Jazz-Sound passt zu meinem Zustand. Ich drücke Play und erinnere mich, dass die Musik im «Dry Club» der Hammer war! Old School-Funk und Afrobeat vom Allerfeinsten, doch in einer idealen Lautstärke, sodass man sich gut unterhalten kann.Richtig frühstücken nach einer durchzechten Nacht ist wichtig!Ich schaue mir die beiden Rechnungen an, eine vom «beschwipsten Kätzchen», eine vom «Dry Club». Auf beiden steht «Dies ist keine Rechnung». Ist das eine Hommage an das Gemälde «La Trahison des Images» vom belgischen Surrealisten René Magritte (1929), mit der Bildlegende «Dies ist keine Pfeife», unterhalb einer Pfeife? Das wäre seltsam, denn ja, eine gemalte Pfeife ist keine wirkliche Pfeife, aber das hier scheinen ja richtige Rechnungen zu sein. Falls nicht, warum haben wir dann bezahlt?Ich zähle auf den Rechnungen total 33 Drinks und zwölf Food-Bestellungen (wir waren zu viert). Stimmt, wir haben einen ordentlichen Teil der Menüs verköstigt. Die Burger schafften wir nicht, das werden wir ein anderes Mal nachholen müssen. Doch was wir zu essen bekamen, war ganz grosses Kino! Vor allem der Blumenkohl und die Fritten waren ausgezeichnet, sehr weit über Standard angesiedelt.Die Rechnungen wurden stilgerecht in kleinen Gin-Fläschchen gebrachtOben im «Dry Club», welcher der Prohibitionszeit entsprungen wirkt, bekommt man die interessanten Cocktails mit Beschreibungen wie «Infusion», «redistilled» oder «gefriergetrocknet» vom Barpersonal gemacht, und es wurde uns auch immer wieder sehr toll beschrieben, wie die einzelnen Drinkschöpfungen im Detail gemacht wurden.Auch Küchenchef Samuel erklärte uns alles schön detailliertUnten im «Tipsy Tiger» kommen die Cocktails hingegen aus neun Zapfhähnen, wie in einer Bier-Bar. Ich hatte mich lange mit Geschäftsführer Luca unterhalten, der mir sagte, dass diese Cocktails jeweils für eine Woche im Voraus gemacht werden und die Drinks Work-in-progress seien, es auch immer wieder Änderungen im Angebot gibt.Auch die Kunst auf dem stillen Örtchen gefälltDieses Bild prangt ebenfalls auf der Herren-Toilette. Mondschein, die wieder mit dabei war, meinte, dass auf der Damentoilette ein Bild von einem rauchenden Bär aufgehängt sei. Alle beschwipsten Aussagen ohne Gewähr …Als er mir mitteilte, wie viele Stunden er sich pro Woche mit Drink-Themen befasst, packte mich der Neid. Er erinnerte mich aber daran, dass auch das ein Job sei. Der Fachmann bestätigte nebenbei mein Test-Fazit der Gegenüberstellung von «Chartreuse» mit «La Gauloise», meint, dass Letzteres einfach kein gutes Produkt sei.Geschäftsführer Luca, der mir vor der Öffnung des «Dry Clubs» diesen präsentiertHier im It-Kreis 4 geht gefühlt jeden Monat eine neue hippe Bar, ein angesagter Club auf. Ich frage Luca, ob er die Konkurrenz spürt, zumal ja beispielsweise gleich neben dem Tiger die «Fat Tony»-Bar beheimatet ist. Ich werde aufgeklärt, dass beide Lokale die gleichen Eigentümer haben und dass ein grösseres Angebot auch mehr Leute anziehe, was wohl so sein wird, ja.Das Branchenblatt «falstaff» geht nah ran zur theoretisch möglichen, aber unwahrscheinlichen maximalen 100er-BenotungIch traf als Erster vor Ort ein, nur kurz nach der Öffnung um 16 Uhr. Kaum war ungefähr eine halbe Stunde vergangen, sah ich wie eine Frau fast von einem Auto überfahren wurde, sichtlich high zum Tiger rübertorkelte und sich auf einen rettenden Stuhl hangelte. Als ich Luca auf die Szene anspreche, reagiert er sehr verständnisvoll und lässt mich wissen, dass hier alle Menschen gleich respektiert und behandelt werden. Die Bar wirkt auch nicht so elitär wie zum Beispiel die «Bar am Wasser», in der Luca früher arbeitete.Ein Ausschnitt aus der Cocktail-Karte des «Dry Club», wie sie an diesem Abend existierte. Publiziert wird sie nirgendsDer «Tipsy Tiger» bietet draussen Tische und Stühle an, drinnen natürlich auch, und dann gibt es noch solche, die im Zwischenbereich von drinnen und draussen liegen. Von dort aus beobachtete ich einige Zeit das pralle Langstrassenleben, was wohl auch nach vielen Stunden nicht langweilig wird, da ständig etwas los ist.Wir können die Bar und den Club wärmstens empfehlen. Man bekommt dort vieles, was ausgefallen, nicht alltäglich ist. Geruchs- und Geschmackssinne werden auf Abenteuerreise geschickt. Ausserdem haben wir uns rundum wohlgefühlt, man fühlt sich bestens aufgehoben. Top! Der Wolf wird dem Tiger sicher wieder einen Besuch abstatten.Zapfhahn Nummer 3-Cocktail «Nuclear Iced Tea» mit Rum, Vodka, Gin und mehr … Die Dekoration in Form eines grünen Gummi-Froschs habe ich im Anschluss an den Drink gegessen. Erstmalig seit meiner Kindheit …Zum Abschluss noch ein Bild des Kontinuum-Transfunktionators, äh des Rotationsverdampfers. Luca arbeitete früher im Chemielabor. Mit diesem Gerät kann er alle möglichen Düfte destillieren