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Wermutwolf

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Urban Pro
Ort Zürich
Gegründet 2023
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Mein erstes Mal - Ballantine's Finest

Mein erstes Mal - Ballantine's Finest

Ich habe tatsächlich noch nie im Leben richtig billigen Whisky getrunken. Nun: Einmal ist immer das erste Mal. Darum landet der Ballantine’s Finest in meinem Tasting-Glas. Den gibts für schlappe 15 Franken die Buddel. Ist er gut investiertes Geld oder hätte ich mir dafür besser ein Bio-Avocado-Kresse-Frischkäse-Vollkornbrot-Sandwich gekauft?Kürzlich habe ich mit Dani über die rundum steigenden Preise diskutiert: höhere Mieten, teurere Krankenkassen, überrissene Benzinpreise, inflationäre Stromgebühren … und wenig danach verirrte ich mich in einen Denner-Shop; die Schweizer Variante von Aldi, Lidl & Co. Bei Discountern schaue ich immer gerne ins Spirituosenregal – vielleicht schlummert dort ein Schatz oder eine tolle Rabattaktion. Doch dieses Mal blieb mein Blick beim Aktions-Preisschild des Ballantine’s Finest hängen: 15 Franken für 7 dl.15 Franken?!! So viel zahlt man in Zürcher Restaurants für zwei grosse Bier. Kann das gut sein und gut gehen? Nicht lange überlegen, sondern zubeissen, ist die Devise vom Wermutwolf.Der Preis vom Ballantine’s Finest liegt nur wenig über der obligatorischen Alkoholsteuer von 29 Franken pro Liter reinem AlkoholBeim Ballantine’s Finest handelt es sich um einen Blended Scotch Whisky, also keinen Single Malt. Das heisst: Dieser Schotte beinhaltet Spirits aus mehreren Destillerien. Zudem müssen es nicht nur Malts aus Gerstenmalz sein, sondern es dürfen auch Grain-Whiskys in die Flasche. Diese können aus anderen (günstigeren) Getreidesorten wie Weizen, Mais, Roggen etc. hergestellt werden. Im Ballantine’s Finest sollen über 40 Malts- und Grain-Whiskys stecken, die ihm laut Hersteller Pernod Ricard seinen «einzigartigen Charakter, ein ausgereiftes Aroma und einen vollmundigen Geschmack» verleihen. Wie alt er ist, wird leider nicht verraten. Aber mindestens drei Jahre müssen sowohl die Malt- als auch Grain-Whiskys in Holzfässern lagern. Das ist bei schottischem Whisky vorgeschrieben.Für Jim Murray ist der Ballantine’s Finest einer der besten schottischen BlendsAuch spannend: Whisky-Experte Jim Murray hat den Ballantine’s Finest in seiner «Whisky Bible 2022» zum «Scotch blend of the year» gekürt und ihm sagenhafte 96 von 100 Punkten verliehen; damit liegt er auf dem Level eines 15-jährigen Highland Park oder um einen Blended Scotch aus der «Whisky Bible 2022» zu nehmen, eines Royal Salute 21 Years. Beide kosten (weit) über 100 Franken.Der Royal Salute 21 Years liegt zumindest preislich meilenweit vom Ballantine’s Finest entfernt; er geht für 180 Franken über den TresenSeien wir ehrlich: Jim Murray stösst Whisky-Fans mit seinen Benotungen gerne vor den Kopf. Deshalb lassen wir sein Urteil sowie den Billig-Billig-Preis des Ballantine’s Finest links liegen und gehen so objektiv wie möglich ans Tasting. In der Nase rieche ich viel Malz, fühle mich sogar an Bier erinnert. Dieser Blend duftet zudem fruchtig und süss. Hinzu kommen etwas Vanille, Schokolade und Eichenholz. Im Mund ist er butterweich, mit Eichenholz und Vanille. Er macht sich malzig-süss im Gaumen breit, ohne jegliche Bitterkeit. Ich nehme nur einen Anflug von Rauch wahr und sehr wenig Würze. Der Abgang ist kurz wie ein Schottischer Sommer, süss und mild – mit etwas Rauch und einer Prise Würze. Kurz und gut: Der Ballantine’s Finest ist ein sehr einfacher, süffiger Geselle. Er trinkt sich fast wie Wasser. Einen solchen Scotch kann man problemlos wie Richard Burton im Film «Wer hat Angst vor Virginia Woolf?» glasweise runterkippen.Auf Komplexität wurde verzichtet; dieser Scotch ist auf optimale Trinkbarkeit frisiert. Der Ballantine’s Finest ist wie ein japanischer Kleinwagen: Er bringt Dich zuverlässig, ohne Panne und Holpern, aber unspektakulär ans Ziel (welches das auch immer ist). Er ist keine Herausforderung, aber auch kein Erlebnis. Mir kommt der golden leuchtende Koffer aus dem Film «Pulp Fiction» in den Sinn. Es gäbe im Ballantine’s Finest so viel zu entdecken. Nur ist das alles in den Tiefen dieses Blends eingesperrt; ich schaffe es nicht, heranzukommen. Auch in «Pulp Fiction» erfahren wir nie, was sich Wertvolles in dem Koffer verbirgt.Würde ich ihn wieder kaufen? Nein! Er ist mir zu flach, zu malzig, zu banal. Bei jedem Schluck frage ich mich: Kommt noch was? Das frustriert. Ich gebe die 15 Franken lieber für zwei gute Glas Bier aus. Die nähren zudem genauso gut wie ein Bio-Avocado-Kresse-Frischkäse-Vollkornbrot-Sandwich.