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Wermutwolf
Wermutwolf
Urban Pro
Ort
Zürich
Gegründet
2023
Follower
2
Tierischer Durst - Elefanten
Wer unsere Serie über tierische Trinker liest, weiss: Die kleinen Geschöpfe können mächtig saufen. Doch wie steht es mit den Schwergewichten? Schwanken Elefanten tatsächlich schon nach wenigen Happen vergorener Früchte wie in der TV-Sendung «Die lustige Welt der Tiere» oder können es die Dickhäuter doch mit Hamstern, Amseln, Spitzhörnchen und Gérard Depardieu aufnehmen?Wer in den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts aufwuchs, hat sie bestimmt gesehen: Die Sendung «Die lustige Welt der Tiere», in der Affen, Elefanten, Nilpferde, Erdmännchen und andere Bewohner Afrikas eine alkoholschwangere Party unter einem Marula-Baum schmeissen.Grund für das feuchtfröhliche Verhalten sollen die vergorenen Marula-Früchte sein. Die Betonung liegt auf «sollen». Wie mein Vater schon sagte: «Glaube nicht alles, was Du im Fernsehen siehst». Denn mittlerweile ist bekannt, dass so ein paar vergorene Früchte keinen Elefanten ausknocken; ein afrikanischer Dickhäuter trinkt schliesslich 70 bis 150 Liter Wasser pro Tag und wiegt je nach Geschlecht 4 bis 7 Tonnen.Trotz seiner beachtlichen Leibesfülle wiegt Gérard Depardieu noch lange nicht so viel wie ein ausgewachsener Elefant. Bild generiert mit midjourney.comGérard Depardieu bringt es mittlerweile auf 140 Kilogramm und würde wegen einiger vergorener Marula-Früchtchen nicht einmal rülpsen; in seinen besten Zeiten brüstete er sich damit, täglich 14 Flaschen Wein, Champagner und Schnaps zu zwitschern.Tatsächlich sind Biologen der britischen Bristol University der Meinung, dass uns da vom Fernsehen ein Bär – tschuldigung – ein Elefant aufgebunden wurde. Laut National Geographic schreiben Steve Morris und seine Kollegen im Fachmagazin «Physiological and Biochemical Zoology», dass Anekdoten über betrunkene Elefanten in freier Wildbahn mehr als ein Jahrhundert zurückreichen. Es gäbe Reiseberichte aus der Zeit um 1839, in denen die Zulu erzählten, dass Elefanten ihr Gehirn mit vergorenen Früchten aufwärmen. Aber weder die Biologie des afrikanischen Elefanten noch die der Marula-Frucht würden diese Geschichten stützen.Marula – die «verbotene» Frucht für Elefanten? Quelle: Wikipedia.comZwar werden die süssen, gelben Marula-Früchte von Menschen für die Herstellung von Marmelade, Wein, Bier und dem Likör Amarula verwendet. Doch laut den Biologen sei es unwahrscheinlich, dass ein Elefant die Frucht fressen würde, wenn sie verdorben am Boden läge. Die Dickhäuter würden sie direkt vom Baum angeln. «Dies ist eine weitgehend selbstverständliche Tatsache», so Morris, «denn Elefanten stossen sogar Bäume um, um die Früchte vom Baum zu holen, selbst wenn sie faul auf dem Boden liegen». Andere Experten fügen laut National Geographic hinzu, dass ein Elefant die Früchte vom Boden sofort fressen und nicht warten würde, bis sie gären. Klingt einleuchtend: Machen wir Menschen auch seit Urzeiten so:via GiphyFunktioniert eine Theorie nicht, ist man rasch mit einer neuen zur Stelle. So argumentieren einige Verfechter der «betrunkenen Elefanten»-Hypothese, dass die Früchte nicht am Boden, sondern im Magen der grauen Riesen gären würden. Doch auch hier geben die britischen Biologen Gegensteuer: Sie weisen darauf hin, dass Nahrung zwischen 12 und 46 Stunden benötigt, um das Verdauungssystem eines Elefanten zu durchlaufen; zu wenig Zeit, um die Früchte zu fermentieren. Zudem würden die Zucker in der Nahrung zu flüchtigen Fettsäuren umgewandelt, wodurch sie für die Gärung nicht zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: Der Zucker wird in Fett umgewandelt, bevor er zu Alkohol vergoren werden kann. Wäre auch zu schön, wenn wir nur ein paar Früchte essen müssten, um einen in der Krone zu haben.via GiphyBleibt die Frage: Wie viel muss ein Elefant saufen, um besoffen zu werden? Dazu haben die Biologen der Universitär Bristol das Körpergewicht, die Verdauungsrate der Elefanten und andere Faktoren berücksichtigt. Sie kommen zu dem Schluss, dass es etwa 1,9 Liter reinen Ethanol braucht, um einen Elefanten betrunken zu machen – also Schnaps mit 95 Volumenprozent. Geht man davon aus, dass gärende Marula-Früchte einen Alkoholgehalt von 7 Prozent haben, müsste ein Elefant 27 Liter Marula-Saft schlucken, um auf 1,9 Liter Ethanol zu kommen. In Früchten ausgedrückt: Ein Elefant bräuchte 1400 gut vergorene Früchte, um hackedicht zu werden, und zwar auf einen Happs – andernfalls würde die Wirkung so schnell nachlassen, wie der Alkohol abgebaut wird.Somit ist es laut National Geographic unwahrscheinlich, dass ein Elefant von Früchten betrunken werde, und auch ein chronischer Alkoholkonsum auf niedrigem Niveau würde nicht zu «offensichtlichen Verhaltenseffekten» führen. In normaler Sprache: Einen regelmässigen Schwips merkt man dem Elefanten nicht an; denn die Tiere können es auch ohne Alkohol lustig haben.via GiphyTrotzdem: Die Mär vom betrunkenen Elefanten hält sich weiter. Wer nach «betrunkenen Elefanten» googelt, findet zahlreiche Artikel aus jüngerer Zeit. Ein paar Beispiele: «Besoffene Elefanten trampeln Dorf nieder». Hier wäre interessant: Wie viele Elefanten waren es? Wie stark war der Schnaps? Randalieren die Tiere vielleicht einfach, weil sie Durst hatten? Aber die Schlagzeile mit den «Schnapsdieben» macht sich natürlich besser.Oder: «Elefanten auf Mahua-Pfad töten drei weitere Dorfbewohner, Zahl steigt auf fünf nach zwei Tagen» (Mahua ist ein traditioneller indischer Schnaps). Wer zwischen den Zeilen liest, erfährt, dass die Dickhäuter einfach auf der Suche nach Nahrung und Trinkbarem sind.Noch ein letztes Beispiel: «Zwei Dutzend Elefanten schlafen ihren Alkoholrausch aus, nachdem sie den selbst gebrauten Alkohol indischer Dorfbewohner getrunken haben». Auch hier scheint die konsumierte Menge zu wenig, um wirklich einen Elefanten umzuhauen … aber es lassen sich so schöne Stilblüten fabrizieren wie: «Eine Herde von zwei Dutzend Elefanten war so betrunken, nachdem sie von Dorfbewohnern in Indien selbst gebrauten Alkohol getrunken hatte, dass sie zusammenbrach und ihre schwere Nacht des Saufens ausschlafen musste.» In einem anderen Artikel zur selben Geschichte meint denn auch der Forstbeamte, er sei sich nicht sicher, ob die Elefanten nach dem Verzehr von vergorenem Mahua betrunken waren. Vielleicht hätten sie sich nur ausgeruht. Das klingt aber einiges weniger spektakulär und wäre wohl auch nicht folgendes Video wert.Jetzt fragt Ihr Euch: Wieso torkeln dann die Elefanten im Video «Die lustige Welt der Tiere»? Wie der Spiegel berichtet, wird nach Ansicht der erwähnten Biologen der Bristol University der Rauschzustand bei Elefanten hauptsächlich durch den Verzehr giftiger Marula-Baumrinde verursacht, die ebenfalls von ihnen konsumiert wird. In dieser wohnen Käferlarven, die Einheimische traditionell zur Herstellung von giftigen Pfeilspitzen verwenden. Das in den Larven enthaltene Gift könnte den schwankenden Gang bei Elefanten auslösen, was zu ihrem Ruf als «Trunkenbolde» geführt habe.
Tierischer Durst - Elefanten
Wer unsere Serie über tierische Trinker liest, weiss: Die kleinen Geschöpfe können mächtig saufen. Doch wie steht es mit den Schwergewichten? Schwanken Elefanten tatsächlich schon nach wenigen Happen vergorener Früchte wie in der TV-Sendung «Die lustige Welt der Tiere» oder können es die Dickhäuter doch mit Hamstern, Amseln, Spitzhörnchen und Gérard Depardieu aufnehmen?
Wer in den 70er- und 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts aufwuchs, hat sie bestimmt gesehen: Die Sendung «Die lustige Welt der Tiere», in der Affen, Elefanten, Nilpferde, Erdmännchen und andere Bewohner Afrikas eine alkoholschwangere Party unter einem Marula-Baum schmeissen.
Grund für das feuchtfröhliche Verhalten sollen die vergorenen Marula-Früchte sein. Die Betonung liegt auf «sollen». Wie mein Vater schon sagte: «Glaube nicht alles, was Du im Fernsehen siehst». Denn mittlerweile ist bekannt, dass so ein paar vergorene Früchte keinen Elefanten ausknocken; ein afrikanischer Dickhäuter trinkt schliesslich 70 bis 150 Liter Wasser pro Tag und wiegt je nach Geschlecht 4 bis 7 Tonnen .
Trotz seiner beachtlichen Leibesfülle wiegt Gérard Depardieu noch lange nicht so viel wie ein ausgewachsener Elefant. Bild generiert mit midjourney.com Gérard Depardieu bringt es mittlerweile auf 140 Kilogramm und würde wegen einiger vergorener Marula-Früchtchen nicht einmal rülpsen; in seinen besten Zeiten brüstete er sich damit, täglich 14 Flaschen Wein, Champagner und Schnaps zu zwitschern . Tatsächlich sind Biologen der britischen Bristol University der Meinung, dass uns da vom Fernsehen ein Bär – tschuldigung – ein Elefant aufgebunden wurde. Laut National Geographic schreiben Steve Morris und seine Kollegen im Fachmagazin «Physiological and Biochemical Zoology», dass Anekdoten über betrunkene Elefanten in freier Wildbahn mehr als ein Jahrhundert zurückreichen. Es gäbe Reiseberichte aus der Zeit um 1839, in denen die Zulu erzählten, dass Elefanten ihr Gehirn mit vergorenen Früchten aufwärmen. Aber weder die Biologie des afrikanischen Elefanten noch die der Marula-Frucht würden diese Geschichten stützen.
Marula – die «verbotene» Frucht für Elefanten? Quelle: Wikipedia.com Zwar werden die süssen, gelben Marula-Früchte von Menschen für die Herstellung von Marmelade, Wein, Bier und dem Likör Amarula verwendet. Doch laut den Biologen sei es unwahrscheinlich, dass ein Elefant die Frucht fressen würde, wenn sie verdorben am Boden läge. Die Dickhäuter würden sie direkt vom Baum angeln. «Dies ist eine weitgehend selbstverständliche Tatsache», so Morris, «denn Elefanten stossen sogar Bäume um, um die Früchte vom Baum zu holen, selbst wenn sie faul auf dem Boden liegen». Andere Experten fügen laut National Geographic hinzu, dass ein Elefant die Früchte vom Boden sofort fressen und nicht warten würde, bis sie gären. Klingt einleuchtend: Machen wir Menschen auch seit Urzeiten so:
via Giphy Funktioniert eine Theorie nicht, ist man rasch mit einer neuen zur Stelle. So argumentieren einige Verfechter der «betrunkenen Elefanten»-Hypothese, dass die Früchte nicht am Boden, sondern im Magen der grauen Riesen gären würden. Doch auch hier geben die britischen Biologen Gegensteuer: Sie weisen darauf hin, dass Nahrung zwischen 12 und 46 Stunden benötigt, um das Verdauungssystem eines Elefanten zu durchlaufen; zu wenig Zeit, um die Früchte zu fermentieren. Zudem würden die Zucker in der Nahrung zu flüchtigen Fettsäuren umgewandelt, wodurch sie für die Gärung nicht zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: Der Zucker wird in Fett umgewandelt, bevor er zu Alkohol vergoren werden kann. Wäre auch zu schön, wenn wir nur ein paar Früchte essen müssten, um einen in der Krone zu haben.
via Giphy Bleibt die Frage: Wie viel muss ein Elefant saufen, um besoffen zu werden? Dazu haben die Biologen der Universitär Bristol das Körpergewicht, die Verdauungsrate der Elefanten und andere Faktoren berücksichtigt. Sie kommen zu dem Schluss, dass es etwa 1,9 Liter reinen Ethanol braucht, um einen Elefanten betrunken zu machen – also Schnaps mit 95 Volumenprozent. Geht man davon aus, dass gärende Marula-Früchte einen Alkoholgehalt von 7 Prozent haben, müsste ein Elefant 27 Liter Marula-Saft schlucken, um auf 1,9 Liter Ethanol zu kommen. In Früchten ausgedrückt: Ein Elefant bräuchte 1400 gut vergorene Früchte, um hackedicht zu werden, und zwar auf einen Happs – andernfalls würde die Wirkung so schnell nachlassen, wie der Alkohol abgebaut wird. Somit ist es laut National Geographic unwahrscheinlich, dass ein Elefant von Früchten betrunken werde, und auch ein chronischer Alkoholkonsum auf niedrigem Niveau würde nicht zu «offensichtlichen Verhaltenseffekten» führen. In normaler Sprache: Einen regelmässigen Schwips merkt man dem Elefanten nicht an; denn die Tiere können es auch ohne Alkohol lustig haben.
via Giphy Trotzdem: Die Mär vom betrunkenen Elefanten hält sich weiter. Wer nach «betrunkenen Elefanten» googelt, findet zahlreiche Artikel aus jüngerer Zeit. Ein paar Beispiele: «Besoffene Elefanten trampeln Dorf nieder» . Hier wäre interessant: Wie viele Elefanten waren es? Wie stark war der Schnaps? Randalieren die Tiere vielleicht einfach, weil sie Durst hatten? Aber die Schlagzeile mit den «Schnapsdieben» macht sich natürlich besser. Oder: «Elefanten auf Mahua-Pfad töten drei weitere Dorfbewohner, Zahl steigt auf fünf nach zwei Tagen» (Mahua ist ein traditioneller indischer Schnaps). Wer zwischen den Zeilen liest, erfährt, dass die Dickhäuter einfach auf der Suche nach Nahrung und Trinkbarem sind. Noch ein letztes Beispiel: «Zwei Dutzend Elefanten schlafen ihren Alkoholrausch aus, nachdem sie den selbst gebrauten Alkohol indischer Dorfbewohner getrunken haben» . Auch hier scheint die konsumierte Menge zu wenig, um wirklich einen Elefanten umzuhauen … aber es lassen sich so schöne Stilblüten fabrizieren wie: «Eine Herde von zwei Dutzend Elefanten war so betrunken, nachdem sie von Dorfbewohnern in Indien selbst gebrauten Alkohol getrunken hatte, dass sie zusammenbrach und ihre schwere Nacht des Saufens ausschlafen musste.» In einem anderen Artikel zur selben Geschichte meint denn auch der Forstbeamte, er sei sich nicht sicher, ob die Elefanten nach dem Verzehr von vergorenem Mahua betrunken waren. Vielleicht hätten sie sich nur ausgeruht. Das klingt aber einiges weniger spektakulär und wäre wohl auch nicht folgendes Video wert.
Jetzt fragt Ihr Euch: Wieso torkeln dann die Elefanten im Video «Die lustige Welt der Tiere»? Wie der Spiegel berichtet, wird nach Ansicht der erwähnten Biologen der Bristol University der Rauschzustand bei Elefanten hauptsächlich durch den Verzehr giftiger Marula-Baumrinde verursacht, die ebenfalls von ihnen konsumiert wird. In dieser wohnen Käferlarven, die Einheimische traditionell zur Herstellung von giftigen Pfeilspitzen verwenden. Das in den Larven enthaltene Gift könnte den schwankenden Gang bei Elefanten auslösen, was zu ihrem Ruf als «Trunkenbolde» geführt habe.
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Die lunatischen Abenteuer des Wermutwolfs (Teil 1 - Comic)
Schon sehr früh geisterte die Idee eines Cartoons durch die Hirne des Wermutwolf -Rudels. Hier nun also der Beginn davon. Weitere Teile folgen in unregelmässigen Abständen. Enjoy!
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Wolfstour - Maygreen
Als wir den Wohlener Brennmeister Daniel Röthlisberger im Freiamt in seiner Maygreen-Destillerie besuchen, sind wir beeindruckt über die vielen verschiedenen Produkte, die sich schön präsentiert aneinanderreihen, und die oft von alten Sorten stammen, denen seine Leidenschaft primär gehört.
Dani brennt hier erst seit 2019, heimste aber schon diverse Preise ein. Sein Bierbrand Bier Paul 10 gewann beispielsweise an der DistiSuisse 2021/2022 den Kategoriensieg und wurde 2023 von Falstaff im Tasting mit hervorragenden 93 Punkten bewertet.
Als der Villmerger Werner Steinmann, dem Dani schon immer zusammen mit seinem Vater ihre Früchte zum Brennen brachte, einen Nachfolger suchte, war dies die Initialzündung. Nachdem in Hägglingen die Location gefunden wurde, ging es frisch ans Werk.
Begleitet uns auf der Betriebsführung! Dani geschäftet vor allem lokal, die Rohstoffe kommen aus der Region, mit hohem Qualitätsanspruch. Hochstammfrüchte, die man auch gerne essen würde, möglichst naturbelassen, keine Massenproduktion. Und das schmeckt man auch. Seine Ananasrenette , ein sortenreiner Apfelbrand, gefällt mir so gut, dass ich eine Flasche davon ersteigere. Wie der Name impliziert, riecht diese Apfelsorte – respektive deren Schale – nach Ananas. Auch der Gelbmöstler ist unglaublich lecker.
Als Dani immer wieder auf Gin angesprochen wurde, geht auch er auf den Hype ein und tüftelt letztlich über 300 Stunden an seinen Rezepten. Auch diese Spirituosen, die es im Abonnement gibt, überzeugen im Wermutwolf -Tasting:
So eine feucht-fröhliche Reise durch die vier Jahreszeiten ist ein Plausch! Sein Unternehmen bietet nebst seinen eigenen Destillaten auch eine Lohnbrennerei , Events und Kurse. Es ist schwer zu glauben, dass jemand mit einem derart tollen Angebot (noch) nicht ganz davon leben kann, und nebenbei jobben gehen muss.
Selbst Danis Einrichtungsgegenstände sind interessant. Hierbei handelt es sich um ein Alkohollicht, dem man früher Alkohol in die Laterne einflösste, mit dem man die geschundenen Verdingkinder ruhig stellte. Wir unterhalten uns blendend, die Stunden vergehen wie im Flug, und zurückbleibt der Eindruck, einen interessanten, tüchtigen Menschen kennengelernt zu haben, der seinem Metier mit grosser Leidenschaft nachgeht. Wir freuen uns schon auf viele weitere Gaumenfreuden vom Maiengrün.
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Otto von Bismarcks Diät für ein langes Leben
Ein Dutzend Eier pro Tag, Unmengen an Fleisch, Süssigkeiten und literweise Alkohol – heutige Gesundheitsapostel würden händeringend das Weite suchen. Doch Deutschlands erster Reichskanzler Otto von Bismarck konnte und wollte nicht masshalten (ich meine nicht das Biermass, das hielt er gerne). Dennoch wurde er stolze 83 Jahre alt … und wirft die beängstigende Frage auf: Wie nüchtern muss ein Staatsoberhaupt sein?
Momentan lese ich das empfehlenswerte Buch «Im Rausch der Jahrhunderte: Alkohol macht Geschichte» von Jochen Oppermann . Dabei ist mir erst bewusst geworden, wie viele bedeutende Staatsmänner, Politiker und Diplomaten eigentlich ständig einen sitzen hatten (und haben?). Ich meine damit nicht ein Gläschen Rotwein zum Mittagessen oder ein Feierabendbierchen; die haben so richtig gebechert … so richtig, richtig … literweise … selbst ein Wermutwolf und Gérard Depardieu würden grosse Augen machen. Napoleon war alles andere als ein Chorknabe, von Churchill müssen wir gar nicht erst sprechen (werden wir aber noch in einer unserer «TrinkGeschichten-Episoden») und die Eskapaden von Boris Jelzin habt Ihr vielleicht noch selbst erlebt.
Auch im Deutschen Bundestag ging es noch in jüngster Vergangenheit feuchtfröhlich zu und her:
Selbst bei heutigen Politikerinnen und Politikern bin ich mir nicht immer ganz so sicher …
Einer, bei dem wir allerdings mit Sicherheit wissen, dass er dem Hochprozentigen gerne und reichlich zusprach, ist Otto von Bismarck (1815 – 1898); eine der prägenden Figuren des 19. Jahrhunderts. Er führte die Einigung der deutschen Teilstaaten herbei und wurde 1871 der erste Reichskanzler des neuen Deutschen Reiches. Nicht nur politisch war er ein Schwergewicht, sondern auch beim Essen und Trinken. Schon als Student zog er lieber um die Häuser, als sich in Vorlesungen zu langweilen. Laut dem Buch von Jochen Oppermann «erwarb sich Bismarck in zweifacher Hinsicht einen besonderen Ruf in dieser Zeit: Erstens als ‹Unverwundbarer›, da er in drei Semestern 25 Mensuren [traditioneller Fechtkampf; Anmerkung der Redaktion] ausfocht und bei diesem studentischen Fechtkampf nur ein einziges Mal an der Nase verwundet wurde; und zweitens, weil er jeden unter den Tisch trank.» Er habe im Rausch Strassenlaternen zertrümmert und schoss einfach in die Decke, wenn er etwas von seinem Bediensteten wollte, weiss der Norddeutsche Rundfunk zu berichten .
Otto von Bismarck; hier als Wermutwolf im Schafspelz. Quelle: Wikipedia.com Wie Fahrradfahren verlernt man auch das Trinken nicht. Als Bismarck den elterlichen Gutshof übernahm, hielt er seinen Lebenswandel bei. Dort konnte er seinen Durst und Hunger stillen, anstatt sich in einer biederen Anwaltskanzlei abzurackern. «Für Bismarck war die Übernahme des Gutes Kniephof, trotz des damit verbundenen Todes der Mutter, ein Glücksfall. Immerhin hatte er eine angesehene juristische Beamtenlaufbahn leichtfertig weggeworfen und sich dank seiner Trinkerei, der Spielerei und der Damenwelt, der er sich gerne als spendabler Junkersohn präsentierte, hoch verschuldet. Dass er aber völlig von seinen Gewohnheiten liess, war nicht wirklich zu erwarten. Der Name ‹Kniephof› wurde vom Volksmund gar in ‹Kneiphof› umgewandelt und es kursierten die tollsten Geschichten», schreibt Jochen Oppermann. Gemäss NDR gewann Bismarck bei den benachbarten Gutsbesitzern rasch an Ansehen, weil er an jeder Jagd, jedem Fest, jeder Theateraufführung teilnahm, auch wenn er Dutzende Kilometer dafür reiten musste. «Bald war er als der ‹tolle Bismarck› bekannt, auch, weil er seine Gäste mit ‹freundlicher Kaltblütigkeit unter den Tisch trinken› konnte, wie er später notierte.»
Das Landleben kann so schön sein. Als er schliesslich in der Politik Karriere machte, benötigte er den Alkohol wohl noch mehr. Zu einem Kongress im Jahre 1878 zur Befriedung einer schweren Balkankrise meinte Bismarck : «Ich schlief selten vor sechs, oft auch erst um acht Uhr morgens einige Stunden, war dann bis zwölf für niemanden zu sprechen, und in welcher Verfassung ich dann für die Sitzungen war, können Sie sich denken. Mein Gehirn war eine gallertartige, unzusammenhängende Masse. Ehe ich in den Kongress ging, trank ich zwei bis drei Biergläser allerstärksten Portweines, um das Blut ordentlich in Wallung zu bringen – ich wäre sonst ganz unfähig gewesen zu präsidieren.» So lassen sich auch Entscheidungen von grosser Tragweite treffen …
Laut Jochen Oppermann gibt es Schilderungen von Zeitzeugen zu den Ess- und Trinkgewohnheiten des Kanzlers: «In kurzer Zeit fanden so beispielsweise Heringe, Süssigkeiten, Nüsse, Würste und Braten den Weg in seinen Magen, heruntergespült mit zwei bis drei Flaschen Rotwein oder Champagner. Und dies waren nur die Zwischenmahlzeiten! Zur Hauptmahlzeit, so erzählte man sich, habe er ganze Truthähne verspeist und dazu gerne eine Flasche Cognac getrunken. So verwundert es nicht, dass der Name ‹Frascati› des Gästehauses in Friedrichsruh in ‹Fresskate› umgedichtet wurde … die Folge war ein alsbald auftauchendes, gefährliches Übergewicht. So brachte Bismarck Ende der 1870er-Jahre stolze 123 Kilogramm auf die Waage.» Täglich soll Bismarck bis ins hohe Alter zwölf Eier gefrühstückt haben . Zum Tagessoll zählten auch fünf Flaschen Bier, zwei Flaschen Wein und immer wieder harter Alkohol. Wenn Ihr also wieder mal ein schlechtes Gewissen wegen einer durchzechten Nacht – oder Gott bewahre – einem Glas Wein unter der Woche habt, denkt an die grossen Staatsoberhäupter. Ihr seid in guter Gesellschaft.
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Trinkgeschichten - Die Hollywood Vampires
Ein Wermutwolf ernährt sich nicht allein von destilliertem Getreide, sondern benötigt auch Feinstoffliches. Es wird philosophisch. Das hätte wieder einer dieser berüchtigten Endlos-Texte werden können, doch ich habe gerade noch die Kurve gekratzt. Ganz einfach wird es trotzdem nicht …
Es begann damit, dass ich den Text einer trockenen Alkoholikerin gelesen hatte, die Ratschläge erteilte, wie man in ihrer Lage gut durch die Festtage kommt. Da wurde mir wieder bewusst, wie schwierig das Leben sein kann, wenn man beim Alkohol nicht masshalten kann. Wenn man morgens nicht weiss, wie man dorthin gekommen ist, wo man aufwacht, als Erstes nervös das Handy konsultiert, wem man was geschickt hat, bei wem man sich entschuldigen muss. Das alles stelle ich mir tatsächlich ziemlich anstrengend vor.
Jedenfalls fiel mein Augenmerk an diesem Tag nach dieser interessanten Lektüre auf den Trink-Klub, auf den sich die Rock-Band «Hollywood Vampires» bezieht, und die weitere Recherche zu diesem Artikel war wie ein Rock-N-Roll-Fiebertraum der intensiven Sorte.
Im Zentrum dieser Geschichte steht Alice Cooper, berühmter Rockmusiker und seit über 40 Jahren trockener Alkoholiker. Er ist zusammen mit Micky Dolenz, Schlagzeuger und Sänger bei «The Monkees», einziges noch lebendes Mitglied des 1973 gegründeten Trink-Klubs «The Hollywood Vampires», der in dem Loft der oberen Etage des «Rainbow Bar & Grill’s» in West Los Angeles, am Sunset Strip beheimatet war, und in dem Nacht für Nacht dem Exzess gehuldigt wurde. Die (wahren) Geschichten, die nun folgen, sind teilweise äusserst witzig, teils sehr tragisch. Es sind Geschichten von exzessivem Alkoholkonsum, von Produkten der Pharmabranche und von Menschen, die sich alles leisten konnten. Es tun sich Fragen auf, wie Lebensqualität zu Lebensdauer in Beziehung steht, oder ob sich die Protagonisten der Konsequenzen bewusst waren.
Es war ein echt extremer Klub. Das Aufnahmeritual bestand darin, die anderen Mitglieder unter den Tisch zu saufen. Sei der Letzte, der noch steht! Und da sprechen wir von so Typen wie John Belushi (der in jungen Jahren schon seinen frühen Tod voraussagte) oder Keith Moon, der legendäre Schlagzeuger von «The Who». Keith war vermutlich der druffnigste aller Wermutwölfe , äh «Hollywood Vampire». Alle wunderten sich jeweils, in welcher Verkleidung er wohl im Klub auftauchen würde. Als Queen Elizabeth? Als Hitler? Sein Hobby war es, überall wo er unterwegs war, Toiletten in die Luft zu sprengen. Es waren andere Zeiten … Alice erinnerte sich, dass Keith jeweils zwei Wochen zu ihm wohnen kam, dann zwei Wochen zu Ringo Starr zog, dann zwei Wochen zu Harry Nilsson ging, und so weiter, und dass diese zwei Wochen jeweils so intensiv waren, dass man danach Urlaub brauchte. Gleichzeitig war Keith der coolste und witzigste Typ. Er hatte einfach keine Ahnung, wie man ein «normales Leben» führte.
Alice Cooper war Gründer und Präsident des Klubs, Keith Moon sein Vize. Andere Mitglieder waren bspw. Ringo Starr von den Beatles oder Harry Nilsson, der damals berühmte Singer/Songwriter, den verschiedene Beatles als ihren Lieblings-US-Musiker benannten. Kein Wunder, sie waren befreundet, und auch John Lennon kam immer in den Klub, wenn er in L.A. weilte. Obwohl John und Harry befreundet waren, führten sie betrunken stets Streitgespräche über Politik, Religion etcetera. Im Klub wurde nur äusserst selten über Musik gesprochen, hier wollte man der Arbeit entfliehen. Und John weilte zu dieser Zeit oft dort, da er nach der Trennung von Yoko 1973 nach Los Angeles gezogen ist, sich auch noch in Prozessen mit dem windigen Beatles-Anwalt aufgerieben hat, und im Klub viele «Brandy Alexander»-Cocktails (Brandy, Crème de Cacao & Sahne) vertilgte. Als Cooper Lennon zum letzten Mal gesehen hatte, sagte John: «Bin ich noch immer ein Vampir?» Alice antwortete: «Ich rieche Blut.» John: «Ich bin ein Vampir, yeah.»
Ausserdem produzierte er dort ein Album von Nilsson, der vermutlich mit seiner Version von «Everybody’s Talkin’» oder von «Without You» am berühmtesten wurde. Er war ein Studiomusiker, der fast nie live aufgetreten ist. Erst nachdem John Lennon erschossen wurde, was seinen Freund zutiefst schockierte, engagierte sich Nilsson sehr für Waffengesetze und trat dafür auch öffentlich auf. In Nilssons Londoner Apartment, das er Freunden überliess, wenn er in Amerika weilte, starb 1974 die berühmte Sängerin von «The Mamas & The Papas», Cass Elliot, mit 32 Jahren an Herzversagen. Vier Jahre später starb in derselben Wohnung dann auch Keith Moon, ebenfalls mit 32 Jahren, an einer Überdosis von Clomethiazole, einem Medikament, das Hoffmann-La Roche in den 1930er-Jahren entwickelt hatte, und das auch heute noch neben Benzos das Mittel der Wahl gegen das Alkohol-Entzugssyndrom, gegen das Alkoholdelirium ist, das ungefähr 1 bis 4 Prozent der Patienten umbringt.
Man kann also getrost von einer gewissen Ironie sprechen, wenn einer der berühmtesten Alkoholiker, der je gelebt hat, von einer Droge dahingerafft wird, welche die Symptome von Alkoholismus bekämpfen soll. In UK von Astra Zenica als «Heminevrin» vermarktet, heisst das Mittel in Deutschland und der Schweiz «Distraneurin» («Distra»), und es wirkt sedativ, hypnotisierend, muskelentspannend, und ist hochgradig süchtig machend. In seinem Magen wurden post mortem Dutzende Pillen gefunden, die meisten nicht identifizierbar. Und hier tut sich ein Problem der Reichen auf. Dieses Medikament dürfte nur stationär eingenommen werden, unter genauer Aufsicht, denn je nach Patient, seiner jeweiligen Situation, muss die Dosierung angepasst werden. Und was passiert, wenn man einem Süchtigen so viel Geld gibt, dass er sich davon so viele Pillen kaufen kann, wie er will? Ja, genau … «Distra» wäre eigentlich bei Patienten mit einem erhöhten Risiko von Drogenmissbrauch nicht empfohlen, und es sollte wegen seiner Dämpfung des Kreislaufs, der Atmung, auch nur kurzfristig eingenommen werden. Ausserdem treten zusammen mit Alkohol extreme Wechselwirkungen auf. Symptome des Alkoholdelirs sind bis zu einem halben Jahr lang Ängste und Schlafstörungen, was die Droge lindert …
Eine weitere unangenehme Tatsache: Die meisten Toten in diesem Bereich werden nach Entzugstherapien gezählt, während einem Rückfall, wann die Betroffenen am verwundbarsten sind. Als der ehemalige New-York-Times-Redakteur Alex Berenson bei Joe Rogan letztmals aufgetreten war, sprach er über diese Dinge. Er glaubt aufgrund seiner Recherche nicht, dass die «anonymen Alkoholiker» und generell Entzugstherapien funktionieren. Ich kann die Sendung nur wärmstens empfehlen. https://open.spotify.com/embed/episode/0haulCcRb4r3qmQLYLQoPN/video?utm_source=generator&t=0 Nach diesen Todesfällen seiner Freunde verkaufte Nilsson das Apartment. An Keith Moons Bandkollege Pete Townshend … Für mich persönlich wird Nilsson in erster Linie immer der Typ sein, der im Kultfilm «The Fisher King» den Song «How about you» coverte. Ein Meisterwerk! Er starb ebenfalls nicht im hohen Alter, mit 52 Jahren, auch er an Herzversagen, wenngleich bei ihm von Geburt an entsprechende Defizite diagnostiziert wurden. Kommen wir auf Schockrocker Alice Cooper zurück. Eigentlich heisst er Vincent Damon Furnier und stammt aus Detroit. Sein Künstlername stammt von einer Hexe aus dem 17. Jahrhundert. Er ist ein Predigersohn. Zum harten Trinker wurde er in – ja, sorry, aber echt jetzt – verdammt guter Gesellschaft. Die, welche ihn in die Welt des Exzesses eingeführt hatten, waren unter anderem Jim Morrison von «The Doors», Jimi Hendrix, Keith Moon und Janis Joplin, die ihn dem «Southern Comfort» zuführte. Mit anderen Worten: The worst … Obwohl ich als Spätgeborener die brenzlige Situation von Cooper hier retrospektiv relativ gut einordnen kann, beneide ich ihn trotzdem um seine entsprechende Geschichte. Alice kam in seiner Trunksucht um ein Haar ums Leben, aber mit Jim, Jimi, Keith, Janis oder John Lennon zusammen abhängen und bechern können?! Dafür würde ich einiges in Kauf nehmen …
Wie Cooper früher drauf war – er kam aus behütetem Haus, war eine Sportskanone, nie Raucher, hatte eine schöne Jugend – lässt sich illustrieren, wie er vom Militärdienst losgekommen ist. Vor der Aushebung trank er eine Flasche Whisky, fiel in Ohnmacht, und erzählte dann dem Psychiater, wie er das Publikum seiner Rock-Performances drangsalieren wolle, indem er es in einer Halle einsperrte, Elektroschocks verabreichte, ihnen Spinnen auf die Köpfe schmeissen und Affensperma durch die Lüftung lassen wollte. Die Diagnose war klar: Selbstmordgefährdeter Transvestit, fähig zum Massenmord, grössenwahnsinnig … Die Geschichte, wie in Tennessee seine Boa Constrictor-Schlange ausgebüchst ist, und Tage später einen Country Sänger im selben Hotelzimmer fast zu Tode erschreckt hatte, als sie durch die Toilette kam, kennt ihr ja vielleicht …
Seinem Gitarristen explodierte in dieser wilden Zeit die Milz, er konnte aber gerettet werden. Alice selbst erlebte immer wieder besoffene Unfälle, wie als er auf der Bühne über ein Bühnenlicht stolperte, kopfüber ins Publikum gefallen ist, und stark blutend ins Spital gefahren wurde. Er meinte dazu, er sei ja anästhesiert gewesen, mit seinem geliebten Canadian Whisky «Seagrams V.O.» und Bud Bier. Apropoz: … da gab es einmal diesen Trinkwettbewerb in London zwischen Alice Cooper und seiner Band gegen «The Who». Die Regeln waren simpel: Mann gegen Mann. Alice Cooper trat mit einer Flasche «Seagrams V.O.» gegen Pete Townshend und seinen «Rémy Martin»-Cognac an. Jeder trinkt eine halbe Flasche und dann wird getauscht, und der andere muss die jeweils andere Hälfte trinken. Alles verlief soweit gut, bis der Albumproduzent von Alice Cooper, Bob Ezrin, reingekommen war und eine Flasche Whisky geleert hatte. Er kotzte alles voll, vor allem auch «The Who», die konsterniert weitere Drinks bestellten … 1977 war der Alkohol für Cooper nicht mehr lustig, es ging ums Überleben. Manchmal erbrach er morgens Blut, was er so kommentierte, dass so etwas auf der Bühne ja okay sei, doch vor dem Hotel-Personal seine Wirkung verlöre …
Er ging dann für drei Monate ins Sanatorium. Damals gab es noch nicht all die schicken Rehab-Promi-Kliniken, da war man dann mit echt problematischen Subjekten zusammen eingesperrt. Anschliessend kam der obligate Rückfall in den Vollsuff. Er könne sich nicht daran erinnern, die drei Alben aus dieser Zeit geschrieben und aufgenommen zu haben. Interessanterweise findet er diese Schaffensphase aber sehr ansprechend und meinte, dass sein Unterbewusstsein offenbar tolle Songs geschrieben habe. Da kann man schwurbeln wie man will, aber es ist eine klare Tatsache, dass viele Künstler ihre besten Werke «under the influence» erschaffen haben. Diese Ambivalenz gehört zum Abenteuer Leben und das müssen auch die Moralisten/Ideologen aushalten. 1983 ging es wieder ins Spital, kalter Entzug. Nach einem Monat kam er raus und hat seither nie mehr einen Tropfen Alkohol getrunken. Seitdem berät er andere Rockmusiker, wie sie davon loskommen können.
2011 lernte er am Film-Set von «Dark Shadows» in London Johnny Depp kennen, wo Johnny einen Vampir spielte. Alice lud Johnny ein, mit ihm zu musizieren, Johnny lud Alice in sein Haus ein, sie einigten sich darauf, zusammen ein Album einzuspielen und Cooper meinte, er habe noch nie ein Cover-Album gemacht, und dass er gerne eines zu Ehren seiner toten Trinkfreunde machen würde. Joe Perry von Aerosmith weilte zu dieser Zeit in Johnnys Anwesen, um seine Biographie zu schreiben. Sie fragten ihn, ob er mitmachen wolle und der Rest ist Rockgeschichte. Cooper trinkt zwar schon ewig nicht mehr, das trifft aber natürlich nicht mehrheitlich auf die Fans seiner Musikshows zu. Eine Reporterin der «Berliner Zeitung» berichtete von einem Konzert der «Hollywood Vampires» in Deutschland: «Am meisten getragen wird vom Publikum zwar Merch von namhaften Rockbands oder «Harley Davidson»; viele T-Shirt-Aufdrucke beschäftigen sich aber auch mit Alkohol. «Whiskey. Mir hat Wasser nicht geschmeckt», prangt auf einer Brust. Ein anderer Gast trägt eine Jeansjacke mit verschiedenen aufgenähten Patches, auf jedem steht ein Spruch tiefgründiger als der andere. Zum Beispiel: «Schade, dass man Bier nicht ficken kann.»
Alice Cooper sagte einst, dass «wenn du Alkoholiker bist, dass du dann weisst, dass das ein Todeswunsch ist. Egal, wie du es versteckst, mit jedem weiteren Drink kommst du dem Grab näher.» Woher dieser Todeswunsch jeweils kommen kann? Da ist natürlich eine breite Palette von Möglichkeiten: Selbstverachtung. Misanthropie. Verzweiflung. Liebeskummer. Und tausend weitere Gründe. Diese Welt kann einen sicher hie und da an die eigenen Grenzen bringen. Doch sind wir nicht «20 Minuten». Wir werden aus oben erwähnten Gründen nun nicht die Telefonnummern der «anonymen Alkoholiker» und anderer solcher Organisationen erwähnen. Das Einzige, was wir in unseren Leben verantworten müssen, sind die Entscheidungen, die wir treffen. Wenn wir uns dazu entscheiden, der unmittelbaren Realität durch exzessiven Alkoholrausch zu entrücken, dann haben wir die Wahl, uns damit auseinanderzusetzen, woher dieser Fluchtreflex stammt, und uns gegebenenfalls darum zu kümmern. Oder uns einzureden, dass wir halt nicht anders können, dass das Fleisch halt schwach ist, dass es halt alle diese Begleitumstände, Begründungen gibt, welche das eigene Handeln rechtfertigen. Unsere Entscheidung.
In meiner Familie gab es ebenfalls massive Probleme durch Alkoholexzesse, ich weiss sehr genau, wie sich das anfühlt. Und trotzdem ist es nicht der Alkohol, der die Probleme verursacht, sondern die Menschen, die nicht dosieren, damit umgehen können, damit umgehen können wollen, dem Stoff die Kontrolle überlassen. Es gibt eine witzige «South Park»-Folge, in der die Idee, dass Alkoholismus eine Krankheit ist, durch den Kakao gezogen wird: https://www.southpark.de/folgen/dspvu8/south-park-bloody-mary-staffel-9-ep-14 Ja, sorry, ich habe gelacht. Es ist wie mit Waffen. Waffen töten keine Menschen. Menschen töten Menschen. Wir können nicht alles, was potenziell missbräuchlich verwendet werden kann, verbannen und zensieren. Daraus entsteht keine gesunde Welt. Gelacht haben die Menschen meiner Generation auch Anfang der 90er-Jahre, als «Wayne’s World» ins Kino gekommen ist. Für die Jungs im Baseball-Team von Alice Coopers Sohn, das er coachte, war es ein völliges Mysterium, wie ihr Coach in diesen Film, von dem alle sprachen, gekommen ist.
Aber natürlich haben sich schon sehr viele Künstler so richtig abgeschossen. Meist vor allem auch mit Drogen, nicht nur Alkohol. Ein Beispiel ist Brian Wilson von den «Beach Boys», über den Alice Cooper einst erzählte: «Ich war backstage nach der Grammy-Verleihung 1974 mit Bernie Taupin und John Lennon. Während der Unterhaltung bemerkte ich aus den Augenwinkeln Brian, wie er aus verschiedenen Winkeln zu uns rüberstarrte. Endlich kam er an unseren Tisch und flüsterte in mein Ohr «Hey Alice, stell mich John Lennon vor». Ich konnte nicht fassen, dass sich diese zwei Männer nie zuvor getroffen hatten! Die waren Kopf an Kopf die grössten Bands der 60er-Jahre auf dem Planeten gewesen, und ich war mir sicher, dass sich ihre Wege irgendwo getroffen haben mussten. Aber dann dachte ich, «Wow, falls sie sich wirklich nie getroffen haben, dann werde ich derjenige sein, der sie einander vorstellt und werde damit ein Teil der Rockgeschichte.» Also sagte ich «Brian Wilson, das ist John Lennon. John Lennon, das ist Brian Wilson.» Lennon war sehr höflich und nett und sagte Dinge wie «Hallo Brian, ich wollte dich schon immer treffen. Ich bewunderte schon immer deine Arbeit, und Paul und ich finden «Pet Sounds» eines der besten Alben, das je gemacht worden ist.» Brian dankte ihm und ging von dannen, worauf John das Gespräch am Tisch wieder aufgenommen hatte, wie wenn nichts gewesen wäre. Ungefähr zehn Minuten später kam Brian wieder an unseren Tisch und flüsterte Bernie etwas ins Ohr, und plötzlich sagte Bernie «Brian Wilson, das ist John Lennon. John Lennon, das ist Brian Wilson». Lennon war wieder genauso höflich und nett wie zuvor und sagte erneut, dass er ihn schon immer kennenlernen wollte. Als Brian davon lief, schaute John uns an und meinte in seinem typischen Liverpool-Akzent lakonisch, «Ich habe Brian hunderte Male getroffen. Ihm geht es nicht gut, you know.»
Die Plakette am Eingang des Klubs Überlassen wir das Beinahe-Schlusswort besagtem Bernie Taupin. Dieser war ebenfalls Mitglied im Trink-Klub und unter anderem Maler und Songschreiber für Elton John. «Candle in the Wind», einer der erfolgreichsten Songs aller Zeiten, stammt aus seiner Feder. Allerdings ging es im Original um Marilyn Monroe. Lady Di und die britische Adelsfamilie interessierte ihn nicht wirklich, die Adaption hat er für Elton gemacht. Ausserdem wurde eines der interessantesten Alben von Alice Cooper von Alice zusammen mit Bernie geschrieben, 1978, «From the inside». Darin verarbeitete Cooper seine Zeit in der Irrenanstalt und porträtierte verschiedene Insassen. Jedenfalls steht von Bernie im Booklet des (ersten) Albums der «Hollywood Vampires» das Folgende: «Ich bin nicht hier, um ihre Laster zu verteidigen. Übermässiger Genuss jeglicher Art trägt letztlich nicht zu einem gesunden Geist und Körper bei. Und während an der Peripherie der Beteiligten möglicherweise Ehefrauen kamen und gingen, Berufswahlen als zweifelhaft galten und in einigen Fällen Herzschmerz durch einen dunklen Korridor schlich, herrschten im Versteck der Hollywood-Vampire nur Freude und Lachen.»
Der grösste Vampirdarsteller aller Zeiten, Christopher Lee, starb im Juni 2005. Das Album der «Hollywood Vampires» erschien im September 2005, worauf Christopher Lee das Intro spricht, ein Passus aus Bram Stokers Buch «Dracula». Es ist sicher nicht das beste Album aller Zeiten. Ziemlich sicher wäre es mit ein paar der alten, betrunkenen, toten Freunde um Längen besser geworden, aber es ist okay, hört mal rein. PS: Das grosse Risiko, einen noch längeren Text zu schreiben, war wegen der Parallelen zu früheren solchen Gemeinschaften, wie den «Bundy Drive Boys» (im 20. Jahrhundert, ebenfalls am Sunset Strip, mit so Legenden wie John Barrymore, W.C. Fields oder Errol Flynn als Protagonisten), oder den «Hellfire Clubs» im 18. Jahrhundert. Die geneigten Leser recherchieren bitte selbst dazu. Auch dies sind zutiefst eindrückliche Geschichten, die das berauschte Leben schrieb …
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Ein Tasting der anderen Art
An einem stürmischen Herbsttag unternehme ich ein etwas exzentrisches Ritual. Es ist ein mehrschichtiges Tasting des «Absinthe Brevans HR Giger» von der Matter-Luginbühl AG aus Kallnach, als Hommage an die Komplexität dieses spezifischen Absinthes wie auch der Person H.R. Giger und seiner Kunst.
Sascha und ich mögen viele Lebenswasser. Am liebsten mag er Whisky und ich Mezcal. Doch wir beide lieben Absinth , den grossen, starken Bruder vom Wermut. Ich möchte nun nicht viel allgemeine Worte über Absinth verlieren, denn Sascha hat hier schon drei echt tolle Artikel darüber veröffentlicht: hier , hier und hier .
Auch H.R. Giger mochte Katzen. Aufgrund der Lektüre seines letzten Artikels von Anfang November hatte ich mir bei diesen Meistern des Absinths drei verschiedene Flaschen bestellt. Zwei, bei denen Sascha das Prädikat «ausgezeichnet» gedropt hatte und dann noch den « Absinth Brevans H.R. Giger » (der nicht in Saschas Text vorgekommen ist). Nicht weil ich etwas über diesen wusste, sondern einfach weil ich zeitlebens ein Bewunderer von H.R. Gigers Kunst war.
Ganz ehrlich, ich kannte vor Saschas Artikeln weder Matter Spirits (die den Absinth herstellen) noch Markus Lion (der deutsche Händler, der die Idee hatte und mit H.R. Giger das ausarbeitete) noch Jacques de Brevans (auf dessen Rezept aus dem 19. Jahrhundert der Absinth basiert). Ja, ich war unwürdig …
Mittlerweile bin ich im Besitz des Werks von de Brevans, wenngleich nicht in Französisch, das hier eine Landessprache ist, sondern Englisch. Ich bin unwürdig … Folgendes Aktionssetting , das ich Echtzeit durchführe:
- 4 Tasting-Durchgänge, je 4 cl, mit verschiedener Verwässerung. Also total 1,6 dl Absinth. - 4 persönliche Anekdoten zum von mir schon seit frühen Jahren hochverehrten Hansruedi Giger - 4 × ziehe ich eine Karte aus dem H.R.-Giger-Tarot und schreibe daraufhin nieder, inwiefern ich die Karte für meine momentane, persönliche Situation interpretiere. Ein kleiner Seelenstriptease under the influence.
Gigers «Necronomicon» (oben rechts) ist ein grossartiges Buch, und das Grossformat wird seinen Zeichnungen gerecht. Ich beginne Punkt 20.00 Uhr. Ich spiele zu diesem Experiment drei Musikalben im Zufallsgenerator ab, zu denen H.R. Giger das Album-Cover gestaltet hat und die ich mir seit vielen Jahren immer wieder einmal anhöre, und zwar: - «Brain Salad Surgery» (Emerson, Lake & Palmer) – wofür das Bild von diesem Absinth verwendet wurde! - «III» (Danzig) - «To Mega Therion» (Celtic Frost) Die Alben von ELP und Celtic Fronst sind erweiterte Versionen, und so ist für gut 4 Stunden Musik gesorgt. Das sollte reichen. Der folgende Text ist real time geschrieben. Wie in unseren Videos: Es gibt nur einen Take, pure Authentizität, sonst nichts.
Das ikonische Cover des Kultalbums von Danzig Bezüglich Absinthe-Verwässerung gehe ich diese 4 Stufen durch: - Gar kein Wasser - Ein paar Tropfen - Circa 1:1 - So viel, dass der sogenannte Louche-Effekt eintritt, circa 1:3, also dreimal so viel Wasser wie Absinthe. Bei den 4 Tarot-Karten gehe ich nach der Kreuz-Systematik vor: - Die Frage - Das sollte nicht getan werden - Das sollte getan werden - Dahin führt der Weg
Die Fragestellungen des Abends : - Wie schmeckt mir dieser Absinth in unterschiedlicher Trinkstärke? - Wie gut oder schlecht denke und schreibe ich in zunehmend alkoholisiertem Zustand? - Was sagen die Tarot-Karten? Ich erwähnte zu Beginn die Komplexität dieses spezifischen Absinths. Diesen kannte ich noch nicht, vertraue jedoch auf die Beschreibung des Herstellers: «Als Basisalkohol dient eine ausgewogene Mischung aus Weinalkohol und Marc. Absinthe Brevans wird, wie im 19. Jahrhundert üblich, mit Kräutern koloriert. Das Ergebnis ist ein hochkomplexer, authentischer Absinthe, der so bereits im 19. Jahrhundert existierte. Dieser Absinthe richtet sich eher an erfahrene Absintheliebhaber, die komplexe Rezepturen schätzen. Selbstverständlich ist dieser Absinthe mit Kräutern natürlich gefärbt und enthält weder Zucker noch andere künstliche Substanzen.»
Es geht los! Ich rieche schmackhafte Kräuter, Minze und Koriander. Und auch das Wermutkraut, doch dezent. Anis und Fenchel schon auch, doch im Gaumen dann stärker. Der erste Schluck bestärkt meine hohen Erwartungen. Tatsächlich sehr komplex, ausgewogen und sehr spannend. Ein langer, kraftvoller Abgang. Nach dem Mischen lege ich die erste Karte. Die Frage. XIII: Der Tod
Was soll ich loslassen? Was für ein Opfer wäre der momentanen Situation angemessen, um den neuen Weg richtig zu begehen? Ich gehe nun schon seit vielen Jahren einem Brot-Job in der Administration nach. Es ist verrückt, wie sich in den vergangenen Jahrzehnten, seit dem Internetzeitalter, der Digitalisierung, alles verändert hat. Und wie das so ist bei den Menschen, oft nicht hin zum Besseren, zur Vernunft, sondern allzu oft hin zu einer aufgeblähten Bullshit-Organisation. Beispielsweise konnte ich früher Rechnungen ausdrucken, in Couverts verpacken, frankieren, und gut wars. Heute muss man sich zuerst einmal exzessiven Registrationsprozessen unterziehen. Bei meinem letzten solchen Martyrium fand das online statt, während mich ein gestresster Inder im typischen Englisch (etwas zu schnell für diesen Akzent) vorwärtsgetrieben hat, jede Frage in aggressivem Ton vorlesend, wie wenn ich des Lesens nicht mächtig wäre. Dann muss man Bestätigungen der Bank verschicken, dass man wirklich eine Geschäftsbeziehung miteinander unterhält und das Konto tatsächlich uns gehört.
Diesen Giger-Absinth «Wolfsmilch» kannte ich schon. Gefällt mir auch, kommt für mich aber nicht an den «Brevans» ran. Kürzlich wollte ein anderer Kunde respektive auch wieder sein indisches Call-Center, einen Call durchführen, weil er eine läppische 145-Franken-Rechnung bekommen hat, mit einem anderen Bankkonto vermerkt, als dem, das bisher schon registriert war. Wir benutzen nun mal verschiedene Konti für verschiedene Dienstleistungen, was die Buchhaltung vereinfacht. Ich mache mir einen Spass daraus, ihm diesen Call immer wieder zu verwehren, ihn darauf hinzuweisen, dass das kompletter Unsinn ist, wegen diesen paar Kröten so ein Aufheben zu machen, und irgendwann wird die Rechnung dann jeweils trotzdem bezahlt. Wenn es ganz dick kommt, muss man die Rechnungen über ein eigenes Tool des Kunden abwickeln. Eine Schulung dafür kann locker auch einmal eine Stunde dauern. Es soll ja nicht zu einfach sein. Und so kommt es, dass man mit zunehmendem technischem Fortschritt nicht wirklich mehr Zeit für zusätzliche Produktivität erhält, sondern seine Zeit mit immer noch absurderen administrativen Foltertechniken verschwendet. Auf der anderen Seite gehe ich neuerdings diversen viel interessanteren Tätigkeiten nach, wie beispielsweise den Wermutwolf mit bizarren Texten wie diesem zu füttern. Leider kann ich davon noch nicht leben. Doch meine Überzeugung ist, dass sich früher oder später der Erfolg einstellt, wenn man das tut, was man gerne tut. Hoffentlich prä-mortem …
«When the Dying calls» von Danzig läuft. «If I play in the dark of the world, and if I lose, I don’t mind, that’s when the dying calls.» Mit H.R. Giger teile ich den Nachnamen. Bevor ich den Namen meines Vaters angenommen hatte, hiess auch ich Giger. Ich weiss heute nicht mehr weshalb, doch ich hasste den Namen. Als Kind brachte mich mein Spitzname «Gigi» sogar einmal zum Weinen. Komisch, heute fände ich diese Benamslung nicht mal so ganz uncool.
Necronomicon in Filmversion Ich giesse ein paar Tropfen Wasser in die zweite Portion Absinthe ein. Ich rieche Lakritze. Beim Trinken wirkt er gräsriger, krautiger, wärmer. Ein absoluter Genuss! Das Produkt schlägt mit nicht unüblich hohen 68 Alkoholprozenten zu Buche. Ich lege die zweite Karte. Das sollte nicht getan werden. XIV: Die Mässigkeit
Nun gut, dieser Fall scheint mir klar zu sein. Ich neigte schon immer etwas zum Exzess, zum Extrem. Bis 1 Uhr morgens arbeiten, dann noch ein NHL-Spiel schauen, dazu nicht wenige Drinks konsumieren, um 3.30 Uhr schlafen gehen und um 7.30 wieder aufstehen, um erneut arbeiten zu gehen. Oder in jugendlicheren Zeiten Montags bis am Morgen früh an der Party zu bleiben, um anschliessend direkt arbeiten zu gehen, gegebenenfalls inklusive sich kurz zu übergeben … Hier wäre sicher mehr Mässigkeit angebracht, um den geschundenen Körper, der ja ein Tempel ist, nicht so zu überfordern, auf dass er mir auch weiterhin die Möglichkeit bereitet, Pflichten und Spass nachzukommen. Wie ein guter Schnaps sollte wohl auch die Lebensführung ausgewogen sein. Wenn man sich im Rausch der jeweiligen Tätigkeiten befindet, ist es halt oft schwierig, sich dem bewusst zu werden. Okay, ich merke, ich suche bereits wieder nach Ausreden, um der Balance in Richtung Exzess zu entflüchten. Ich bemerke es wenigstens. Ich bin wach. Ich lebe konfrontativ, will nicht von Lebenslügen dirigiert werden. Ich sehe das Licht. Dieses grüne Feen-Licht …
Meine Mentoren aus Jugendzeiten schenkten mir einst einen Migros-Sack der von Giger bemalt war. Ich kann mich nur noch dunkel erinnern, insofern weiss ich nicht so ganz, ob die Geschichte wirklich exakt so passiert ist. Die beiden Jungs waren mit einem Bandmitglied von Celtic Frost befreundet. Ja genau, eine der Bands, die ich mir jetzt gerade anhöre (aktuell gerade den Song «Circle of the Tyrants»). Und ich glaube, dass die Tasche ursprünglich ihm gehört hatte. Langer Rede, kurzer Sinn: Ich habe sie verloren. Keine Ahnung wie, wann, warum. Ich ging mit den Dingen früher nicht sehr sorgfältig um … Ich giesse die Absinthe-Portion 3 und relativ viel kaltes Wasser mit dazu ein. In der Nase schmecke ich etwas, was ich zuvor so rein gar nicht wahrgehommen habe, komme aber nicht darauf, was es ist. Ich habe das Gefühl, dass ich so einen ähnlichen Geschmack einst bei einem Mezcal gerochen habe. Nebel, trockener Rauch, Holz, etwas in diese Richtung. Ich lasse den Spirit in meinem Mund zirkulieren, schmecke wieder die Kräuter, nun etwas subtiler. Die Süsse wird zugleich dominanter. Sehr, sehr lecker! Ich lege die dritte Karte. Das sollte getan werden. XVI: Der Turm
Der Turm symbolisiert ein Gefängnis unserer starren (Denk-)Strukturen, die zusammenbrechen, was einen harten Aufprall auf dem Boden der Realität zur Folge hat. Doch nach dem Wegfallen der Komfortzone, der Illusionen von Sicherheit, der Lügen, der falschen Hoffnungen und Dogmen, ist eine neue, freiere Existenz möglich. Ganz ehrlich, da muss ich zuerst noch mehr darüber nachdenken. Denn in meinem Selbstbild bin ich niemand, der sich gross Illusionen hingibt, starre Denkstrukturen pflegt oder mich äusseren Einflüssen verschliessen würde. Oder ist es vielleicht eben genau das, dass ich das denke …? Dass mich diese Karte jetzt gerade etwas ratlos zurücklässt, bedeutet wohl, dass ich hier noch genauer hinschauen sollte.
Früher ging ich jedes Jahr im Sommer nach Montreux, ans weltberühmte Jazzfestival , meistens nicht nur für 2–3 Tage. Und auf dem Weg dorthin nahmen wir oft einen kurzen Umweg nach Gruyere auf uns, sodass wir das Giger-Museum besuchen konnten. So viele Erinnerungen. Nicht nur seine Kunst war faszinierend, auch der Kontrast zu diesem touristischen Dorf, das immer nach Käse riecht, und den grasenden Kühen auf blühenden Schweizer Postkarten-Wiesen.
Ein Handy-Bild von besagtem 11. Juli 2018, im Giger-Museum Und dann tritt man in dieses Schloss St. Germain ein, in dem einen die dunklen Künste erwarten. Letztmals war dies am 11. Juli 2018 der Fall. Es waren in früheren Jahren immer schöne Momente, den Meister selbst zu sehen. Wie auch in Montreux « Funky Claude » (Nobs) zu begegnen. Und irgendwann waren dann beide grossen Persönlichkeiten nicht mehr unter uns. Was diese beiden Menschen eint, ist eben auch, dass sie ihre Konfortzone verlassen hatten, um Grosses zu erschaffen.
Das Ritual nähert sich bereits dem Ende zu, ich giesse mir Absinthe-Glas Nummer 4 ein, und gebe so viel Wasser dazu, bis der besagte Louche-Effekt eintritt. Ich rieche einen ganzen Kräutergarten. Es riecht frisch. Ich trinke davon und weiss spätestens jetzt mit Sicherheit: Das ist der beste Absinth, den ich in meinem bisherigen Leben verkostete. Oder geraten meine Geschmacksnerven in Euphorie, weil ich nun doch schon eine ziemlich grosse Menge davon intus habe? Natürlich streite ich das energisch ab … Ich lege die vierte Karte. Dahin führt der Weg. XVII: Der Stern
Eine Glückskarte! Der Jungbrunnen der Kreativität. Inspiration und Intuition. Auf Gigers Karte ist ein Wasserfall abgebildet. Das Wasser fliesst in die Erde, sodass Neues wachsen kann. Alte Ängste und Zweifel fallen ab, sodass Gedanken, Gefühle frei fliessen können.
Das Kreuz ist fertig gelegt, es ist vollbracht. Ein schöner Abschluss, ein schönes Gesamtbild dieser Karten. Sascha und ich werden mit dem Wermutwolf weiterhin unserer Intuition folgen und das tun, über das schreiben, was wir wollen, was uns interessiert, wohin es uns zieht. Und darauf hoffen, dass Ihr uns auf dieser Reise begleitet.
Dieses symbolische Prachtstück habe ich im Giger-Museum in Gruyere aufgenommen. Ich weiss leider nicht mehr, wer der Künstler ist. Und ja, ich mag Katzen … Am 15. Januar 2023 war ich an einer fantastischen Giger-Ausstellung in der Photobastei Zürich zugegen. Anstatt schwärmerischer Schwurbeleien hier ein paar Eindrücke, die ich an diesem Tag mit meiner Handykamera festhielt:
Nun noch zur Auflösung der verschiedenen Trinkstärken. Noch immer denke ich, dass mir die Version mit einigen Tropfen Wasser, ja vielleicht auch mit einem ganz kleinen Gutsch davon am besten schmeckt, also maximal ein Verhältnis von 1:1. Das Denken und Schreiben scheint sich im Laufe des Abends nicht merklich verändert zu haben, aber das wird wohl der Tatsache geschuldet sein, dass ich kein Schnelltrinker bin. Für diese vier Absinthe-Portionen, dieses ganze Experiment, habe ich nun fast genau 4 Stunden aufgebracht. Es ist Mitternacht. Geisterstunde. Ich sage nicht, dass ich den Spirit nicht spüre, aber so richtig angetrunken bin ich ganz und gar nicht. Und wie bei der Trinkstärke gefällt mir auch der Text bei Durchgang 2 am besten.
Falls nun jemand denkt, das war sicher ein ziemlich düsteres Setting mit Gigers dunklen Bildern und ebenso düsterem, harten Rock und Psychodelik, dem sei entgegnet: Es hat mir Spass gemacht! Wie auch bei jemandem wie dem König der dunklen Filme, David Lynch, ist es auch bei H.R. Giger so, dass das durchaus keine deprimierten Schizos sind/waren, sondern gerade durch die Konfrontation mit ihren Ängsten, mit ihrem Schatten, zu positiven, warmherzigen, witzigen, ultra-kreativen Zeitgenossen reiften. Also giesst euch einen schönen Absinth ein und lebt die dunklen und lichten Momente des Lebens so gut, so intensiv wie es die Situation hergibt. Cheers!
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