Kommentare

Ich finde diese Diskussion sehr spannend, und möchte als Frau auch noch etwas dazu beitragen, inklusive Filmtip :)
Das Thema Porno beschäftigt mich, weil ich Mainstream Porno zwar fantasielos und schlecht gemacht finde, ich jedoch grundsätzlich glaube, dass es möglich wäre, gute Pornos zu machen. Ich glaube nicht, dass es grundsätzlich entwürdigend oder frauenfeindlich ist, Sex explizit zu zeigen und zu filmen. Ich habe "Sexual Sushi" gesehen, gefilmt von Petra Joy, und auch wenn ich den Film vom Style her nicht so toll fand, habe ich mich gefreut, ihn zu sehen. Die Frauen darin hatten Spass, die Erotik war nicht billig, es fand Sex statt, aber Genitalien standen nicht im Zentrum, es war kreativ und ausgefallen.
Ich glaube, dass nach all den hässlichen Pornobildwelten auch die Zeit reif wäre, der Sexualität wunderschöne filmische Denkmale zu setzen und künstlerisch-erotische Gegenwelten zu schaffen.

frag pierre vogel.
er hat die antwort.

Mein beitrag ging @stadtstreicher

Oi, also nun mischlest du aber ganz schön durcheinander. Nehme ich jedenfalls so wahr. (vielleicht liegts auch nur an den fehlenden kommas)...
Die frage von schuld in der sexualität kommt aus der sogenannten schwarzen sexualpädagogik, vor allem im 18. Und 19., bis weit in das 20. Jahrhundert hinein - wir haben uns kürzlich erst über dieses Denken hinweggesetzt. Aber wenn man das zitat von dir liest, ist eben doch noch einiges in den köpfen hängengeblieben. -Oder in der herzen, wie man's nimmt.
Trotzdem, so denke ich, muss weder mann noch frau sich heute in irgendeiner weise dafür schämen, sexualität zu genießen und mit allen sinnen zu erleben (die randvorlieben von sexualität, die in den gesetzlich gesehen kriminellen bereich ragen, klammere ich mal aus).
Was ich eher problematisch finde ist die übersexualisierung der gesellschaft. Besonderes stark merkt man deren auswirkungen an der arbeit mit schülern, die sich zwar zu jedem zeitpunkt des tages mit ein- zwei schnellen klicks zutritt zu sex verschaffen können oder auch sonst überflutet werden von bildern. Aber ihre verunsichtung steigt extrem bei dem thema: was ist denn nun meine sexualität? Was darf ich und was darf ich nicht? Was muss man und was muss man nicht? (so hat mich eine 15jährige z.b. Einmal ernsthaft gefragt, ob sie denn bei einem gangbang, den ihr freund vorgeschlagen hatte, mitmachen müsse).
Wir haben in unserer Gesellschaft noch immer keine stabile grundhaltung bezüglich der frage, was denn nun eine gesund und schön gelebte sexualität ist, in der die integrität des einzelnen gewahrt bleiben kann. Sondern versuchen uns in diesem wirrwar aus hängengebliebener schwarzer sexualmoral und reizüberflutender übersexualisierung zurechtzufinden.
Ich finde nicht, dass in der Diskussion in diesem forum angeklagt wurde. Es fehlt halt die sicht einer frau, die pornographie gerne konsumiert. Die hast du halt noch nicht gefunden, denn si_no und ich scheinen einen anderen bezug zu dem thema zu haben.
Ich bin nach wie vor der meinung, dass man sich mit diesem thema, das du gepostet hast, differenziert auseinandersetzen muss und auch mal, z.b. die sexindustrie und deren propaganda kritisch hinterfragen muss, selbst wenn es einem gefällt.
Wenn ich einen eistee von der marke nestea trinke, schmeckt er mir in dem moment vielleicht auch, obwohl ich weiß, zu welchen machenschaften die firma nestlé fähig ist...

‚In diesem Forum, z. B., wurde von niemand gesagt Frauen müssten Porno gut finden oder konkret dazu Tipps abgeben. Ist das nicht ein Zeichen, dass man sich schuldig fühlen würde es gut zu finden? Und will man anderen Menschen die es gut finden könnten damit nicht das Gefühl geben sie müssten sich schämen?’ Genau, Stadtstreicher, Schuld und Scham aus der Sicht der Frau sind die Reizworte; da kommt mir augenblicklich die verdammte Doppelmoral meiner Erziehung wieder hoch: bei uns zu Hause gabs im Versteckten Pornohefte, aber ich wurde bitterlich bestraft, als dieselbe Mutter ein Bravoheftli mit einem Bild eines einzelnen nackten Gliedes bei mir versteckt im Kleiderschrank fand! Ich denke, die jüngeren Frauen haben heute einen weitaus freieren Zugang zur gezeigten Sexualität, geniessen das auch aber sie äussern sich hier halt weniger. Da fühle ich mich dafür freier! Und diese elende Doppelmoral findet sich selbst heute noch; Mütter, die sich vor allem sorgen, wenn ihre Töchter mit harter Pornografie in Kontakt kamen, die es aber als völlig normal abtun, wenn ihr Sohn das Gleiche tut. Ja, der könne schon damit umgehen, alle Jungen würden das schliesslich machen.... und dazu lächeln sie dann noch verlegen... während sie bei der Schilderung der Tochterthematik eindeutig wütend reagieren.

Zunächst war es nur ein allgemeiner Eindruck aus meinen Gesprächen im Bekanntenkreis und der Diskussion darüber in den Medien. Folgendes Zitat aus dem auch angefügten Zeitungsausschnitt hat diesen Eindruck dann für mich gut auf den Punkt gebracht:
... women have always had an interest in porn: 'The fact that we were so enraged about it in the first place was indicative of a certain desire for it.
I was anti-porn but then realised my anger was jealousy.
Men's sexuality was being catered for and ours wasn't.'...
..."'Women who admit to enjoying porn do feel guilty about enjoying sex without the love and romance and do worry that they're sluts." www.metro.co.uk
In diesem Forum, z. B., wurde von niemand gesagt Frauen müssten Porno gut finden oder konkret dazu Tipps abgeben. Dennoch wird bei der Schilderung von dem was man persönlich schön findet entrüstet und teilweise stark wertend von jedweder expliziten Darstellung an Erotik abgegrenzt. Ist das nicht ein Zeichen, dass man sich schuldig fühlen würde es gut zu finden? Und will man anderen Menschen die es gut finden könnten damit nicht das Gefühl geben sie müssten sich schämen? Warum wird die Diskussion um die explizite Darstellung von Erotik in den Zusammenhang gestellt Menschen würden mit dem Konsum ersetzen ersetzen wollen was in der echten Begegnung geschieht, nicht jedoch bei der Diskussion um die romantische Darstellung?

Also, stadtstreicher, ich als frau fühle nicht, dass das gesellschaftlich von mir erwartet wird und sehe mir trotzdem gerne teilweise sogar kitschig-romantische streifen an. Und vor allem fühle ich mich als frau absolut 0,000 schuldig dabei, sexualität zu genießen. Wie kommst du denn nur auf solche schlußfolgerungen?

"Kann es nicht einfach sein, dass Damen sich eher als Männer in Phantasien selber bebildern können und darum mit Darstellungen im romantischen Bereich, wo halt weniger gezeigt, aber viel mehr interpretiert werden kann - mehr anzufangen wissen?"
Ich stimme grundsätzlich zu. Es ist jedoch leider auch so, dass das von Frauen gesellschaftlich so erwartet wird und sie sich daher eher schuldig fühlen als Männer wenn sie Sex und die explizite Darstellung davon geniessen. Umgekehrt wird es, wie in diesem Forum, eher zögerlich zur Kenntnis genommen, dass ein Mann sich tatsächlich auch für die stillen Seiten der Erotik interessieren könnte. Denn, trotz der Eingangsfrage nach "sexy, stimmungsvoll oder erotisch aus weiblichem Blickwinkel", definiert sich die Diskussion hier doch fast auschliesslich über männlich dominierten Porno.
Den Umkehrschluss mit dem Dirty Dancing als Romantikporno meinte ich also eher im übertragenen Sinne. Ich denke, dass umschreibende oder explizite Darstellung von Erotik gleichwertig den Konsum von Fantasien um menschliche Begierde zu Ziel haben. Masslos konsumiert fördern beide Illusionen (Pornoqueens oder Märchenprinzen) welche die Magie aus der persönlichen Begegnung vertreiben. Warum will die Gesellschaft dem Mann krampfhaft die Begierde unterhalb der Gürtellinie (alle Männer wollen perversen Sex wie im frauenverachtenden Porno) und der Frau oberhalb der Gürtellinie (alle Frauen wollen hoffnungslose Liebe wie im romantischen Roman) zuschreiben. Können wir Fantasien in Partnerbeziehungen nicht ohne solche künstlichen Korsetts, frei nach persönlichem Geschmack , mass- und vertrauensvoll miteinander teilen?

d'accord Stadtstreicher. mit fast allem eigentlich - bis auf den Umkehrschluss, meiner Definition zu Folge wären dirty dancing und die brücken am fluss pornographie.
diese Filme reihe ich in meiner Erinnerung (ist ein Zeitchen her) in der Romantik ein.
Kann es nicht einfach sein, dass Damen sich eher als Männer in Phantasien selber bebildern können und darum mit Darstellungen im romantischen Bereich, wo halt weniger gezeigt, aber viel mehr interpretiert werden kann - mehr anzufangen wissen?

SI NO, ja, genau darum geht es mir in diesem Forum:
„Ich glaube dem will Stadtstreicher etwas entgegensetzen, indem er eben auf der Suche nach anderem Material ist, das ‚weicher’ daherkommt“.
Ich finde die grelle Masse an Mainstream Pornographie überdeckt heute die Inhalte in denen sich leise, differenziert oder auch anderswie positiv mit Erotik auseinandergesetzt wird. Die darin teilweise erscheinende Brutalität, Entwürdigung und Einseitigkeit (die Mary Jane Louise und SI NO beschrieben haben) beeinflusst durch ihre vorhandene Menge im Internet und anderen Medien sehr die gesellschaftliche Wahrnehmung davon was als „normale“ Sexualität empfunden wird. Dieses Forum und der genannte Tumblr-Blog sind deshalb von mir als Anregung gemeint dem etwas gegenüberzustellen und sich darüber auszutauschen was heute als positiv erlebte Erotik empfunden wird. Das können je nach eurem Geschmack explizite als auch, wie SI NO es sehr schön beschreibt, durch „Auslassung Phantasie und Sehnsucht beflügelnde, durch Verlangen den Körper bewegende“ Inhalte sein. Und, um es nochmal ganz deutlich zu machen, dies nicht zum Ersatz sondern zur Bereicherung der Magie die in echten menschlichen Begegnungen stattfindet.

Livanto, Deine Unterscheidung zwischen dem Erlebten und Erzählten finde ich absolut wesentlich. Die Magie des Augenblicks die den Moment in der Erinnerung des betroffenen zum unauslöschlichen Erlebnis macht vs. der knisternden Geschichte in der ich mir die Erotik des Moments lediglich vorstellen kann. Die Vorstellung kann an die Qualität des sinnlich und emotional Erlebten nicht herankommen und dieses nicht ersetzen. Ich denke darin besteht der auch für mich wichtige Ansatz der Beiträge die sich gegen die Pornographisierung unserer Gesellschaft und damit einer Gefahr der Entwertung der Liebesbeziehungen wehren. Ganz in Sinne von "Make love, not porn".
Spannend finde ich auch wie Du im ersten Beitrag zwischen Erotik im erlebten Moment und besser oder schwächer gemachter Pornographie in der Erzählung unterscheidest. Die Zusammenfassung alles Beschreibenden (sei es in mündlicher, schriftlicher oder bildlicher Erzählform) vermeidet auf gute Weise die moralischen Fallstricke die sich in der Diskussion der von Person zu Person unterschiedlich wahrgenommenen Grenzen zwischen romantischer, erotischer, und pornographischer Darstellungen von Liebesbeziehungen verbergen. In dem Sinne wäre dann alles Erotik beschreibende, auch die auf romantische weise Begierde darstellenden Filme wie Dirty Dancing oder Die Brücken am Fluss Porno.
Um noch auf die bedrückenden Schilderungen von Mary Jane Louis und SI NO einzugehen. Ich bin mit Euch 100% einig, dass Spass aufhört, respektive gar nicht erst aufkommt, wenn Menschen psychisch oder physisch herabwürdigend in Szene gesetzt sind oder solche Darstellungen Vorbildcharakter im richtigen Leben einnehmen. Ich finde solche Szenen hinterlassen einen schalen Geschmack und sind PorNO! Sich in dem Zusammenhang wie Mary Jane Louis für Würde einzusetzen hat für mich damit auch nichts mit moralischen Zeigefinger erheben zu tun.

Ich erinnere mich schon an Filmszenen oder an Buchpassagen, in denen meine Phantasie und meine Sehnsucht beflügelt wurden, zuweilen sogar das Verlangen den Körper bewegt hat; aber dazu braucht es den freien Raum der Auslassung und die Langsamkeit. Und das ist beides in der Pornofilmindustrie nicht gegeben; da wird alles von Anfang an in höchster Geschwindigkeit auf einen zentralen Punkt gesteuert, der nichts mehr zulässt. So eine Art Ausweglosigkeit. Und am schrecklichsten finde ich die Brutalität, die Perversionen, die eine zarte Seele wie meine einfach nicht verdauen kann. Ich glaube dem will Stadtstreicher etwas entgegensetzen, indem er eben auf der Suche nach anderem Material ist, das ‚weicher’ daherkommt. Was hingegen meines Erachtens auch dann immer noch fehlt, ist die pulsierende Energie des Gefühlsstroms, die allesumfassende Wärme einer innigen Umarmung, die eben nur in einer echten Begegnung, und sei sie auch noch so kurz, erfahren werden kann.

Für mich sind das zwei verschiedene Ebenen. Da ist die knisternde Geschichte von SI_NO, in der ich mir als Konsument - weil mitreissend geschrieben - zwar die Erotik des Moments vorstellen kann, da ist auch der alles verlangende Kuss von lespaul's Verehrerin, den sich jeder Mann auf seine eigenen Lippen gedrückt wünschte. Die unendliche Magie dieser Augenblicke, die Düfte, das Herzrasen, das Verlangen - alles, was diese Momente für den, der's erlebt zu unauslöschlichen Erlebnissen werden lassen - das bleibt in bewegten Bildern oder auch in der Erzählung weitgehend auf der Strecke.

@livanto:"Erotik und Internet - geht das überhaupt zusammen?"
ich denke SI_ NO hat's gerade bewiesen: da ist beim lesen gerade die zeit stillgestanden bzw. es hat geknistert wie mary jane louise sagen würde. in filmform gibts das auch, bei "elena undone", ein erotischer liebesfilm ohne explizit bebildert zu sein.

@lespaul:
dem ist nichts hinzuzufügen :-)