Inspiriert von: Real Azül

Fussball ist wohl eines der bekanntesten und sichtbarsten Hobbys der Stadt. Von Grümpis bis Champions-League-Watching in der Fussballkneipe deines Vertrauens, von Kicken in den Parks und Graffitis, die von den Stadtclubs erzählen, über Meisterfeiern zu illegalen Kurven-Partys, von Derbys über Public Viewings von EM-Spielen bis hin zum Sitz eines internationalen Fussballverbands... Ja, man könnte manchmal wirklich meinen, das Herz der Stadt hat die Form eines Fussballs und schlägt im 90-Minuten-Takt. Deswegen habe ich mir einen Sonntag lang Zeit genommen und ein Match von Real Azül aus der Alternativen Liga Zürich (auch FSFV genannt und 1977 in linken Zürcher Kreisen gegründet) angeschaut und danach mit der Mannschaft über Werte, Einsatz und Liebe zum runden Leder gesprochen.

Es ist ein sonniger Sonntagnachmittag im Juni, nicht zu heiss und nicht zu kalt, als ich die grüne Sportanlage Hardhof betrete. Die Team-Besammlung ist auf 15.30 Uhr angesetzt. Ein paar vom Team sind pünktlich da, aber ein grosser Teil fehlt noch. «Gestern war noch das Stolze Openair. Viele haben da und später in der Zuki gefeiert», meint einer der Spieler. «Und der Captain hat gestern geheiratet, da waren auch einige Spieler mit dabei. Aber alle sollten kommen. Inklusive Captain», meint ein weiterer Akteur. Wow, denke ich mir. Was für ein Einsatz (und herzliche Gratulation an den Captain <3). Die Spieler, die schon da sind, wärmen sich auf. Einige barfuss mit unterschiedlichen Trikots, manche in Badehosen. Heutiger Gegner wird der FC Widerstand Wipkingen sein. Kurz vor Spielbeginn sind dann (fast) alle da. Nach kurzer Teambesprechung und Motivationsrede geht das Spiel los. Einen Schiedsrichter gibt es nicht. Dafür gibt es einen Linienrichter, der barfuss die Linien rauf und runter sprintet. Nach 40 Minuten, einer Glacepause meinerseits und dann weiteren heiss umkämpften 40 Minuten endet das Spiel mit 2:0 für Real Azül. Zeit also, um das Team mit meinen Fragen zu löchern.



Zuerst einmal herzliche Gratulation zum Sieg. Wie fühlt sich so ein Sieg jeweils für euch an?
Das absolut Geilste für uns.

Laut meinen intensiven Recherchen gibt es Real Azül seit 2009, lebte aber erst 2017 so richtig auf, als die ersten Spieler der jetzigen Mannschaft dazustiessen. Was war die Motivation der ersten Spieler, diese Mannschaft wieder zu beleben und woher kommt der Namen?
Bei Real Azul spielten zwei, drei von uns aushilfsmässig mit. Als das Gerücht aufkam, dass der Verein aufgegeben werden soll, haben wir als Fussballbegeisterte sofort zugeschlagen, denn die Alternative Liga hat eine lange Warteliste für Neugründungen. Zeitpunkt und überschneidende Freundeskreise haben gepasst. Aus Real Azul wurde Real Azül. Weil es einfach besser tönt.

Was macht Real Azül so besonders im Vergleich zu anderen Fussballmannschaften?
Die Mischung aus Ambitionen, Seriosität auf dem Platz und absoluter Durchgeknalltheit. Und natürlich unser Teamgeist – wir sind alles Brüder. Und zuletzt unser heissgeliebtes Merchandise.

Welche Werte sind euch im Team und bei euren Spielen am wichtigsten?
Freundschaft, Spass, Nächstenliebe, Demut, Güte und Respekt.

Welche Rolle spielt der Teamzusammenhalt bei Real Azül?
Eine sehr grosse Rolle. Einige von uns kennen sich seit ihrer Jugend. Das Team steht über dem Individuum. Wir sind auch neben dem Spielfeld oft zusammen unterwegs.



Ihr sammelt mit Hilfe von Benefizturnieren regelmässig Spenden. Wie verbindet ihr sonst Fussball mit politischen und sozialen Themen?
Durch unseren jährlichen Avanti Azülanti Cup im April können wir Soziales mit Fussball verbinden und haben in den letzten drei Jahren Spenden für soziale Projekte in der Höhe von über 5000 Franken reingeholt. Fussball ist ein politisches Thema und FIFA, Eymann und wie sie alle heissen machen den Sport kaputt. Unser Verein ist links und wir tragen mit stolz «Antifascista» in unserem Logo. Von der Liga direkt gibt es noch den Supportfonds, der jährlich soziale Projekte mit fussballerischem Zusammenhang finanziell unterstützt.

Wie oft trainiert ihr in der Woche? Was habt ihr für ein Commitment? Ich meine, gestern hat euer Captain geheiratet und ist heute trotzdem ans Spiel gekommen, das zeugt schon mal von grosser Leidenschaft.
Unser Captain ist der Ur-Boss und auf ihn ist immer Verlass. Leidenschaft ist grundsätzlich nie das Problem. Aber einige von uns sind mittlerweile Väter und andere werden fetter und der Rest ist sonst irgendwie oft busy. Aber einmal pro Woche «mätchle» auf der Ämtlerwiese oder der Pflantschi liegt meistens drin. Im Winter trainieren wir in den Turnhallen der Stadt.

Euer Team spielt ohne Schiedsrichter. Wie klappt das mit der Fairness auf dem Spielfeld und wie löst ihr Konflikte?*
*Anmerkung der Redaktion: Mir wurde während des Spiels gesteckt, dass Real Azül am Ende der Meisterschaft des Öfteren von den anderen Teams zur «unfairsten Mannschaft der Liga» gewählt wurde.
Das machen wir nicht ganz freiwillig, denn während Covid wurden die Schiedsrichter abgeschafft, um zusätzlicher Virenvermischung vorzubeugen, da die Schiris jeweils von den anderen Teams der Liga gestellt werden. Nun wird jährlich von Neuem an der Vollversammlung der Liga darüber abgestimmt und wir gehören klar zum Block «pro Schiri», da es in unseren Augen fairer ist und weniger Diskussion auf dem Spielfeld gibt. Unfair sind wir nicht, aber wir polarisieren wohl etwas mehr als andere Teams. Und jeder Konflikt auf dem Spielfeld endet für uns spätestens mit dem Abpfiff.

Eure Merch ist sehr beliebt, eure Trikots sind von der Bar 3000 gesponsert, die von eurem Geschwisterverein FC Real Rosé von EnSoie. Viel besser geht’s ja wohl kaum. Aber wenn ihr einen Wunsch frei hättet: Was wäre ein weiterer Traumsponsor?
Am schlimmsten wären EMS Chemie, RUAG oder die Stapo Züri. Ansonsten sind wir da sehr offen, solange ein Bezug zu uns da ist. Anfragen nehmen wir gerne auf unserem Insta Account @real_azul_zh entgegen.



Und wenn ihr einfach frei wählen könntet: Gegen welche Fussballmannschaft würdet ihr mal gerne spielen?
Gegen das Pepsi Allstar Team, bevor Alex Frei aufgenommen wurde.

Uuuund wenn ihr egal wen rekrutieren könntet, welche:r Fussballspieler:in wäre es?
Mario Basler

Wie hat die alternative linke Fussballliga eure Sicht auf den Sport verändert?
1977 hatten einige revolutionäre Linke in Zürich die kuriose Idee, einen eigenen Fussballverband zu gründen. Wenn sich ihre Ideale schon nicht im Politischen verwirklichen liessen, so vielleicht auf dem Fussballplatz. Für uns steht die Liga heute auch als Gegenpunkt zum kommerziellen und stark durchstrukturierten Fussball. Eins kicken und saufen geht da Hand in Hand.

Was sind eure Ziele für die nächste Saison?
Die gleichen Ziele wie jedes Jahr – Cupsieger und Meistertitel!

Wie hat sich das Team über die Jahre entwickelt?
Wir haben uns schnell einen Ruf erarbeitet und erhalten auch immer wieder Beitrittsanfragen – auch weil wir uns mit dem Motto «Real Azül Antifascista» klar positionieren. Sportlich betrachtet war unsere beste Leistung der 6. Platz von 24 im letzten Jahr. Ein Meilenstein, wenn wir bedenken, dass unsere Vorgänger stets auf den hintersten Rängen rumdümpelten. Ein weiterer Höhepunkt war die Gründung unseres Geschwistervereins Real Rosé vor vier Jahren durch Freund:innen von uns. Gemeinsam feiern wir Ende Jahr jeweils eine grosse Fete.

Welche Herausforderungen seht ihr für die Zukunft der «Alternative Liga Zürich»?
Das Bewusstsein und die Werte der Liga zu wahren, aber trotzdem fortschrittlich zu bleiben. In diesem Jahr wurde das Positionspapier der Liga überarbeitet und wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt, was wir sehr begrüsst haben. Zentrale Themen sind unter anderem Gleichstellung, Integration und Nulltoleranz gegenüber jeglicher Form der Diskriminierung.

Was würdet ihr jemandem sagen oder raten, der sich überlegt, sich eurer Liga oder eurem Team anzuschliessen?
An einem Sonntag während der Saison auf dem Hardhof vorbeikommen. Zuerst Real Rosé zuschauen, dann uns und anschliessend im Hardhof Bistro bei Hotdog, Bier und Isostar auf unsere Siege anstossen.



Hobby: Fussball
Spassfaktor: Bei der Alternativen Liga Zürich 10/10. Übrigens hat der FC Real Azül einen Geschwisterverein mit Namen FC Real Rosé.
Commitment: Gross. Auch neben dem Fussballplatz.
Eignet sich für: Ex-Knackis, Partygänger:innen, Fusslovers
Mitnehmen: Trikot, Trainingskleider, Fussballschuhe, Sonnencrème (Badehosen um danach ins Wasser zu springen)
Vorbereitung: Den Fussballsport im Herzen tragen, Ambitionen haben und ab und zu in der Nacht vor dem Matchtag in der Zuki steilgehen