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perreramuz, du schreibst, weckst auf, denkst in die Weite, den grösseren Rahmen. Bin dir dankbar. Es ist mehr als alles gesagt, und vielleicht etwas schwierig, meine Ansicht zu akzeptieren, weil sie sich nur auf die anfängliche Frage bezieht. Zu diesem, deinem letzten Beitrag sage ich JA

marie, es nervt mich ein bisschen, dass man so schnell die gleichung aufstellt: verstehen = entschuldigen. verstehen bedeutet überhaupt nicht entschuldigen!. die heutige strafjusti, der name sagt es ja schon, will jeweils für ein delikt eine angemessene strafe finden. und die verteidigung hat die aufgabe, den angeklagten zu verteidigen und das strafmass möglichst abzumildern. zum glück hat man heute eine reihe von therapeutischen massnahmen mit dem ziel der reintegration von tätern und täterinnen. - aber der blickwinkel, vor allem auch in den medien, die als moralapostel zuweilen eine betrübliche rolle spielen, bleibt auf die strafe fixiert, als ob alles über strafe geregelt werden könnte und keine strafe hoch genug wäre... in wirklichkeit ist es so, dass die idee der strafe zu einfach ist. ein physiker, den ich kenne, hat einmal gesagt: die piloten oder die regiierenden, die den befahl ausführten oder ausgaben, atombomben abzuwerfen (oder agent orange), die müssten als angemessene strafe die überlebenden pflegen nach so einem verbrechen! sie müssten konfrontiert werden mit dem leid, das sie angerichtet haben, tagtäglich. - ich habe das ein sehr eindrückliches bild gefunden. - es ist eine ungeheure heuchelei, wenn wir uns nur über die verbrecher aufregen, die eine frau umbrachten - ein ganz schreckliches verbrechen, ganz sicher - aber keine meinung dazu haben, wenn tausende umgebracht werden im krieg. oder in der produktion billiger t-shirts. wo spricht man von der verantwortung derjenigen, der chefs, der konsumenten, die dieses leid über diese familien bringen. die erscheinen dann nicht als "mörder" in den schlagzeilen. aber sie sind nicht weniger schlimme mörder. ich meine nicht die anonyme masse, sondern verantwortliche, denen man sehr präzise eine schuld nachweisen könnte, wenn man denn wollte... - und dann muss ich auch an diese frau denken aus ruanda, deren eltern von nachbarn umgebracht wurden. und nachdem wieder friedliche verhältnisse waren, war der nachbar verurteilt und sass eine gefängnissstrafe ab. und diese frau wollte den mörder ihrer eltern kennenlernen. sie wollte wissen: was war da los? es ging ihr nicht um hass. sie wollte verstehen? sie war sehr traurig. aber wie hatte keine rachegefühle. sie war so stark, dass sie nicht diese distanz brauchte, sondern sie wollte verstehen.
und falls du das gefühl hast, ich schweife ab, nein, so ist es nicht. das thema ist mir zu wichtig, als dass ich es so einfach schwarz-weiss behandeln möchte. ich habe schon weiter oben gesagt: wenn von einem täter eine gefahr ausgeht, soll man die gesellschaft vor ihm schützen. - im übrigen gibt es eine grosse fülle von literatur zu dem thema. und wenn das ziel prävention ist, dann ist strafe nciht immer das richtige mittel. - so war neulich in der nzz zu lesen von förderprogrammen in den usa in afroamerikanischen familien. im kindesalter gab es eine unterstützung beim lernen und in erziehungsfragen. das sind langzeitstudien. nebst anderem war die folge von so betreuten kindern, dass sie später nur etwa ein drittel so oft mit dem gesetz in konflikt kamen.
www.nzz.ch
das alles bedeutet, den horizont etwas aufzutun, in zusammenhängen zu denken, nicht bloss in schwarz und weiss.
livanto: was du meinst, hat mich sehr an das konzept der blutrache erinnert. und das ist in albanien bis in die jüngste gegenwart tradition gewesen. ob es ein sinnvolles, erfolgreiches konzept ist, sei dahingestellt. meins ist es nicht.
alein, ich bin froh um deine anregenden fragen und beiträge. sie bringen ein niveau in die diskussionen, das sonst oft fehlt. und ich gebe dir absolut recht. "kindisch" habe ich etwas undifferenziert verwendet. ganz klar handelt es sich um erlernte muster. aber vielleicht "versimpeltes denken", das natürlich auch erlernt ist. eine art "erlernte dummheit". aber das soll es ja geben...

pierreramuz, natürlich die Prävention ! Jedoch wie und durch wen? Könnten wir die Schicksale derer, die morden, vergewaltigen, bis zu denen, die menschen in die behinderung schlagen, zurück verfolgen, wir würden verstehen. Entschuldigen, nur, weil sie mit ihrem leben nicht zurecht kamen, kommen, nur, weil sie halt betrunken waren, oder in sexueller not sind ? Oft waren sie geschlagene, verwahrloste Kinder, oft ihre eltern alkoholkrank, und während der schulzeit die, die weiter schlugen, auch da nur schwierigkeiten hatten, niemand sie beiseite nahm, ihnen wert gab. Ja, verstehen können wir alles. Die verwahrlosten kinder werden in heime gesteckt, in einen kreis derer, die sich nicht zu benehmen wissen. Meine tochter war lehrerin in einem heim für mädchen, und ihr ziel war es, die mädchen zu motivieren, im wald zu unterrichten, mitten in der natur sie auch austoben zu lassen. Museen besuchen, ihnen zeit zu lassen, da sie es viel wichtiger fand, sie nicht zu drillen, ihnen zeit zu lassen, sich von elendiglichen zu erholen. Dann kam der hammer dr erziehungsdirektion: innerhalb eines jahres müssen allle mädchen ihren schulischen abschluss erreichen. Das resultat: die mädchen "hauten" wieder ab, zurück zu den drogen, zurück in die prostitution, zurück in die gewalt. Jetzt sagt mir mal, wo ist die institution, die prävention anbietet, die sich um die entwicklung der kinder kümmert, damit sie nichtbis ins erwachsenen-alter ihre trauer, ihren hass gegen die gesellschaft richtet? Gebt zu, dass es nicht einfach ist, diese kinder, diese erwachsenen zu lieben, zu akzetieren, geduldig alles über sich ergehen lassen, jegliches unrecht, bis zum tot- oder krankschlagen. Ja, da war ja kürzlich diese traurige geschichte mit der Marie! Die fragen laut, weshalb dieser kranke mann und wiederholungs-täter in die halb-freiheit entlassen wurde. Weiter vergewaltigen, weiter morden. Es gibt sie, die schreckens-taten, die nun einfach unentschuldbar sind, die, die sie begehen, dürfen sich nicht mehr in der freiheit, unbeobachtet bewegen.

Ja, ich finde Deine Frage sehr interessant und auch die Sichtweisen, die pierreramuz liefert wertvoll und spannend. Der wünschenswerte Umgang mit solchen Herausforderungen - nämlich offen und präventiv mit Gewaltpotenzialen umzugehen wird uns Menschen aber noch eine sehr lange Zeit beschäftigen, bis eine Mehrheit in der Lage ist, sein Verhalten im Ausnahmefall zu kontrollieren.
Nachdem eine Tat begangen wurde bedingt es selbstreflektierten und bewussten Umgang mit seinen Gefühlen einem Täter und dessen Familie gegenüber. Dafür muss das Grosshirn bemüht werden - etwas was Energie verlangt und neben Denkaufwand auch ein gewisses Risiko beinhaltet, zwischen zwei Fronten zu geraten - denke Psychologen können Bände darüber berichten. Für die meisten ist eben das Übernehmen der simplen Verhaltensmuster aus dem Stammhirn einfacher.
Vielleicht hab ich Deinen Steilpass mit Albanien falsch verstanden pierre - ausgrenzende Verhaltensweisen sind am ehesten zu beobachten, wo ländliche, dörfliche oder in Tälern angeordnete Gemeinschaften bestehen und das Miteinander eben noch wirklich wichtig ist. Das trifft auf die übersättigten Bewohner grösserer Städte natürlich weniger oder nicht zu. Ganz ausgeprägt kennen gelernt habe ich übrigens in einem G8 Staat...

Das hat doch auch sehr viel mit dem rtl2-Effekt zu tun: man kann mit xem finger auf Menschen - in diesem Fall die Mörderfamilie - zeigen undsich daran freuen, dass das eigene armselige Leben noch nicht ganz so sehr aus den Fugen geraten ist, wie das der anderen. Dann spielt sicherlich die sensationslust noch eine Rolle. Und dann kommt es drauf an, wer welche Art von Mord begangen hat: ein 20jahriger, der eine 8jahrige vergewaltigt und ermordet wird in der Gesellschaft ganz anders wahrgenommen als der Vater, der den Vergewaltiger seiner Tochter umbringt. Beides Mord aus niederen Beweggründen , doch moralisch völlig anders bewertet.
Meines Wissens nach sind soziopathische Mörder aus gesunden und stabilen Familien im Schnitt eher die Ausnahme. Von daher hast Du schon recht, alein - es müsste frühzeitig bei den Familien angesetzt werden, um delinquentes Verhalten präventiv angehen zu können. Nur leider wird solche Arbeit in der Gesellschaft weder honoriert noch ordentlich bezahlt - und der tatsächliche Nutzen solcher arbeit in seit Generationen kaputten Familiensystemen ist mMn ebenso fraglich.

pierreramuz: ich hatte für diese diskussion kein konkretes beispiel. ich wollte einfach herausfinden, aus welchen gründen familienglieder von mörder von der öffentlichkeit beschimpft werden. eure beiträge haben mir ein paar gute hinweise gegeben. nun ist die ursprüngliche fragen tatsächlich mit deren entwicklung gekoppelt, ob ein mord gestraft werden soll, und wie. ich hoffe, deine frage ist damit beantwortet.
zum thema ob ein mörder eingesperrt werden soll finde ich es eben sehr heikel, eine klare antwort zu finden. die von pierreramuz geschilderten fälle sind nur ein paar.. man könnte fast jeden fall betachten und merken, dass die umstände ganz anders waren als bei den anderen. immer wirft es mich auf die basis unserer gesellschaft zurück. ich glaube nicht, dass ein mensch aus spass tötet (oder die allerwenigsten). egal ob aus angst, verzweiflung, rache,.., hat unsere gesellschaft nicht versagt, da sie ihre "kinder" nicht so erziehen konnte, dass sie in diesen extremen emotionen nicht anders zu reagieren wissen? das strafbedürfnis der leute schaue ich auch nicht als etwas kindisches, sondern gehört für mich auch in die kategorie des "angelerntes", etwas was die gesellschaft will oder programmiert. in meinen augen müssten alle menschen in der erziehung wahre, tiefe soziale kompetenz lernen und sich in der gesellschaft ohne grössere bedrohung entfalten können. spricht, da die gesellschaft aus jeden einzelnen von uns besteht, müssten alle dasselbe wollen und unsere werte vielleicht umpolen.
deine frage, pierreramuz, ob prävention oder "reaktion" ist also eine schwierige. in einer gesellschaft, wie ich sie mir (vielleicht utopisch, zugegeben) vorstelle, wäre die prävention ein ganz anderer umgang mit familien und erziehung, d.h. wenn die leute gesünder (psychologisch-seelisch gesehen) sind, gibt es automatisch weniger morde. danach muss man sich aber trotzdem etwas überlegen, für die leute die trotzdem einen mord begangen haben.
meiner meinung nach helfen solche diskussionen und auseinandersetzungen dazu, im kleinen rahmen schon mal eine andere mögliche richtung zu geben und genau aus diesen schwarz/weiss gedanken herauszukommen. danke euch dafür.

marie, geht es dir mehr um den sühnegedanken oder mehr um die prävention. was kommt für dich an erster stelle?

pierreramuz, du widersprichst dich in deinem Beitrag. Jedes deiner Beispiele erklärt eigentlich, dass ein Täter nicht ungeschoren davon kommen kann. Den Grund, weshalb ein Mensch einen andern tötet, den kann man wohl - nicht immer - nachvollziehen, wird in Gerichts-Verhandliungen auch getan. Willst du denn alles verstehen, ent-schuldigen, in aller Güte sagen: gell, mach das nicht noch einmal ?!! Müssten auch die keine Auszeit erleben, die Menschen zusammen schlagen, die dann ihr Leben lang behindert sind? Schreckens-Taten müssen bestraft werden, ja, müssen! Wo kämen wir denn hin, wenn Täter frei herum laufen dürften, im Wissen, dass sie quasi einen Freipass erhalten, nichts zu überdenken, nicht mal erleben müssten was es heisst, eingesperrt, unfrei zu sein und zu "sühnen"? Wiederholungs-Täter, von denen wissen wir. Wir wissen auch, dass der Schweizer-Mann seine Waffen zu Hause aufbewahrt oder welche kaufen kann. Vom Elend der der Familien, die eine sinnlose Tat an einem ihrer Lieben ertragen müssen, ganz zu schweigen. Auch die Familie des mordenden, auch deren Kinder, die geächtet werden, weil ihr Vater, oder ihre Mutter im KNAST ist, wo ist denn da ein Mitgefühl ?

Nein - Du?

livanto, hast du mal ein praktikum in albanien gemacht?

ich denke nicht, dass Ausgrenzen ganzer Familien verbreitetes kindisches Verhalten ausdrückt. Es geht darum, die Blutlinie einer "beschmutzten" Familie zu beenden, um die schlechten Energien, die von diesen Menschen nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden konnten, raschmöglichst wieder unter Kontrolle zu bringen.

alein: geht es bei deiner frage um ein konkretes beispiel oder ist es mehr eine allgemeine diskussion?
mariesuisse: nein auch freiheitsentzug braucht es nicht in jedem fall. - gewiss, wenn wir vom bilderbuch-mörder ausgehen, der noch nie richig gelernt hatte, seine "triebe" bzw. "affekte" zu kontrollieren, dann muss das natülrich sein. aber auch wenn uns krimis und medien gerne klisches präsentieren, ist dies nicht die realität. die ist viel komplexer. da gibt es verschiedene fälle zu unterscheiden.
ein erster fall ist der oder die täterin, von dem oder der nach wie vor eine gefahr ausgeht. selbstverständlich soll die gesellschaft vor so jemandem geschützt werden. und wenn es irgendwie möglich ist, soll dieser täter/diese täterin auch "therapiert" werden. - aber da fängt es schon an: man kann nicht "jemand therapieren". das geht nur, wenn eine lernbereitschaft vorhanden ist, wenn jemand noch soviel eigenen willen und mut hat. aus der lernforschung weiss man, dass strafe menschen zwar konditionieren kann, das befolgen sturer regeln fördern, aber wirkliches lernen kommt ohne strafe aus.
zweiter fall: jemand hat aus notwehr oder weil er oder sie erschrocken ist, jemanden anderen tangiert und durch die verkettung unglücklichen umstände seinen tod herbeigeführt: ein mörder? wenn die opfer gute anwälte haben ev. schon. darf er oder sie dann in freiheit herumlaufen?
dritter fall: soldaten im krieg. tucholsky nannte auch sie "mörder in uniform". ja, aber die töten ja "nur" auf befehl, mag man einwenden. macht es die sache besser?
vierter fall: auftragsmörder: auch er/sie handelt nur auf befehl. zum beispiel, weil er ein armes schwein ist und kein geld hat oder in irgend etwas hineingeraten ist...
fünfter fall: die unterlassene hilfeleistung. manchmal bekommen wir es gar nicht mit, dass wir jemand anderem helfen könnten, der sich (wissentlich oder nicht?) in gefahr begibt. auch unterlassene hilfeleistung ist strafbar. ist nicht auch ein beamter, der einen flüchtling in ein land zurückschickt, wo dem flüchtenden der tod droht, mitschuldig an dessen tod. ein mörder?
sechster fall: der wohl häufigste fall aber sind beziehungsdelikte: neulich hat ein rentner seine ehefrau getötet. ich kenne die hintergründe der tat nicht. eine schreckliche sache, aber es ist anzunehmen, dass es eine lange vorgeschichte dazu gibt. ganz sicher soll und darf dieser mensch so etwas nie wieder tun. aber das weiss er wahrscheinlich selbst auch. er hat es wahrscheinlich nicht aus spass getan sondern aus verzweiflung. - ich bin mir sicher, dass der ganz grosse teil der menschen, die jemanden umgebracht haben, dies sowieso kein zweites mal tun würden. man weiss aus der forschung, dass eine solche tat eine ungeheure belastung darstellt nicht nur für die opfer, sondern auch für die täter. und auch der kleine teil von leuten, die vielleicht so wirkt, als würde es sie nicht belasten, belastet dies wohl sehr. dazu würde es viel hilfe und begleitung brauchen.
die andere seite jedoch, die alein angesprochen hat, ist das "strafbedürfnis" der gesellschaft. in meinen augen ist das etwas extrem kindisches. eine "ersatzhandlung". das ist, wie wenn ich in der architektur ein schiefes haus baue, das zusammenzukrachen droht und im garten daneben baue ich eine massive stütze, damit jeder sieht, dass ich stützen bauen kann imfall. das haus wird trotzdem zusammenbrechen... sorry. da kann die stütze noch so gut sein. - auch wenn die familie eines täters "fehler" gemacht haben kann, die anderen familien, die mit den fingern auf jene zeigen, haben mit grosser wahrscheinlichkeit auch grosse fehler gemacht. manchmal ist es nur ein zufall, dass in der einen familie einer zum mörder wird, in der anderen nicht.
zur "symbolischen bestrafung" der eltern von attentätern bei schulmassakern erschien vor einem jahr in der süddeutschen zeitung ein interview mit ines geipel unter dem titel "es geht auch darum, die eltern zu beschämen". der artikel ist online leider kostenpflichtig (28./29. juli 2012).

pierreamuz. Die "Strafe", die du so nicht nennen willst, da meine ich den Freiheits-Enzug, der muss doch sein. Mörder dürfen doch nicht weiterhin frei herumlaufen? Den nächsten Menschen bedrohen, töten? Sie haben die Chance, sich im Gefängnis Gedanken über ihre Tat zu machen In Therapien heraus zu finden, weshalb ihr Charakter in die schiefe Bahn kam, wenn nicht schon in ihnen angelegt? Ein Weshalb, Warum ? Anti-Aggressions-Therapien werden angeboten. Ich suchte immer nach Verstehen, nach dem Warum, wenn ich von jemandem hörte, der gequält, geschlagen, getötet wurde. Was bewog den Täter? Wurde er provoziert? War es Rache? Eine kaputte Kindheit? Drogen? Gründe? Ja, verstehen ist hie und da möglich. Jedoch, wenn Vergewaltiger missbrauchen, töten,dann hört bei mir jegliches Fragen auf. Da braucht es die Strafe (es sind auch die, die von den Mitgefangenen hart in die Zange genommen werden), es ist das Schlimmste, was passieren kann, und diese Unholde müssen verwahrt werden, dürfen nie mehr frei gelassen werden. Oft denkt das Strafgericht, der Hirnschaden eines Vergewaltigers sei heilbar. Ich denke, nein! Mein Sohn war während dem Studium Betreuer in einer Strafanstalt, erzählte, ohne Namen zu nenne, was er so alles erlebte, und wie schwierig oft das "Verstehen" war. Harte Arbeit, wenig Hoffnung, es könnte sich etwas zum Guten wenden. Verstehen konnte er, dass die Unfreiheit, die Zwänge, die Einsamkeit und Enge, trotz Spiel und Spass, die Bewohner eher trotzig, unflätig, hasserfüllt wurden. Entlassen, und wie geht ihr Leben weiter? Geächtet bleiben sie, niemand gibt ihnen Arbeit, und wenn sie Glück haben, fängt ihre Familie sie auf. Vielfach auch die nicht, da brauchte es eine Familie mit Intelligenz, Wärme, einem Trotz allem bist du unser "Kind".

ich habe das thema heute morgen mit einer freundin besprochen. sie meinte, der hauptgrund, wieso die leute auf die familie losgeht oder ihr gegenübr hass demonstrieren, sei die angst. die angst, dass sowas ihnen auch passieren können; dies würde dazu führen, dass sie so etwas verneinen und wegstossen oder mit hass begegnen. das andere habe etwas mit der sippe zu tun und mit dem einfachen denken, die ganze sippe, also familie, als gleiche zu betrachten. also quasi, das kind hat etwas falsches gemacht, was verpönt ist, und es gehört dieser familie, also wird die ganze familie verpönt. dies trifft für mich in etwa ein paar deinen punkten, pierreramuz. was wir noch weiter überlegten, was das umgekehrte phänomen: eltern, die arbeitslos sind, schulden haben, oder irgendetwas machen, was man in der gesellschaft "nicht tut", machen es in dem sinn für ihre kinder auch schwer (werden in der schule gespottet, was weiss ich) und die kinder tragen in diesem fall auch das leid mit. ein weiterer punkt, der sich herauskristallisiert hat, trifft ebenfalls etwas von pierreramuz beschrieben: der wunsch, etwas "abschliessen" zu können, also über "den Fall" einen entscheid zu treffen, "die person ist gut oder schlecht", darum auch der drang zum urteil, hat die person etwas wirklich gemacht oder nicht. schwierig zu erklären aber den gedanken kann ich nachvollziehen, viele leute haben mühe damit, etwas offen zu lassen, oder eben nicht zu schubladisieren, und das "problem" ist wie nicht gelöst, wenn man sagen muss "das kind hat etwas schrekliches gemacht... dafür ist die familie ganz ok": das passt wie nicht.
dank euren wertvollen antworten habe ich mir nun das verhalten einigermassen erklären können. heisst nicht, dass ich damit einverstanden bin. nach wie vor finde ich auch, dass die angehörigen genug leiden müssen und eher grosses mitgefühl verdient haben als etwas anders.

liebe alein
eine sehr spannende frage. ich würde es so sehen: auf der einen seite gibt es das geflecht der ursachen, die zu kriminalität führen. und das ist eine vielschichtige angelegenheit. eine wichtige komponente ist auch die ursprungsfamilie. aber nicht im sinn, dass man immer einfach sagen kann, die haben dies und das falsch gemacht, sondern in dem sinn, dass in dieser umgebung ein mensch seinen charakter erwirbt. nach meinem wissen ist die beziehung, die kindheitsgeschichte der wichtigste faktor für den charakter und die frustrationstoleranz. aber es gibt auch die gesellschaftlichen zusammenhänge. zum beispiel wenn not herrscht oder diskriminierung von menschen. dann kann es nur natürlich sein, dass man sich dagegen auflehnt und gesetze bricht. wenn jemand einen mord begeht, dann tut er das in den allerseltesten fällen aus "spass", sondern es steht eine lange kette von erlebnissen und situationen dahinter. einmal den fall der notwehr ausgenommen. - dass man die vorstellung hat dass es eine "mörderfamilie" gibt, die von der gesellschaft geächtet werden müsste, ist eine viel zu einfache vorstellung. wissenschaftler, die heute untersuchungen dazu machen, sagen, dass jeder von uns in gewissen situationen zum mörder werden könnte. die grenze zwischen den "gesetzestreuen" und den "gesetzlosen" ist viel dünner, als man gerne glauben möchte.
damit zur anderen seite: in der gesellschaft gibt es moraltraditionen. die religionen zum beispiel. damit ist die vorstellung verbunden, dass wenn man sich an die richtigen moralischen vorschriften hält, alles gut herauskommt. dort, wo's nicht gut herauskommt, hat man sich eben zuwenig an die gesetze oder an die moral gehalten. diese moral-ideen haben nichts mit den wissenschaftlich untersuchten ursachen von kriminalität zu tun, aber sie erleichtern das denken, weil sie abkürzungen sind. aber sie nähren vor allem die illusion, dass wir, die wir nicht gemordet haben, zu den guten gehören und die anderen, mit denen möchten wir nichts zu tun haben. meist versucht man mit diesen moralischen schablonen grosse ängste sich vom leib zu halten. - leider tragen auch die medien, auch zeitungen und filme sehr oft dazu bei, in ganz einfachen moralischen kategorien zu denken, statt die zwischentöne zuzulassen. im "magazin" von letzter woche wurde berichtet, dass in hollywood in den letzten jahrzehnten keine komplexen charaktere gewünscht werden von den investoren, nur noch ganz klar gut-böse, schwarz-weiss. das entspricht aber nicht der realität. - auch in der realen gerichtspraxis kommt es ja immer wieder vor, dass leute für einen mord verurteilt haben, den sie gar nicht begangen haben, während der wirkliche mörder frei herumläuft. aber es gibt sogar leute, denen das lieber ist, weil dann wenigstens einer eingesperrt ist und man das gefühl hat, das problem sei korrekt erledigt worden.
schliesslich möchte ich noch marie wiedersprechen. "strafe muss sein" ist ein alter zopf. es mag einen kleinen bereich von delikten oder leuten geben, wo das manchmal funktioniert. aber es gibt beispiele, wo man herausgefunden hat, dass die gefahr der wiederholung grösser ist, wenn jemand bestraft wird, als wenn man ihn laufen lässt und er weiss, dass man ihn erwischt hat. - in der tiefenpsychologie spricht man dabei vom "verbrecher als entmutigtem menschen".
also, um deine eingangsfrage zu beantworten, alein, nein, eine solche familie benötigt nicht ausgrenzung, sondern mitgefühl. auch nicht gegen den täter. auch dieser braucht mitgefühl. (natürlich auch das opfer und seine angehörigen, logo.) nicht im sinne von "verzeihen", sondern im sinne von anteilnahme, verstehen. wenn man begreift, dass solche verbrechen aus seelischer not geschehen, wird man einem verbrecher und all seinen mätzchen ganz anders begegnen.