Kommentare

Lustig, auch mich hat genau der film „tag am meer“ wieder mal dazu veranlasst über die wirkung von schweizerdeutsch in filmen zu sinnieren. Der einstiegsdialog in besagten film ist mir nämlich extrem hölzern, gekünstelt und auswendig gelernt vorgekommen (dieser eindruck ist aber im verlaufe des films verflogen). Da mir das schweizerdeutsche in allen neuen filmen immer wieder als gekünstelt auffällt, liegt das problem in meinen augen nicht im einzelnen film. Ich erlebe es wie andere hier im forum auch bloss bei neueren filmen. Meine theorie ist nun die, dass die irritation mit der vertrautheit zu tun hat. Wir sind es uns nicht gewohnt, die sprache, die wir tagtäglich sprechen auch im film zu hören. Das ist aber jene sprache, die uns am vertrautesten, am nächsten ist und deshalb sind wir hier auch besonders kritisch, nicht bewusst, aber wir vergleichen einfach laufend die leinwandeindrücke mit der wahrnehmung im alltag. Das können wir mit schriftdeutschen dialogen weniger und auch die alten schweizer filme haben schon wieder viel weniger mit uns zu tun, da abstrahieren wir automatisch. So meine theorie!

Voller Neugier, nicht zuletzt ausgelöst durch die Diskussion hier, habe ich mir den "Tag am Meer" nun auch angesehen. Und obwohl ich zehn Jahre älter bin als die Protagonisten des Films, war das genau "meine" Sprache, wie ich sie rund um mich höre und selber verwende. Nur an ganz wenigen Stellen kam das Gefühl des Auswendig-Gelernten auf (Daves Philosophieren über Fehler und Träume; der verdurstende Basilikum); ja die Dialoge waren manchmal so realitätsnah, dass sie rein akustisch schwer verständlich waren (verschluckte Wortenden; vor dem Ende des Satzes bereits weglaufen etc). Die Sprache und die grossartige Schauspielkunst sind es, die dem Zuschauer unmittelbar Zugang verschafft haben zum Leben, dem Alltag, den Ängsten und Hoffnungen dieser jungen Menschen. Eine Einschätzung, die die überwiegende Mehrheit der Kinobesucher mit mir teilte, wie die Reaktionen während des Films unschwer erkennen liessen.
Ach, noch was: "Tag am Meer" schon nur in die Nähe von "Lüthi & Blanc" zu rücken - eine derart grobe Beleidigung haben Moritz Gerber und sein Team nun ganz und gar nicht verdient!

@moritzgerber: ich würde mich so weit aus dem Fenster herauslehnen und sagen, ich hätte zwischen den Zeilen lesen können und die Ironie verstanden (zB diesen "Beziehig"-Satz). Bloss glaubte ich das Gesagte den Schauspielern nicht.
Dieses Problem habe ich bei der CH-Mundart Musik weniger, finde Züri West & Stiller Has ein gutes Beispiel für CH-Texte, die etwas auslösen, gerade weil sie urschweizerisch/ -bernerisch sind aber aktuell.
Seltsam finde ich, dass bei der Frage nach CH-Mundart Kunst oft alte Künstler erwähnt werden, Mani Matter, HD Läppli, Roderer, etc... Ich frage mich, ob man CH-D halt eher mit Rückstädigkeit, Vergangenem verbindet.

@ Kursani: ... Ja, eben: ich bin der Hauptverantwortliche für "Tag am Meer". Ausgerechnet mein Film hat also diese Diskussion ausgelöst? - Wie gesagt: es gab ein paar Reaktionen von Leuten, die sich an der Sprache gestört haben. Aber mehrheitlich war das Feedback sehr positiv. Ob du das glaubst oder nicht: nach beinahe jeder Vorstellung, bei der ich anwesend war, wurde ich gefragt, wie wir das hingekriegt hätten, dass die Dialoge so natürlich klingen.
Die Geschmäcker sind offensichtlich verschieden. Ich habe mich mitunter gefragt, ob die Ironie im Text manchmal zuwenig deutlich ist. Es gibt einen Moment, in dem Dave, der Protagonist, zu seiner Freundin sagt: "Du gibsch der überhoupt keh Müeh meh i derä Beziehig!" Das hat jemand als sehr klobigen, steifen Satz empfunden. Zurecht! Dave sagt diesen Satz natürlich voller Ironie, er macht sich genau über diese Art des formellen Sprechens lustig. Vielleicht sind wir es nicht so gewöhnt, auch in Schweizerdeutschen "Texten" zwischen den Zeilen zu lesen/hinzuhören?
Die Deutschen hatten ja z.B. mit Songtexten lange dasselbe Problem. Da gab es deutsche Texte eine Weile nur beim Schlager. Bis dann 2Raumwohnung und Wir sind Helden und all' die neu gezeigt haben, dass man auch auf Deutsch singen kann und darf...

Ich habe den "tag am meer" auch gesehen und find all die lobenden Worte der Presse sind nicht mal annähernd gut genug. Dieser Film hat den Namen Sommerfilm mehr als verdient.
Gerade weil er hier spielt, wo ich sonst lebe und Bier trinke, macht doch das ganze so toll. Ich ärgere mich auch oft über Schweizer Filmproduktionen aber ich denke, dass es früher und auch in jüngster Zeit wirkliche Perlen drunter hat und die sollten nicht mit dem Tag & Nacht Zeugs vor die Säue geworfen werden.
Danke ans Tag am Meer-Team!

@marie.omlin: stimmt! MINIsuisse von Madame Bissegger habe ich ein Mal gesehen und war begeistert.
@moritzgerber: Bist Du der Moritz Gerber von "Tag am Meer"? Ich habe den Film gesehen. Den Sprechrhythmus und das Sprechtempo des Films empfand ich als künstlich, was es schwierig machte, dem Gesagten/ den Gefühlen der Darstellern zu glauben. Ehrlich gesagt, war dieser Kinobesuch der Grund dafür, dieses Thema zu eröffnen. Weder möchte ich Dich oder diesen Film angreifen, ich weiss, was es bedeutet, einen Film überhaupt auf die Beine zu stellen. Mich beschlich im Kino ein "Lüthi & Blanc"-Gefühl. Das Thema fand ich spannend, allerdings hat der Film meine Erwartungen nicht erfüllen können, weil mich weder der Verlauf, noch das Ende der Geschichte überraschen konnten. Beim Verlassen des Kinos fragte ich mich, ob ich den Film - wäre er ein hochdeutscher gewesen- gleich beurteilen würde. Dies beschäftigte mich, weil ich einen der Schauspieler schon in hochdeutschem Theater gesehen habe und ihn als wirklich talentiert bezeichne.

Also, ich kann mich gerne exponieren. Ich schreibe selber Drehbücher und mache Filme - im Moment ist mein erster Langspielfilm "Tag am Meer" im Kino (an die hiesigen Ronorpler: spielt übrigens in Zürich, überall dort, wo wir zuhause sind). Mir ist es ein grosses Anliegen, die Sprache natürlich und lebendig klingen zu lassen, und nicht zuletzt daran haben wir während 2 Jahren Drehbuchentwicklung immer wieder gefeilt.
Mit dem fertigen Film jetzt haben wir unterschiedliche Reaktionen: viele, die ihn sehen, finden, dass sie im Kino nur ganz selten so stimmige, im Hier und Jetzt verwurzelte Sprache gehört haben. Es gab aber auch vereinzelt Leute, die sich über "hölzerne Dialoge" beklagt haben. Da frage ich mich, ob das Problem nicht auch mit den Hörgewohnheiten der Zuschauer zu tun hat. Klingt Schweizerdeutsch für viele einfach immer "uncool" und "gstabig"? (Der Ostschweizer Dialekt einer der Figuren wird besonders oft angekreidet - ein bisschen engstirnig, finde ich.)
Ich habe den Verdacht, dass es bei vielen einfach auch an Selbstbewusstsein mangelt bezüglich der Ausdruckskraft und Flexibilität unserer Sprache. Man kann auf Schweizerdeutsch - in jedem Dialekt! - wunderbar flirten, fluchen, streiten, verhandeln, blödeln, philosophieren... Und meiner Meinung nach ist das in unserem Film gut zu sehen. :-)

Ich kann dir nicht sagen, weshalb dich das stört. Zwar kein Experte auf dem Gebiet, aber ich mag die ganz alten Schweizer Filme gerade wegen der Sprache! Da gibt es herrlich alte Ausdrücke, die man heute nicht mehr kennt. Wenn du von CH-Filmen sprichst, welche meinst du dann? Über HD Läppli oder so kann ich mich heute noch krummlachen! Oder schau dir mal die Schweizermacher an, Dällebach Kari und so weiter...es gibt viele gute Filme, bei denen das CH-Deutsch authentisch rüberkommt. Bei den "modernen" Serien, die vom SF produziert wurden, Lüthi/Blanc Tag/Nacht stört mich einfach die ganze Geschichte, das Drumherum, das gekünstelt wirkt. Die sind einfach scheisse. Das wäre genau so mühsam, wie wenn es alles deutsche Schauspieler wären.

schau dir www.madamebissegger.ch in Ostermundigen an - bestes Freilicht theater - mit verschiedenen Dialekten...gruss von der Schauspielerin

Ich glaub nicht, dass es an der Mundart liegt -- obwohl: Wenn in EINER Familie die Dialekte wild zusammengemixt werden, find ich das etwa gleich peinlich, wie wenn eine Mexikanerin einen ganzen Film hindurch gebrochen Englisch spricht -- im mexikanischen Umfeld.
Es sind vielmehr die grottengrässlichen Stories, mit den depressiven sogenannt gesellschaftskritischen Themen, in denen die engstirnigen Bergler bemüht werden und die flotten Städter, vielleicht noch ein bisschen Rassismus, aber immer schön in der altgedienten Tretrinne. Humor- und lieblos. Die armen Schauspieler haben dann auch nicht viel, womit sie arbeiten können. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Mundartfilme für ein ausschliesslich schweizerisches Publikum gemacht werden. Und dieses deutschschweizer Publikum geniesst offenbar bei den Filmemachern nicht gerade viel Achtung -- ich schäme mich auch regelmässlg.

ich versteh dich gut. ich habe das auch bei allen filmen besonders bei serien (oft schäme ich mich für die leute, dass es fast unerträglich ist weiter zu schauen).
den einzigen film auf schweizerdeutsch denn ich empfehlen könnte, wäre "die herbstzeitlosen". ich fand den sehr gut gespielt und das schweizerdeutsch kommt nicht so bescheuert rüber.

Besuch doch das Freilichtheater Solothurn auf dem Friedhofplatz. Der Giftmischer in Mundart gesprochen ist sehr schön und professionell inszeniert und in bester Mundart gesprochen.
Und erst noch live!. www.freilichtspiele-solothurn.ch

... "Tag am Meer" schon gesehen? Der ist jetzt grad in den Kinos.

Das liegt daran, dass wir unsere Sprache als "uncool" empfinden. In anderen Ländern (Frankreich und Spanien zum Beispiel) sind die Menschen sprachunbegabter und stolzer auf ihre eigene Sprache. Sie hören auch gerne Musik in ihrer Sprache, ziehen sie sogar fremdsprachiger Musik vor, was bei uns ebenfalls nicht gerade als cool gilt.
Viele nehmen Schweizer Musik, Schweizer Filme und Schweizer Prominente einfach nicht gleich ernst wie Deutsche, oder gar Amerikanische. Wenn man das von klein auf lernt, gefällt es einem auch nicht. Ich zum Beispiel mag Mundart-Musik nicht besonders, obwohl es super Songs darunter gibt und es keinen rationalen Grund gibt, diese nicht zu mögen.
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