Inspiriert von: Hardchor

Ein Blick hinter die Kulissen des Hardchors
Mittwochabend. Ich schlendere am belebten Letten entlang und biege kurz vor dem Parki in die Wasserwerkstrasse ab. Vor mir taucht eine Garage auf, vor der bereits einige Leute herumstehen, einige haben ein Bier in der Hand, manche ziehen sich hastig ein Sandwich rein. Die Stimmung vor der Probe des Hardchors ist ausgelassen und fröhlich.



Kaum angekommen, wird auch mir ein Bier angeboten. Sophie, eine der Mitgründer:innen des Chors, merkt, dass es eines der letzten ist. Doch auch dafür gibt es eine Lösung: Eine Not-SMS im Chor-Chat fordert die Nachzügler:innen auf, Bier mitzubringen. Es scheint zu funktionieren, denn nach und nach treffen sie mit Six-Packs ein. Bevor die Probe beginnt, nutze ich die Gelegenheit für ein Interview mit den Gründer:innen und dem Chorleiter – Sophie, Felix, Oli und Pierfrancesco.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen Chor zu gründen?
Angefangen hat eigentlich alles mit einer Insta-Story von Oli. Er hatte richtig Lust darauf in einem Chor zu singen und hat seine Insta-Freund:innen gefragt, ob sie Chöre kennen, die sie ihm empfehlen können. Auf seinen Aufruf kamen aber nur blöde Antworten. Nur Felix hat ihm geantwortet, dass er ebenfalls Lust hätte, in einem Chor zu singen. 

Und wie ging es dann weiter?
Wir haben schnell gemerkt, dass es keinen Chor gibt, in dem wir gerne selber singen würden. Also haben wir uns gedacht, dass wir gleich selber einen gründen und haben uns auf die Suche nach weiteren Leuten gemacht, die Interesse daran haben. 

Und hat das geklappt?
Ja, eigentlich ganz gut. Wir haben ein erstes Treffen für alle Interessierten im Gambrinus an der Langstrasse einberufen. An dieses Treffen kamen auch Sophie und Felix. Und ab dann ging es irgendwie nur noch bergauf. 

Und was habt ihr bei diesem ersten Treffen besprochen?
Als erstes haben wir geklärt, was wir für Vorstellungen vom Chor haben. Uns allen war sehr schnell klar, dass wir einen Chor haben wollen, in dem auch mal geraucht oder ein Bier getrunken werden darf. Ein Chor, in dem man freiwillig geht und kein Zwang besteht, an die Proben zu kommen. Es ist also egal, ob man nur alle drei Monate vorbeikommt oder bei jeder Probe dabei ist. Die Leute sollen wegen dem Spass in den Chor kommen. Ah und übrigens, wir singen auch ohne Noten. Du merkst, wir sind ein bisschen anders als viele andere Chöre. 

Und habt ihr mit eurer Idee das Interesse geweckt?  
Absolut. In der ersten Probe waren wir lediglich 12 Personen. Doch mit jeder weiteren Probe wurden es immer mehr. Im Moment sind wir über 120 Personen im Chor-Chat. In die Proben kommt dann jeweils gut die Hälfte davon. Doch wir sind im Moment so gross, dass wir für Frauen einen Aufnahmestopp einführen mussten. 

Es treffen immer mehr Leute ein, alle sagen sich Hallo, die Stimmung wird lauter und fröhlicher. Ein weiteres Bier wird mir in die Hand gedrückt. Die ersten Personen begeben sich in die Garage und suchen schon einmal ihr Liederheft, das auf einem Stapel liegt. Ich stelle noch ein paar weitere Fragen, bevor es zur Sache geht. 



Ich würde von euch gerne noch wissen, was ihr eigentlich für Lieder singt?
Das ist ganz verschieden. Bei uns ist es so, dass jede Person Songs vorschlagen kann. Pierfrancesco, unser Chorleiter, entscheidet dann, ob diese für den Chor passend sind. Es sind aber vor allem Poplieder. Von alt bis neu. Wir singen «Gimme Gimme Gimme» von Abba bis zu «E Nacht ade Langstrass» von Faber, Hunger und Brandão.

Wo seid ihr schon überall aufgetreten?
Einer der ersten Auftritte war kurz vor Weihnachten auf einer Treppe in der Nähe der Bahnhofstrasse. Das war irgendwie ganz lustig, weil wir die Leute vor Ort mit unseren Songs sicherlich auch ein bisschen überrascht haben. Wir haben da zum Beispiel auch Backstreet Boys gesungen.

Und was steht in Zukunft so an?
Es kommen fortlaufend Anfragen rein. So wurden wir zum Beispiel kürzlich gefragt, ob wir in einem Club singen möchten, der bald ein Jubiläum feiert. Und wir selber würden im Herbst sehr gerne auch mal an einem Abend eine kleine Tour durch Zürich machen und in verschiedenen Restaurants auftreten. Zudem würden wir gerne auch ein Winterkonzert und ein Chorlager durchführen. Du siehst, an Ideen mangelt es uns nicht. 

Und was meinst du (Pierfrancesco, der Chorleiter) zum Niveau des Chors?
In der Garage, in der wir proben, hat es auch noch Ateliers. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir am Anfang schon auch mal der Satz «Oh mon dieu, wie schrecklich das klingt» zu hören bekommen haben. Heute sind wir viel besser und bekommen immer öfter auch Komplimente. Mir selbst läuft es auch manchmal kalt den Rücken herunter, wenn ich höre, wie schön unsere Lieder klingen. 



Gibt es noch etwas, das ihr mir mitgeben möchtet?
Das Singen tut einfach der Seele gut. Es kann schon einmal vorkommen, dass man schlecht gelaunt in die Probe kommt. Danach geht man aber fast immer gut gelaunt wieder nach Hause. Und das zu spüren ist irgendwie voll schön. 

Ich bleibe für die erste Hälfte der Probe und spüre, wie mehrmals Gänsehaut über meinen Körper läuft, während ich dem Hardchor zuhöre. Am Ende wage ich schliesslich zu fragen, ob es für mich auch einen Platz im Chor gibt. Die Mitglieder bejahen und sagen, dass ich doch nach der Sommerpause mal vorbeischauen kommen soll.

Ich verlasse die Probe mit einem breiten Lächeln im Gesicht und spüre die strahlende Energie des Chors noch lange in mir nachhallen, während ich mich auf den Weg zurück zum Letten mache und aus der Garage die Stimmen der Sänger:innen höre, die sich bereits in die zweite Hälfte ihrer Probe vertiefen. Und in meinem Kopf stelle ich mir schon vor, wie ich nach der Sommerpause selbst im Chor mitsingen werde. 


Steckbrief Hobby Chor

Hobby: Chor
Spassfaktor: Bei Hardchor definitiv 10/10
Commitment: Du kannst selbst entscheiden, wie oft du in die Probe des Hardchors gehst. Je öfter du dabei bist, desto besser wird es dann am Schluss aber wohl klingen. 
Eignet sich für: Menschen, die gerne singen und viele neue Leute aus Zürich kennenlernen wollen. 
Mitnehmen: Nichts.
Vorbereitung: Sozusagen keine. Wenn du möchtest, kannst du zu Hause die verschiedenen Stimmen üben. Der Chorleiter, Pierfrancesco, hat nämlich auf Dropbox für jede Stimme eine Audiodatei abgelegt.